"Von Hafenkorps bis Mega-Geldbuße: ein Wochenende voller Vorschläge gegen Kokain", schreibt De Standaard auf Seite eins. "Bußen bis zu 1.000 Euro für Koksnasen", titelt Het Laatste Nieuws. "Antwerpener fordern strengeres Vorgehen", bringt Gazet van Antwerpen das Ergebnis einer Umfrage über Drogengewalt. "Schwere Explosion und Bedrohungen in Eingangshalle von Appartementgebäude in Maasmechelen", greift Het Belang van Limburg einen erneuten Fall mutmaßlicher Drogengewalt vom Wochenende auf.
Gazet van Antwerpen befasst sich in ihrem Leitartikel mit den wichtigsten Ergebnissen der Umfrage, die die Zeitung zur Drogengewalt durchgeführt hat: 57 Prozent der Befragten geben an, dass sie der Aussage, dass sie Angst vor den anhaltenden Drogenanschlägen haben, "eher zustimmen" oder "voll zustimmen". Das ist eine erschreckend hohe Zahl. Hochgerechnet bedeutet das, dass sich einige hunderttausend Einwohner in ihrer eigenen Stadt nicht mehr sicher fühlen. Der Tod der elfjährigen Firdaous hat die Drogendebatte in eine unumkehrbare Stromschnelle gebracht. Acht von zehn Antwerpenern machen auch Drogenkonsumenten mitverantwortlich für die Gewalt. Fakt ist zwar, dass der übergroße Teil des hereinströmenden Kokains für den Weiterexport bestimmt ist, aber diese Verurteilung ist vor allem moralisch. In gewisser Weise müssen die Drogenkonsumenten wohl auch als Sündenböcke herhalten angesichts der großen Unsicherheit und einer Situation, der die Behörden nicht Herr werden, analysiert Gazet van Antwerpen.
Die zweifelhafte Rolle der PS in der Asylkrise
De Morgen greift die Forderung von Antwerpens Bürgermeister Bart De Wever nach einem Einsatz der Armee gegen die Drogenkriminellen auf: Eine unsinnige Idee, findet die Zeitung, denn Soldaten dürfen weder Menschen festnehmen noch sie befragen. Viel nützlicher wäre ein Einsatz der Armee hingegen in der heutigen Asylkrise. Dafür hätten die Soldaten die notwendige Ausbildung und auch die Mittel. Bei der Asylkrise 2015 hat die Armee beispielsweise Kasernen geöffnet. Das ist heute zugegebenermaßen schwieriger, viele Kasernen sind mittlerweile verkauft worden. Außerdem wütet an der Grenze Europas ein Krieg, der leider weiter eskalieren könnte – die Armee muss also bereit sein. Aber das Militär könnte beispielsweise dabei helfen, leerstehende Gebäude instand zu setzen oder beim Aufbau von Notaufnahmezentren. Während der Coronakrise ist die Armee ja schließlich auch Krankenhäusern und Altenheimen zu Hilfe geeilt. Dass sie jetzt in der Asylkrise nicht einspringt, ist typisch für die zweifelhafte Rolle, die die frankophonen Sozialisten PS, die ja die Verteidigungsministerin stellen, in dieser Krise spielen, meint De Morgen.
Geiseldiplomatie und Langzeitkranke
La Dernière Heure beschäftigt sich mit dem Schicksal des im Iran inhaftierten Olivier Vandecasteele: Der Iran benutzt Vandecasteele als Geisel, um einen Iraner freizupressen, der in Belgien wegen eines geplanten Terroranschlags im Gefängnis sitzt. So komplex das Dossier auch ist, im Prinzip hat Belgien zwei Optionen: Entweder weigert sich das Land unter Verweis auf den Rechtsstaat, der widerlichen Erpressung des Iran nachzugeben und riskiert das Leben Vandecasteeles. Oder Belgien bewertet das Leben eines Landsmanns höher und gibt einem diktatorischen Regime nach, was manche als Niederlage bewerten würden. Wir meinen: Nachgeben bedeutet nicht immer verlieren, wenn das Leben eines Menschen auf dem Spiel steht, so La Dernière Heure.
La Libre Belgique blickt auf das Problem der Langzeitkranken in Belgien: Sieben Prozent der 25- bis 64-Jährigen sind langfristig krank. Zum Vergleich: In der gleichen Altersgruppe beträgt die Arbeitslosigkeit vier Prozent. Besonders besorgniserregend ist, dass die Zunahme von Burn-outs und Depressionen bei den Unter-40-Jährigen am stärksten ist. Diese Zahlen sagen viel aus über unsere Gesellschaft und ihr Verhältnis zu Wohlbefinden und Flexibilität am Arbeitsplatz. Das sind keine Probleme, die man mal eben so, auf die Schnelle lösen kann. Hiermit muss man sich ausführlich beschäftigen, wir brauchen einen Mentalitätswandel, alle betroffenen Akteure müssen sich ihrer Verantwortung stärker bewusst werden. Geschieht das nicht, wird sich die Lage nur noch weiter verschlimmern, warnt La Libre Belgique.
Eine Vermögenssteuer wäre keine Premiere
L'Avenir kommentiert einen neuen Bericht der Hilfsorganisation Oxfam: Demnach besitzt ein Prozent der belgischen Bevölkerung fast ein Viertel des gesamten Reichtums des Landes. Das ist mehr als die ärmsten 70 Prozent der Bevölkerung zusammen besitzen. Oxfam verlangt vom Staat, das Geld bei denen zu holen, die es haben, sprich eine Vermögenssteuer einzuführen. Das wäre übrigens keine Premiere, erinnert die Zeitung: 1945, nach dem Krieg, war die Staatskasse leer, die "Kriegsgewinnler" hingegen hatten sich während der Besatzungszeit die Taschen gefüllt. 80 Jahre später ist es nicht der Krieg, der die Taschen der Reichsten gefüllt hat, sondern die Pandemie – während die Armut drastisch zugenommen hat. Belgien befinde sich einer Lage, die ein wenig der nach dem Zweiten Weltkrieg ähnele, erklärt Oxfam in seinem Bericht. Oxfam steht mit seiner Forderung nach einer Vermögenssteuer auch nicht allein da: Für 2023 will etwa US-Präsident Joe Biden eine Mindeststeuer auf Vermögen ab einer Größe von 100 Millionen Dollar. Und auch die Europäische Zentralbank unterstützt die Idee, die Reichsten und die Übergewinne zu besteuern, erinnert L'Avenir.
Boris Schmidt