"2023", thront in großen Lettern auf der Titelseite von De Morgen. "Festnacht artet in Krawalle aus", titelt Het Laatste Nieuws. "Häufigstes Ziel der Randalierer an Silvester: die Hilfsdienste", bemerkt Gazet van Antwerpen auf Seite eins.
Der Beginn des neuen Jahres und die Ausschreitungen in der Silvesternacht vor allem in Brüssel, aber auch in anderen Städten sind für die Zeitungen auch Themen, mit denen sie sich in ihren Leitartikeln auseinandersetzen.
La Dernière Heure zählt auf: Brennende Autos, Polizisten, die mit Steinen beworfen werden, Hilfskräfte, die sich Angriffen ausgesetzt sehen: Gerade erst hatten wir die Bilder des städtischen Guerrillakriegs verdaut, die es nach dem Sieg von Marokko gegen Belgiens Fußballnationalmannschaft gegeben hatte, da tauchen die gleichen Bilder wieder auf. Wieder wird das Bild von Brüssel beschmutzt. Wirksame Strafen gegen die Täter müssen unbedingt her. Denn so kann es nicht weitergehen. Das Zusammenleben, das gerne als multikulturell bezeichnet wird und typisch für alle großen Metropolen ist, kann so nicht funktionieren, wettert La Dernière Heure.
Worauf warten die Entscheidungsträger?
Auch Het Belang van Limburg findet: Diese Gewalt, die wir wieder einmal in einer Silvesternacht erlebt haben, ist völlig absurd. Die Täter, unter denen auch diesmal viele Minderjährige waren, nennen viel zu oft Frust, Chancenungleichheit oder Rassismus als Grund für ihre Taten. Über die paar Stunden, die sie bei der Polizei in Zellen sitzen müssen, lachen sie sich nur kaputt. Das verdienen die 500.000 Polizisten, Feuerwehrleute, Ärzte, Pfleger und Hilfskräfte unseres Landes nicht. Sie kümmern sich um uns. Wir sollten uns auch um sie kümmern. Worauf warten unsere Entscheidungsträger noch, um die explodierende Gewalt gegen Hilfsdienste mit wirksamen Maßregeln zu beenden?, fragt verärgert Het Belang van Limburg.
Gazet van Antwerpen weiß: Die Randalierer in Gefängnisse und Heime zu stecken, ist sicher nicht die beste Lösung. Aus solchen Einrichtungen kommt man oft nicht als besserer Mensch heraus. Vielmehr sollte man stärker in Arbeit mit Jugendlichen investieren, in Jugendklubs und Maßnahmen, durch die Vertrauen zwischen jungen Menschen und der Polizei aufgebaut werden kann. Und in Unterstützung für überforderte Eltern, rät Gazet van Antwerpen.
2023 und Julius Cäsar
Le Soir wagt einen Blick in die Glaskugel und notiert: Keiner kann genau wissen, wie das gerade begonnene Jahr 2023 werden wird. Allerdings kann man vermuten, dass es zunächst noch unter den großen Krisen der vergangenen Jahre leiden wird. Die Covid-Pandemie schien hinter uns zu liegen, doch jetzt bereiten viele Neuinfektionen in China wieder große Sorgen. Der Krieg in der Ukraine geht weiter. Beide Krisenherde werden weiter auch Auswirkungen auf uns haben. Wie 2023 aussehen wird, wird viel davon abhängen, wie wir damit umgehen, betont Le Soir.
Het Laatste Nieuws fragt sich: Wird 2023 wirklich anders werden als 2022? Nur weil Julius Cäsar festgelegt hat, dass am 1. Januar ein neues Jahr beginnt? Davon ist nicht unbedingt auszugehen. Der Krieg, der vergangenes Jahr vor unserer Haustür ausgebrochen ist, tobt immer noch. Doch sollten wir uns zum Jahreswechsel auch einmal daran erinnern, wie gut wir es haben. Immerhin dürfen wir zum Beispiel diesen Krieg "Krieg" nennen und auch über andere Dinge fluchen, die bei uns nicht richtig laufen. An vielen Orten der Welt kann man das nicht, erinnert Het Laatste Nieuws.
Konservativ, aber auch revolutionär
Zum Tod des emeritierten Papstes Benedikt XVI. kommentiert L'Avenir: Von Papst Benedikt wird oft gesagt, dass viele ihn nicht verstanden haben und dass er auch nicht richtig beliebt war. Beide Einschätzungen treffen durchaus zu. Als Nachfolger des äußerst beliebten Johannes Paul II. hatte es der eher schüchterne und wenig charismatische Benedikt schwer in den Augen der Öffentlichkeit. Seine Entscheidungen und sein Verhalten als Papst haben ihn für viele auch nicht populär gemacht. Das Etikett "konservativer Papst" trifft durchaus zu. Viele werfen ihm vor allem vor, nicht mehr zur Aufarbeitung der Missbrauchsskandale in der Katholischen Kirche getan zu haben. Benedikt hatte da die Zeichen der Zeit nicht erkannt, wie die große Welle der Me-Too-Bewegung einige Jahre später gezeigt hat, meint L'Avenir.
La Libre Belgique hingegen würdigt Benedikt als großen Papst und führt aus: Auch wenn sein Pontifikat mit acht Jahren relativ kurz war, sollte man nicht unterschätzen, welchen Platz Benedikt in der Geschichte des Katholizismus einnehmen wird. Das theologische Wirken dieses Intellektuellen wird noch lange die Nachwelt beschäftigen. Sein ganzes Leben hat Joseph Ratzinger den Dialog zwischen Verstand und Glaube geführt. In vielen Punkten blieb er tatsächlich der katholischen Tradition treu, sorgte aber auch für einen Tsunami, als er im Februar 2013 seinen Rücktritt vom Amt des Papstes verkündete. Damit hat er die Sicht auf das Papsttum grundlegend geändert. Das war wohl der revolutionärste Akt seines Lebens, unterstreicht La Libre Belgique.
Kay Wagner