"Mehr als 60 Migranten verlieren ihr Leben bei neuem Schiffsuntergang vor Italien", titelt La Libre Belgique. "Fischerboot voller Migranten zerbricht vor süditalienischer Küste – 100 Tote befürchtet, auch Baby unter den Opfern", schreibt Gazet van Antwerpen. "Italien verweist auf Europa nach tödlichem Schiffsdrama vor der Küste Kalabriens", so der Aufmacher bei De Standaard.
L'Avenir kritisiert in diesem Zusammenhang die politischen Reaktionen als "Krokodilstränen". Zunächst die der "armen" Giorgia Meloni, der italienischen Ministerpräsidentin. Jetzt spricht sie von "tiefem Schmerz", an die Macht gekommen ist sie aber auch wegen ihres radikalen Anti-Flüchtlingskurses. Nicht vergessen, Meloni wollte, dass Europa für eine Seeblockade bezahlt, um die Flüchtlingsboote zurückzudrängen. Da daraus nichts wurde, hat sich die italienische Ministerpräsidentin entschlossen, Migranten und ihre Helfer zu kriminalisieren. Was schert sie das Seerecht, nur die öffentliche Meinung zählt. Und wie könnte man die besser auf seine Seite bringen als durch eine Behinderung derjenigen, die Leben retten wollen? Auch die Betroffenheitsbekundung von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen war in dieser Hinsicht wenig mehr als eine Schaufensterrede, siehe letzter EU-Gipfel, bei dem es Geld für die Länder gab, die die Außengrenzen schützen wollen – mit egal welchen Mitteln. Wenn man wirklich Leben retten will, wie es Europa immer wieder sagt, dann muss man den Realitäten ins Auge blicken, auch wenn das politische Kosten mit sich bringt, empört sich L'Avenir.
Belgien und die Blutdiamanten
De Morgen befasst sich mit den neuen Sanktionen gegen Russland: Sanktionen wirken nur, wenn alle Hintertürchen geschlossen werden. Auch die in unserem Land – Stichwort Diamantenhandel. Wegen der US-Sanktionen fiel der Antwerpener Diamanten-Import aus Russland letztes Jahr um 80 Prozent. Aber letzten Monat war er plötzlich wieder auf Vorkriegsniveau. Außenministerin Hadja Lahbib hat wieder bekräftigt, dass ein belgischer Alleingang nichts bringe, der Diamantenhandel werde sich einfach verlagern nach Dubai und Mumbai. Das mag zwar stimmen, aber das entbindet uns nicht von unserer Pflicht, beim Handel mit konfliktfreien Diamanten die Initiative zu ergreifen. Es geht auch nicht nur um Diamanten aus Russland, sondern auch um die aus afrikanischen Konfliktgebieten. Wir sind den Opfern der Kriege in der Ukraine und in Afrika einen ethischen Diamantenhandel schuldig. Diamanten mögen für die Ewigkeit sein – das menschliche Leid darf es nicht sein, wettert De Morgen.
Money, Money, Money
De Standaard stellt fest, dass es kaum Risse gibt in der europäischen Front bei der Unterstützung der Ukraine. Ohnehin ist das kein Konflikt, bei dem man sich erlauben könnte, keine Partei zu ergreifen. Aber genau das tun viele nicht-westliche Länder. Das kann man nicht einfach immer mit Opportunismus, Zynismus oder geopolitischer Berechnung abtun. Länder wie Pakistan oder Sri Lanka etwa leiden schwer unter den Folgen der Energiekrise und des Klimawandels. Weltweit nimmt die Armut zu – auch und gerade durch die Coronakrise und den Ukrainekrieg. Solidarität mit der Ukraine bringt nur dann etwas, wenn sich unsere Solidarität auch auf diese Länder erstreckt, mahnt De Standaard.
Het Belang van Limburg befasst sich mit den belgischen Finanzen: Laut Planbüro könnte das Haushaltsdefizit bis 2028 auf sechs Prozent steigen, die Staatsschuld könnte denn, wenn nicht eingegriffen wird, 120 Prozent des Bruttoinlandsproduktes betragen. Belgien leidet noch immer an der alten Krankheit: Es wird mehr ausgegeben als hereinkommt. Um die Folgen der Energiepreiskrise zu mildern, ging auch Geld an Menschen, die das gar nicht brauchten. Und es ist zu bezweifeln, dass die Vivaldi-Regierung, die nur noch in Richtung nächste Wahl humpelt, sich noch zu einer Sparpolitik durchringen kann. Aber den Schuldenberg weiter an künftige Generationen zu vererben, geht auch nicht mehr. Ist es denn wirklich so, dass eine Partei mit klarer Ansage und einem Sparprogramm vom Wähler abgestraft würde?, fragt sich Het Belang van Limburg.
Ferienärger und belgischer Triumph in Frankreich
La Dernière Heure ärgert sich derweil über die unterschiedlichen Regelungen bei den Karnevalsferien im Land: Während die Frankophonen noch eine Woche haben, müssen die Niederländischsprachigen heute schon wieder ran. Um beim Thema Karneval zu bleiben: Unterschiedliche Ferien in einem Land von der Größe eines Konfettis sind nicht nur lachhaft, sondern auch wenig effizient. In bestimmten Familien, die auf Mehrsprachigkeit setzen, führt das sogar zu echtem Kopfzerbrechen, klagt La Dernière Heure.
Le Soir schließlich feiert die belgischen Erfolge bei den Césars, den französischen nationalen Filmpreisen: Sie haben es geschafft! Die Würdigung der in Schaerbeek geborenen Virginie Efira als beste Schauspielerin und des aus Kelmis stammenden Bouli Lanners als bester Nebendarsteller ist der Triumph Belgiens im französischen Kino. Und das ist ja kein wunderbarer Einzelfall, Belgien liefert seit Jahren Talente, die weit über die Grenzen des Landes hinaus erstrahlen. Lasst uns das feiern. Bevor wir dann wieder zur Bescheidenheit und zum stillen Selbstvertrauen zurückkehren, die auch die Franzosen so schätzen, meint Le Soir.
Boris Schmidt