"Der Strompreis ist auf seinem niedrigsten Stand seit sechs Monaten", titelt Het Nieuwsblad. Hier geht es um den sogenannten Großhandelspreis, also den Preis, den die Anbieter auf den Weltmärkten zahlen. Doch sollte sich das irgendwann auch auf unser aller Energierechnung bemerkbar machen.
L'Avenir fragt sich, ob das so bleiben wird: "Energie – Womit müssen wir im Jahr 2023 rechnen?", fragt sich das Blatt auf Seite eins. Das Fazit der Zeitung: "Im Moment sieht man vielleicht eine Entspannung, aber Europa wird schnellstens seine Energiepolitik überdenken müssen".
"Die Großverdiener werden ihre Energiehilfen so gut wie nicht zurückzahlen müssen", so derweil die Aufmachergeschichte von De Standaard. Das sogenannte Basis-Paket der Regierung De Croo sieht ja Hilfen zur Abfederung der Strom- beziehungsweise Gasrechnung vor: Insgesamt knapp 200 Euro pro Haushalt. Diese Maßnahme war nicht speziell auf Bedürftige zugeschnitten; auch bessergestellte Haushalte kamen in den Genuss der Prämie. Nach Argumentation der Regierung würden die Gutverdiener einen Teil dieser Hilfen aber über die Einkommensteuer wieder an den Staat zurückzahlen. Laut De Standaard stimmt das aber nur sehr bedingt. Demnach würden nur vier Prozent der ausgezahlten Zulagen über die Steuer wieder eingenomme
Dreifaches Versagen oder historische Chance?
"Diese Energieprämie ist ein sündhaft teurer Witz", giftet Het Nieuwsblad in seinem Leitartikel. Es waren die Mitte-Rechts-Parteien, die dafür gesorgt hatten, dass diese Hilfen mit der Gießkanne auf möglichst viele Haushalte verteilt werden sollten. Sie wollten schließlich auch ihre eigenen Wähler bedienen. Auf die Gefahr hin, dass die das gar nicht nötig hatten. Dass das Geld über die Steuer wieder reinkommen würde, war ein leeres Versprechen, auf das die linken Koalitionspartner offensichtlich hereingefallen sind. Was für eine Blamage! Resultat ist ein dreifaches Versagen: Die Maßnahme reicht nicht aus für Menschen, die es wirklich nötig haben, sie unterstützt auch jene, die das nur bedingt brauchen und sogar die, die auf Hilfe nun wirklich nicht angewiesen sind.
Man sollte die Energiekrise insgesamt als eine historische Chance betrachten, ist L'Avenir überzeugt. Statt dem Bürger über allerlei Hilfen und Zulagen vorzugaukeln, dass die Energiepreise schon dauerhaft niedrig bleiben werden, sollte man sie vielmehr bei der Energiewende begleiten. Etwa durch eine noch entschlossenere Förderung von erneuerbaren Energien. In jedem Fall sollte die Politik die Lehren aus der Vergangenheit ziehen.
Die traurige Rückkehr zum Normalzustand
Einige Zeitungen empfehlen der Regierung, doch mal die Bedenken angesichts des tiefroten Staatshaushaltes ernst zu nehmen. Belgien weist zusammen mit der Slowakei und Malta die schlechtesten Haushaltszahlen auf, stellt De Tijd fest. Der Grund sind all die Hilfsmaßnahmen, die der Staat erst während der Pandemie und dann auch wegen der Energiekrise ergreifen musste. Dieser großzügige, beinahe allgegenwärtige Staat stößt jetzt deutlich an seine Grenzen. Und hier zeigt sich zugleich eine der wichtigsten Herausforderungen der nächsten Jahre: Die Rolle des Staates muss wieder eingeengt, auf ein vernünftiges Maß zurückgebracht werden. Oder anders gesagt: Wer einen starken Staat will, der muss sich auch die Mittel dafür geben. Die Steuerschraube noch weiter anzuziehen, darf in jedem Fall nicht die Lösung sein. Vielmehr sollte etwa die Beschäftigungsrate merklich erhöht werden.
Und auf Gratis-Geld sollte man da auch nicht mehr hoffen, mahnt De Standaard. Die Zeiten der Niedrig- oder gar Negativzinsen sind wohl endgültig vorbei. Vielmehr stehen wir wohl an der Schwelle zu einer Rückkehr zum Normalzustand. Und damit einhergehen wird – wie so oft – ein Moment des tiefen Bedauerns. Warum haben wir die einmalige Chance, die das billige Geld eröffnete, nicht besser genutzt? Warum haben wir nicht massiv in Innovation, Nachhaltigkeit und in die Energiewende investiert? Nein, stattdessen haben wir den Schuldenberg noch weiter anwachsen lassen. Und immer noch werden Hilfen ausgezahlt, die wir uns eigentlich gar nicht leisten können. Nur, dass das geliehene Geld ab jetzt wieder Geld kostet. Wir stehen vor mageren Jahren.
Es kann noch schlimmer kommen für Europa
De Morgen blickt auf die Ukraine. "Trotz der schönen Worte - Ein Friedensdialog ist unwahrscheinlich", so die pessimistische Schlagzeile. Zwar haben sowohl Russland als auch die Ukraine in den letzten Tagen Friedensgespräche in den Raum gestellt. Die Vorbedingungen, die beide Seiten formuliert haben, sind aber gleichermaßen unrealistisch.
Ein solcher Dialog ist zwar prinzipiell denkbar, aber in der Praxis tatsächlich nur schwer vorstellbar, analysiert auch Gazet van Antwerpen. Wie soll denn nach einem solchen Krieg eine Friedenslösung aussehen? Bombenangriffe auf Krankenhäuser, Folterkammern in Cherson, Leichen von Zivilisten in den Straßen von Butscha: Die russische Armee geht mit barbarischer Härte vor. Und wie in Gottes Namen sollen die Ukrainer sich an einen Tisch setzen mit dem Mann, der diese Grausamkeiten befohlen hat? Es sei denn, Putin würde gestürzt und es käme ein anderes Regime an die Macht, das sich klar von diesen Gräueltaten distanziert. Aber die Aussichten dafür sind sehr gering.
Und für Europa kann es tatsächlich noch schlimmer kommen, unkt De Morgen. An der Grenze zwischen Serbien und dem Kosovo nehmen die Spannungen in diesen Tagen merklich zu. Serbien hat seine Streitkräfte sogar in "höchste Kampfbereitschaft" versetzt. Und nur Christkinder dürften hier an einen Zufall glauben. Serbien ist ein traditioneller Verbündeter Russlands. Und es käme dem russischen Präsidenten Putin bestimmt zupass, wenn in Europa noch ein zweiter Brandherd aufflackern würde. So würde sich die Aufmerksamkeit auf zwei Fronten verteilen.
Gut, soweit ist es zum Glück noch nicht. Aber vor diesem Hintergrund stellt sich dennoch die Frage, ob die EU nicht ihre Beitrittsgespräche mit Serbien erstmal auf Eis legen sollte. Natürlich hat Belgrad das Recht, seine Freundschaft mit Moskau zu pflegen. Nur muss auch klar sein, dass es dann für das Land auch keinen Platz in der EU gibt. Erst den Kreml fallenlassen, dann das Kosovo anerkennen; und dann erst winkt eine EU-Mitgliedschaft. Das muss die Abfolge sein im Europa der postnaiven Ära.
Roger Pint