"Belgien hat endlich sein Abkommen mit Engie", titelt L'Avenir. "Grünes Licht für Abkommen mit Engie", schreibt das GrenzEcho auf Seite eins. "Es ist ein Deal mit dem Rücken zur Wand", so aber die kritische Schlagzeile von Le Soir.
Die Föderalregierung hat sich mit dem französischen Energiekonzern Engie geeinigt: Beide Seiten verpflichten sich dazu, auf die Laufzeitverlängerung der beiden Reaktorblöcke Doel 4 und Tihange 3 hinzuarbeiten. "Es gibt da aber keine niet- und nagelfesten Garantien", bemerkt De Tijd. Ein wichtiger Punkt wurde nämlich erstmal ausgeklammert: Engie verlangt weiter eine genaue Bezifferung der atomaren Altlasten, also der Kosten für den Rückbau der Kernkraftwerke, und für die Endlagerung des Atommülls.
"Es ist ein Durchbruch, aber jetzt wartet noch das Kleingedruckte", so denn auch das Fazit von De Standaard. L'Echo spricht von einem "Abkommen voller Unsicherheiten". Und La Dernière Heure ist besonders bissig: "Ceci n'est pas un accord", dies ist kein Abkommen.
Ein unausgewogener Kuhhandel
Was wir hier sehen, das ist allenfalls ein Teilabkommen, analysiert Het Nieuwsblad in seinem Leitartikel. Die positive Botschaft ist, dass dank der Verlängerung von Doel 4 und Tihange 3 wohl das Licht nicht ausgehen wird. Das war's dann aber auch schon. Insgesamt ist es ein Sprung ins Ungewisse. Im Moment kann nämlich noch niemand sagen, wie hoch am Ende die Rechnung für die Bürger ausfallen wird. Engie verlangt weiter eine definitive und verbindliche Einschätzung der Kosten für die atomaren Altlasten. Das kann heute aber niemand genau beziffern. Die Gefahr ist also groß, dass im Falle einer zu niedrigen Kalkulation der Steuerzahler am Ende mächtig draufzahlen muss.
Engie hat das bekommen, wovon der Konzern schon seit Jahren träumt: ein endgültiges Preisschildchen für die nuklearen Folgekosten, meint auch L'Avenir. Und keine Sorge! Engie wird erst dann wirklich ernsthaft auf die Laufzeitverlängerung der beiden Reaktorblöcke hinarbeiten, wenn diese Summe ein für alle Mal festgeklopft wurde. Die Regierung wird also dazu gezwungen, eine Wette auf die Zukunft einzugehen und das kann zum Damokles-Schwert für die zukünftigen Steuerzahler werden.
Die Regierung war eben in einer denkbar ungünstigen Verhandlungsposition, stellt Le Soir einmal mehr fest. Grob gesagt: Engie verlangte nichts, die Regierung wollte alles. Und die Forderungen des belgischen Staats waren zudem kurzfristiger Natur: Es geht darum, dass 2026 nicht das Licht ausgeht. Engies Wünsche betrafen demgegenüber eine fernere Zukunft. Das Resultat konnte also nur ein unausgewogener Kuhhandel sein. Das alles ist das Resultat einer völlig verfehlten, um nicht zu sagen inexistenten Energiepolitik. Ausnahmslos allen Regierungen der letzten zwei Jahrzehnte mangelte es an einer klaren strategischen Vision.
Unsere Probleme sind noch lange nicht gelöst
Und genau dafür werden wir noch jahrzehntelang einen hohen Preis zahlen, hakt De Standaard ein. Denn wie stehen wir jetzt da? Nicht nur, dass Energie sündhaft teuer ist, obendrauf kann nicht mal die Versorgungssicherheit gewährleistet werden. Derart dramatische strategische Fehler sind tödlich für das Vertrauen in die Politik.
Und apropos Versorgungssicherheit, wirft Het Laatste Nieuws ein. Nicht vergessen: In dem gestrigen Abkommen geht es in erster Linie um den Winter 2026/27. Die jetzt vereinbarte Laufzeitverlängerung zweier Reaktoren mag da vielleicht Abhilfe schaffen. Nur fehlen auch schon Kapazitäten für den Winter davor. Und daran ändert das neue Abkommen nichts. Mit anderen Worten: Hinter der Versorgungssicherheit für die nächsten Jahre stehen weiter dicke, fette Fragezeichen. Das gestrige Abkommen war zwar absolut notwendig, aber eben noch nicht ausreichend. Unsere Probleme sind noch lange nicht gelöst.
Das gestrige Abkommen ist allenfalls ein erster Schritt, meint L'Echo aus exakt denselben Gründen. Ab jetzt ist es vor allem der Winter 2025/26, der uns Sorgen bereiten muss. Stand heute fehlt da mindestens die Kapazität eines Kernreaktors.
All diese Probleme und Unwägbarkeiten sollten jetzt doch endlich zu einem Umdenken führen, hofft La Libre Belgique. Der Schleuderkurs der letzten zwanzig Jahre fällt uns jetzt mit voller Wucht auf die Füße. Man kann die Zeit nicht zurückdrehen, aber lasst uns doch bitte die Lehren daraus ziehen. Denn es warten noch andere strategische Herausforderungen, etwa die Folgen der Vergreisung der Bevölkerung oder auch des Klimawandels. Auch hier drohen immens hohe Rechnungen, die schon jetzt größtenteils auf die künftigen Generationen abgewälzt werden. Auch im Sinne der Generationengerechtigkeit sollte man hier jetzt möglichst weitsichtig agieren.
Eine Elfjährige fällt der Drogengewalt zum Opfer
Viele flämische Zeitungen stellen heute aber auch ein Drama in den Vordergrund: "Eine Elfjährige wurde bei Drogengewalt in Merksem getötet", titeln Gazet van Antwerpen und Het Nieuwsblad. "Der eskalierende Drogenkrieg kostet ein elfjähriges Mädchen das Leben", so die Schlagzeile von De Standaard. "Ein elfjähriges Kind wird getötet in einem Krieg, der nicht seiner ist", so formuliert es Het Laatste Nieuws. Im Antwerpener Stadtteil Merksem haben unbekannte Täter ein Garagentor beschossen. Dahinter befand sich aber leider ein elfjähriges Mädchen, das tödlich getroffen wurde. Es ging offensichtlich wieder um eine Abrechnung im Drogenmilieu.
Was wir schon lange befürchtet haben, ist nun eingetreten, beklagt Gazet van Antwerpen. Wie durch ein Wunder war bislang bei den diversen Einschüchterungsversuchen kein Unschuldiger zu Schaden gekommen. Und jetzt trifft es ausgerechnet ein Kind. Das Einzige, was man jetzt noch hoffen kann, ist, dass dieser absurde Tod zu einem heilsamen Schock führt, dass sich jetzt endlich was verändert, dass die Drogenkriminalität ab jetzt wirklich entschlossen und effizient angepackt wird. Und die Politiker sollten jetzt ihre Spielchen mal für einen Moment beiseite lassen und wirklich an einem Strang ziehen.
Roger Pint