"Aufstand legt die russischen Schwächen offen", titeln De Standaard und Gazet van Antwerpen. Der Aufstand, der Putin schwächt", so die Schlagzeile von Le Soir. "Überraschendes Ende der Söldner-Rebellion", notiert das GrenzEcho auf Seite eins. La Libre Belgique spricht ihrerseits von den "Rätseln des abgebrochenen Putschs".
Die Welt blickt so ein bisschen ratlos auf Russland. Am Samstag hatten ja rebellierende Wagner-Söldner zu einem "Marsch auf Moskau" angesetzt, um 200 Kilometer vor der Hauptstadt dann doch wieder abzudrehen. Wagner-Chef Prigoschin bekam dennoch offenbar freies Geleit nach Belarus. Die Ereignisse vom Samstag dürften in jedem Fall nicht ohne Folgen bleiben: "Prigoschin zeigt, dass Widerstand gegen Putin möglich ist", konstatiert etwa De Morgen auf seiner Titelseite. "Putin ist geschwächter denn je", bemerkt La Dernière Heure. "Putin steht mehr denn je alleine da", glaubt Het Nieuwsblad.
Die Deutung der Ereignisse vom Wochenende ist kompliziert, kann La Libre Belgique nur feststellen. Und so viel vorweg: Viele Fragen dürften erstmal offenbleiben. Das weckt Erinnerungen an die Zeit, in der Sowjetologen versuchten hinter die undurchdringlichen Mauern des Kremls zu schauen, um die Moskauer Intrigenspielchen zu verstehen. Auch heute kann man nur spekulieren. Ist es vielleicht so, dass Putin sich nicht entscheiden wollte zwischen Wagner-Chef Prigoschin und seinem Verteidigungsminister Schoigu? Und was wird aus der Wagner-Truppe? Und wird Putin im Ukraine-Krieg jetzt noch einen Gang höher schalten? Fragen über Fragen…
In Russland ist die Lage nur noch chaotischer geworden
"Was war das denn?", fragt sich auch sinngemäß Het Belang van Limburg in seinem Leitartikel. Was führte Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin im Schilde? Dass er mit der Militärführung über Kreuz lag, das war bekannt. Dass er seine Söldnertruppe aber auf den Weg nach Moskau schicken würde, das hat sich offensichtlich niemand vorstellen können. Zur ultimativen Konfrontation kam es nicht. Und doch ist Russland seit dem vergangenen Samstag nicht mehr dasselbe Land. Die Zeiten, in denen Wladimir Putin den allmächtigen Großmeister in Russland geben konnte, diese Zeiten sind vorbei. Der Mann, der sich so gerne als Alphatier zeigt, hat am Wochenende ein schwaches Bild abgegeben.
Gazet van Antwerpen sieht das ähnlich. Das vergangene Wochenende hat bewiesen, dass Putins Allmacht doch nicht so absolut ist. Wirklich beruhigend ist das aber nicht. Im Gegenteil: Die Lage ist nur noch chaotischer geworden. Und auch gefährlicher, denn ein angeschlagener Wladimir Putin ist wohl noch unvorhersehbarer.
Die Zeit nach der Putin-Ära vorbereiten!
Der kurzzeitige Wagner-Aufstand hat vor allem eins bewiesen, glaubt Le Soir: Nichts ist in Russland wirklich noch normal. Die Episode vom Wochenende ist vielmehr eine weitere Etappe im langsamen Niedergang des Landes. Die Russen wissen jetzt jedenfalls, dass die Bedrohung nicht nur von außen kommt, wie es der Kreml den Menschen spätestens seit dem Beginn des Ukraine-Krieges weis machen will. Und dass der Wagner-Chef Prigoschin obendrauf auch noch straffrei ausgeht, das ist doch ein zumindest verstörendes Signal, zumal in einem Land, in dem man schon wegen der bloßen Teilnahme an einer Protestkundgebung für Jahre ins Gefängnis wandern kann. Putin mag die Gefahr eines Bürgerkriegs abgewendet haben. Die Frage ist: Für wie lange noch?
Der Westen sollte sich jedenfalls schon mal auf die Zeit nach der Putin-Ära vorbereiten, empfiehlt De Standaard. Und die wird für den Westen nicht notwendigerweise angenehmer. Vielmehr ist es denkbar, dass die neuen Machthaber im Kreml noch skrupelloser und unvorhersehbarer sein könnten. Und es gibt bestimmt, Beruhigenderes als die Aussicht, dass künftig vielleicht Terroristen den Finger am Atomknopf haben könnten. Die nächsten Wochen werden jedenfalls mit Sicherheit nicht business as usual.
Die Wähler werden aus dem politischen Zentrum vertrieben
Einige Zeitungen beschäftigen sich auch mit dem Zustand der Vivaldi-Koalition. Symbolhaft steht da das politische Schicksal von Außenministerin Hadja Lahbib. Die muss heute erneut wegen der Visa-Affäre den Abgeordneten im zuständigen Ausschuss Rede und Antwort stehen.
Aber es ist offensichtlich, dass die Sozialisten und die Grünen über Lahbib eigentlich den MR-Vorsitzenden Georges-Louis Bouchez treffen wollen, analysiert Het Laatste Nieuws. Man will sich offensichtlich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, dem ewigen koalitionsinternen Brandstifter endlich mal einen Denkzettel zu verpassen. Und sollte es Bouchez gelingen, seine Außenministerin doch im Amt zu halten, dann wird er dafür einen ansehnlichen Preis zahlen müssen. Doch bleibt das Ganze letztlich ein Trauerspiel. Man darf sich jedenfalls nicht wundern, wenn die Bürger am Ende auch noch das letzte Fünkchen Vertrauen in die Politik verlieren.
Die Vivaldi-Koalition ist besonders geübt darin, ihr eigenes Grab zu schippen, meint nachdenklich De Morgen. Große Zukunftspläne werden geopfert auf dem Altar mal linker, mal rechter Vetos. Jetzt wird die Regierung schon seit einer Woche durch die Vertrauenskrise um die Außenministerin gelähmt. Natürlich war Georges-Louis Bouchez oft der böse Geist in dieser Koalition. Aber ist das jetzt wirklich der richtige Zeitpunkt, um die eigene Ohnmacht zu organisieren? Die Regierungsparteien tun derzeit alles, um die Wähler aus dem politischen Zentrum zu vertreiben.
Belgian Cats – "Chapeau, meine Damen"
Es gibt schließlich aber auch noch positive Schlagzeilen: "Die Belgian Cats sind Europameisterinnen", jubeln etwa La Dernière Heure und L'Avenir. "Historischer Titel für die Belgian Cats", schreibt auch De Morgen. Die belgischen Basketballfrauen haben sich am Abend im Finale gegen die Mannschaft aus Spanien durchgesetzt. "Chapeau, meine Damen", lobt L'Avenir. "Respekt für das, was Sie für Ihr Land tun, für Ihren Sport und für den Frauensport im Allgemeinen; Sie bekommen jetzt die Aufmerksamkeit, die Sie verdienen".
Roger Pint