"Pensionszuschlag von 7.000 Euro pro Monat sorgt für böses Blut", titelt Het Belang van Limburg. "Zusatzpension von fast 7.000 Euro pro Monat", schreibt auch Het Nieuwsblad auf Seite eins. "7.813 Euro normale Pension und nochmal zusätzlich 6.689 Euro pro Monat", rechnet Gazet van Antwerpen die Beträge genau vor.
Besonders die flämischen Zeitungen widmen sich in ihren Aufmachergeschichten den unrechtmäßigen Pensionszuschlägen, die jahrelang an die zwei ehemaligen Kammerpräsidenten Herman De Croo und Siegfried Bracke gezahlt worden sind.
In den Leitartikeln geht allerdings nur Gazet van Antwerpen darauf ein. Die Zeitung schreibt: Das war gestern kein guter Tag für die Politik. Die flämische Regierung konnte sich wieder nicht einigen beim Thema Stickstoff. Der Gewerkschaftsvorsitzende Marc Leemans will in Frührente gehen. Und dann haben Herman De Croo und Siegfried Bracke sowie acht hohe Beamte unrechtmäßige Pensionszuschläge erhalten. Letzteres Problem lässt sich noch am einfachsten lösen: Die Zahlungen werden ab sofort gestoppt, das Geld könnte möglicherweise zurückgezahlt werden. Zurückbleiben wird ein fahler Beigeschmack von Selbstbereicherung in höheren Gefilden und von dem enormen Unterschied zwischen hohen und niedrigen Renten, hält Gazet van Antwerpen fest.
Missbrauch des Systems
Het Laatste Nieuws beschäftigt sich in ihrem Leitartikel mit der Frühverrentung des Chefs der Christlichen Gewerkschaft ACV und fragt: Wie untergräbt man in Windeseile die Glaubwürdigkeit einer Gewerkschaft? Man tut einfach das, was Marc Leemans jetzt vorhat. Mit 62 Jahren will er sich von seiner Gewerkschaft entlassen lassen, damit er die Voraussetzungen zum Bezug der Frührente erfüllt. Das ist ein Missbrauch des Systems, das für Menschen in schwierigen Situationen gedacht ist. Wenn Leemans nicht länger Gewerkschaftschef sein möchte, könnte er auch noch andere Aufgaben bei der ACV ausüben. Es gibt Optionen für Leemans, weiterzuarbeiten. Wem der Wohlfahrtsstaat am Herzen liegt, der kann die Entscheidung des Gewerkschaftschefs nicht akzeptieren. Wer beteiligt sich am Streik gegen Leemans?, fragt empört Het Laatste Nieuws.
Ähnlich heißt es bei De Morgen: Das ist ein Schlag ins Gesicht von sehr vielen Menschen. Ein Schlag ins Gesicht von älteren Arbeitnehmern, die genauso wie Marc Leemans die Last der Arbeitsjahre spüren, aber nicht in der Position sind, um sich auf elegante Art aus dem Berufsleben zu verabschieden. Es ist auch ein Schlag ins Gesicht älterer Arbeitnehmer, die gegen ihren Willen entlassen werden und händeringend versuchen, irgendwie wieder in den Arbeitsmarkt zu kommen. Und es ist auch ein Schlag ins Gesicht der Gesellschaft, die sowieso schon Schwierigkeiten hat, die Rentenkasse angesichts der immer höheren Lebenserwartung zu füllen, ärgert sich De Morgen.
Überzogenes Geschrei
L'Avenir findet: Diese Entscheidung von Marc Leemans ist alles andere als geschickt. Aber die lautstarke Kritik der Parteien N-VA, OpenVLD, CD&V und MR ist überzogen. Die N-VA sprach gestern sogar von Sozialbetrug. Ähnliches Geschrei ist von solchen Parteien nicht zu hören, wenn wieder einmal ein ausgetüfteltes System eines großen Unternehmens aufgedeckt wird, mit dem Steuerzahlungen umschifft werden. Wodurch der Staatskasse oft Milliarden Euro durch die Lappen gehen, erinnert L'Avenir.
L'Echo erklärt den frankophonen Lesern, worum es im Stickstoff-Streit der flämischen Regierung geht: Die flämische Regierung will den Stickstoff-Ausstoß deutlich reduzieren. Dadurch wird die Existenz vieler Landwirte gefährdet. Vor allem große Schweinezuchtbetriebe sind bedroht. Deshalb gehen die Landwirte auf die Barrikaden und werden morgen auch versuchen, mit Traktoren den Verkehr in Brüssel lahmzulegen. Es ist die CD&V, die innerhalb der Regierung blockiert. Unter ihrem neuen Vorsitzenden Sammy Mahdi will sie sich profilieren, um nicht in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden, so L'Echo.
Lohnsteuer runter, Vermögenssteuer rauf
De Standaard hingegen analysiert: Der Spannungsbogen beim Stickstoffdossier ist nicht mehr zu halten. Die Beteiligten scheinen erschöpft und gehen verbal auch wieder freundlicher miteinander um. Es bleibt unverständlich, warum die CD&V an ihrer Blockade festhält. Bei den Bauern zu punkten, ist ein fragwürdiges Ziel. Denn die Landwirte bekommen sowieso nie genug, meint De Standaard.
De Tijd kommentiert zu den Steuerreformplänen des Finanzministers Vincent Van Peteghem: Das ist kein großer Wurf, aber ein Schritt in die richtige Richtung. Van Peteghem schlägt das vor, was realistisch umzusetzen ist mit der Vivaldi-Regierung. Er will die Lohnsteuerlast senken und im Gegenzug mehr Steuern auf Vermögen und einige Konsumgüter erheben. Es wird spannend sein, zu sehen, ob die Regierungsparteien diese Vorschläge akzeptieren können. Wenn nicht, stellt sich die Frage, welche Reformen überhaupt noch möglich sein können, notiert De Tijd.
Kay Wagner