"Thibaut Courtois: der Bruch", titelt La Dernière Heure. "Courtois' Abgang schockt Tedesco", schreiben L'Avenir und das GrenzEcho auf Seite eins. "Schockiert, weil Courtois sich beleidigt fühlt", so auch die Schlagzeile von Het Laatste Nieuws.
Zwischen dem Nationaltorwart und dem neuen Nationaltrainer hängt der Haussegen gehörig schief. Anscheinend ist Thibault Courtois sauer, weil er beim letzten EM-Qualifikationsspiel gegen Österreich nicht die Kapitänsbinde tragen durfte. Courtois hat also das Trainingszentrum in Tubize verlassen und ist auch nicht mit nach Estland geflogen, wo die Roten Teufel heute ihr nächstes Qualifikationsspiel bestreiten. Und jetzt wirft Courtois dem Nationaltrainer auch noch vor, gelogen zu haben. "Kommt die Beziehung zwischen Tedesco und Courtois nochmal in Ordnung?", fragen sich besorgt Het Nieuwsblad und Gazet van Antwerpen. "Wird Courtois jemals zu den Roten Teufeln zurückkehren?", schreibt auch Het Belang van Limburg. De Standaard ist kritischer und spricht von einem "Eigentor von Thibaut Courtois".
"Thibault: Du. Bist. Der. Beste."
Der Sportchef von Het Laatste Nieuws wendet sich mit einem offenen Brief an den Torhüter: "Thibault, Du bist unser bester Keeper aller Zeiten. Der größte. Der beeindruckendste. Der erfolgreichste. Aber die Nationalmannschaft im Stich zu lassen und dem Nationaltrainer die Pistole auf die Brust zu setzen, das geht gar nicht. Das hast Du auch gar nicht nötig, denn nur um nochmal Dein haushohes Ego zu streicheln: Du. Bist. Der. Beste.", meint sarkastisch Het Laatste Nieuws. Courtois hat sich über die Roten Teufel gestellt. In dieser Geschichte gibt es nur Verlierer.
Auch L'Avenir beklagt den Egozentrismus des Weltklasse-Torhüters. Ja! Thibaut Courtois ist der Beste seiner Zunft. Er hat aber offensichtlich den Eindruck, dass man das in Belgien nicht ausreichend zu wertschätzen vermag. Indem er das Team jetzt schmollend verlassen hat, sorgt er aber für eine Polemik, auf die allen voran Domenico Tedesco gut und gerne hätte verzichten können. Wie kommt man aus dieser Sache wieder heraus? Auf der einen Seite ist es schwer, auf ein Monument wie Courtois zu verzichten, aber was er jetzt macht, geht gar nicht.
Die Stunde der Wahrheit für Lahbib
Innenpolitisch richten sich die Blicke weiter auf die föderale Außenministerin. "Maximaler Druck auf Hadja Lahbib", schreibt etwa La Dernière Heure auf Seite eins. Hintergrund ist die Polemik um die Anwesenheit des Teheraner Bürgermeisters in Brüssel. Für die Visa-Vergabe ist ja das Außenministerium zuständig. "Und Hadja Lahbib wird nur noch von den Liberalen gestützt", bemerkt La Libre Belgique.
"Die Außenministerin befindet sich in einer delikaten Lage", meint La Dernière Heure in ihrem Leitartikel. Ob nun der inzwischen zurückgetretene Brüsseler Staatssekretär Pascal Smet Druck ausgeübt hat oder nicht, an einer Tatsache ändert das nichts: Es ist eben einzig und alleine das föderale Außenministerium, das Einreisevisa erteilen kann. Und die Rolle der Friedensrichterin spielt hier ganz klar die Außenministerin, mit Namen Hadja Lahbib. Diese Tatsache ist unumstößlich.
"Es wird höchste Zeit, dass Hadja Lahbib wirklich alle Karten auf den Tisch legt", ist La Libre Belgique überzeugt. Denn die Stunde der Wahrheit hat geschlagen. Morgen im Kammerausschuss wird sich die Außenministerin erklären müssen. Und sollte der Besuch der iranischen Delegation in Brüssel Teil des Deals gewesen sein, der zur Freilassung von Olivier Vandecasteele geführt hat, oder sollte es irgendwelche anderen guten Gründe geben, die erklären, warum die Visa trotz einer negativen Empfehlung der Verwaltung erteilt wurden, dann muss Lahbib jetzt raus mit der Sprache. Wenn die MR-Politikerin es nicht schafft, die vielen offenen Fragen schlüssig zu beantworten, dann wird sie politisch unhaltbar.
Sind die Liberalen noch glaubwürdig?
Aber insbesondere Premierminister Alexander De Croo steht noch zu seiner Außenministerin, kann Het Laatste Nieuws nur feststellen. De Croo hat wahrscheinlich auch keine Lust auf einen Krieg mit MR-Chef Georges-Louis Bouchez. Bouchez will nämlich Hadja Lahbib zu seinem neuen Zugpferd in Brüssel machen. Selbst wenn Lahbib die Absicht hätte, aus freien Stücken zurückzutreten, kann man davon ausgehen, dass Bouchez sie davon abhalten würde. Rücktritte sind in der Regel politisch gewollt, jedenfalls kein Akt der politischen Hygiene.
"Aber wie glaubwürdig sind die Liberalen hier noch?", fragt sich Gazet van Antwerpen. Kann man wirklich dazu stehen, dass ein ultrakonservativer Hardliner aus dem Iran in Brüssel den roten Teppich ausgerollt bekommt? Und warum sollten die Wähler noch glauben, dass für die Liberalen liberale, ethische Werte noch gelten?
Eine teure Illusion
Einige Blätter werfen schließlich einen nachdenklichen Blick auf die Flüchtlingskatastrophe vor der griechischen Küste. Der Tod von bis zu 800 Migranten sorgt in Europa allenfalls noch für Schulterzucken, konstatiert De Standaard. Grund dafür ist wohl eine Form von Entmenschlichung. Dabei sieht es im vorliegenden Fall sehr danach aus, dass das kein bloßes Unglück war, sondern dass die griechische Küstenwache sich das Problem vom Hals schaffen wollte und den Menschen später auch nicht geholfen hat. Wenn uns deren Schicksal nicht mal mehr bewegt, dann bedeutet das letztlich, dass wir unsere viel beschworenen Grundwerte gerade regelrecht verhökern.
Hier wird Abschreckung zur Politik, beklagt auch De Morgen. Die europäische Migrationspolitik beschränkt sich inzwischen nur noch auf die obsessive Abschottung ihrer Grenzen. Dabei wissen wir doch, dass das eine teure Illusion ist. Das kostet viele Menschenleben, das kostet viele Milliarden, aber es löst das Problem nicht. Vielmehr braucht Europa legale Migrationswege. Und wir brauchen eine wirklich effiziente Entwicklungszusammenarbeit. Nur traut sich keiner mehr, den Wählern das so zu erklären.
Roger Pint