"Korruption, Kriminalität… die beispiellose und engagierte Rede von König Philippe", titelt Le Soir. "Auch der König erklärt der Drogenmafia den Krieg", schreibt Het Laatste Nieuws. "Des Königs größte Sorgen", greift auch das GrenzEcho auf Seite eins die Rede des Staatsoberhaupts anlässlich des traditionellen Neujahrsempfangs im Palast für die hohen Amtsträger des Landes auf.
Der Kampf gegen die Korruption wird an allen Fronten geführt, bis in den Königlichen Palast hinein, schreibt Le Soir in seinem Leitartikel. König Philippe hat diesem Unterfangen die höchste Priorität gegeben, was an sich schon sehr ungewöhnlich ist. Und auch wenn das Wort "Katargate" nicht fiel, so war es doch in den Köpfen aller Zuhörer, als der König die Arbeit der Justiz, der Sicherheitsbehörden und der Geheimdienste lobte. Und die Worte des Königs waren nicht etwa hochtrabend, jedes einzelne von ihnen war gut gewählt – der König hat einfache Wahrheiten ausgesprochen, als er die Bedeutung dieses Kampfes auch für das Überleben der demokratischen Institutionen des Staates hervorhob, findet Le Soir.
Vor der Rede des Königs hielt aber auch noch Premierminister Alexander De Croo eine Ansprache beim Neujahrsempfang, was Gazet van Antwerpen kritisch aufgreift: Während De Croo sich etwa bei den Menschen des Gesundheits- und Pflegesektors bedankte für ihre Arbeit, demonstrierten nicht weit entfernt 18.000 von ihnen, weil sie sauer sind über ihre Arbeitsbedingungen. Während der Premier über die Verlängerung der Laufzeit der zwei jüngsten Atomreaktoren sprach, wurde einigen Stunden später Tihange 2 definitiv heruntergefahren. Und während er über den Auftrag sprach, mehr Menschen in Arbeit zu bringen, wurde die neue Liste mit Mangelberufen veröffentlicht. 234 sind es mittlerweile, das entspricht rund 36 Prozent aller Berufe, resümiert Gazet van Antwerpen.
Wo bleibt die langfristige Energiestrategie?
Mit der Abschaltung von Tihange 2 befasst sich auch L'Avenir: Nach 40 Jahren guten und treuen Dienstes hatte der Reaktor einen Abschied mit großem Pomp verdient. Etwa hundert Demonstranten hatten sich eingefunden, um gegen sein Ende zu protestieren, darunter die Ex-MR-Energieministerin Marie-Christine Marghem. Und, man höre und erstaune, auch der N-VA-Vorsitzende Bart De Wever hatte dafür in die Wallonie gefunden. Tihange 2 ist, wie auch sein Antwerpener Zwilling Doel 3, zu einem Symbol geworden – in mehr als einer Hinsicht. Gegner ihrer Abschaltung sprechen von einem strategischen Fehler, weil dadurch die Versorgungssicherheit des Landes gefährdet werde. Das mag zwar stimmen. Eines sollte man aber dennoch nicht vergessen: Wenn der Atomausstieg zum Fiasko wird, dann ist das auch die Schuld einer verpfuschten Energiepolitik, Man kann nur hoffen, dass die Verantwortlichen sich irgendwann auf eine echte, überparteiliche und langfristige Energiestrategie einigen werden, giftet L'Avenir.
La Dernière Heure schlägt in die gleiche Kerbe: Unsere politisch Verantwortlichen können wirklich nicht behaupten, dass sie nicht genug Zeit gehabt hätten – der Atomausstieg ist schließlich am 31. Januar 2003 gesetzlich verankert worden. Genau 20 Jahre später ist nun Tihange 2 geschlossen worden, ohne dass ausreichende alternative Energiequellen aufgebaut worden wären. Bis 2035 sollen auch die letzten Reaktoren abgeschaltet werden. Das ist einerseits weit weg und gleichzeitig furchtbar nah. Unsere Politiker dürfen jetzt nicht noch diese zwölf Jahre abwarten. Der Atomausstieg muss jetzt vorbereitet werden, wettert La Dernière Heure.
Auch die Gewerkschaften müssen konstruktiv mitdenken
Het Belang van Limburg kommentiert die gestrige Demonstration des sogenannten nicht-kommerziellen Sektors: Die 18.000 sauren Menschen des Pflege- und Gesundheitssektors, die auf die Straße gegangen sind, können sich eigentlich noch glücklich schätzen. Denn sie konnten sich dafür offensichtlich freinehmen, viele andere Menschen im Sektor können sich so einen Luxus nicht erlauben. Weil sie dafür nämlich Kinder oder Patienten im Stich lassen müssten.
Es stimmt zwar, dass die Forderungen nach mehr Geld für die Pflege nie verstummen werden und dass jeder befugte Minister unweigerlich die "weiße Wut" zu spüren bekommen wird. Aber dieses Mal ist wirklich überdeutlich, dass wir an einem Wendepunkt stehen: Der Mangel an Arbeitskräften zwingt uns einfach, umzudenken. Wenn wir diese dringenden Probleme wirklich lösen wollen, dann müssen aber auch die Gewerkschaften bereit sein, konstruktiv mitzudenken über die Zukunft der Pflege, mahnt Het Belang van Limburg.
Meute oder Phalanx?
Weiter hohe Wellen schlagen derweil die Äußerungen des N-VA-Vorsitzenden Bart De Wever. Der hatte ja angekündigt, den von ihm schon lange geforderten Konföderalismus notfalls auf "extralegale" Weise einzuführen, also an geltenden Gesetzen vorbei. De Wever ist nicht der einzige, der an der belgischen Staatsstruktur verzweifelt, hält Het Laatste Nieuws fest: Auch vom CD&V-Präsidenten Sammy Mahdi, vom Open VLD-Chef Egbert Lachaert und vom Vooruit-Vorsitzenden Conner Rousseau gab es jüngst Kritik an der Reformunwilligkeit Brüssels und der Wallonie. Selbst Groen stöhnt angesichts der Haltung der frankophonen Freunde.
Die Frage wird allerdings sein, ob die flämische Politik in dieser Hinsicht eine chaotische Meute bleiben wird oder ob sie sich zu einer stramm organisierten Phalanx zusammenschließen wird. Nicht vergessen: Bart De Wever will die CD&V und Open VLD "kaputtmachen", damit die nicht, im Tausch gegen Regierungsmacht, wieder zu Wasserträgern der Frankophonen werden, erinnert Het Laatste Nieuws.
Boris Schmidt