"Sparen bringt wieder was – Belfius gibt 0,5 Prozent Zinsen", titelt Het Laatste Nieuws auf Seite eins. "Belfius ist die erste belgische Großbank, die die Zinsen auf Sparbücher wieder erhöht", schreiben fast gleichlautend La Libre Belgique, De Tijd und L'Echo. "Zinsen zwar höher, aber Sparbücher bleiben Verlustgeschäft", liest man aber bei Het Nieuwsblad. Demnach reicht die Zinserhöhung nämlich nicht aus, um die hohe Inflation zu kompensieren.
Endlich ist die Erhöhung da, werden manche aufatmen, kommentiert L'Echo. Und sie haben nicht unbedingt Unrecht. Denn es stimmt zwar, dass einige kleinere Geldinstitute in puncto Zinsen schon gehandelt hatten. Aber es ist trotzdem Belfius, die nun unter den Großbanken den Startschuss gegeben hat für höhere Zinsen auf Sparkonten. Bedeutsam ist auch, dass es ein Geldinstitut ist, das dem Staat gehört, das jetzt vorgelegt hat. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass dieser Schritt allgemein eine Politik höherer Sparzinsen einläuten wird, meint L'Echo.
Die EU-Parlamentarier haben die Warnungen ignoriert
Das häufigste Thema in den Leitartikeln ist aber auch heute wieder der Korruptionsskandal im Europäischen Parlament. Es ist eine pechschwarze Woche für die Glaubwürdigkeit der Politik, schreibt De Morgen. Jetzt steht ein Bild im Raum von Volksvertretern, geheimen Essen und Koffern voller Geld. Ein Bild, das glücklicherweise größtenteils falsch ist: Die übergroße Mehrheit der Abgeordneten ist ehrlich. Viel problematischer ist da die massive Einflussnahme auf europäische Entscheidungsprozesse. Allein in Brüssel sind um die 25.000 Lobbyisten aktiv. Hinzu kommen recht einzigartige Phänomene wie etwa sogenannte "Freundschaftsgruppen" mit Drittländern. Und dann ist da noch die Praxis, dass selbst Spitzenpolitiker nach einer kurzen "Abkühlperiode" aus den EU-Institutionen in die Lobby-Maschine wechseln.
Diese Drehtür ist symptomatisch für eine politische Kultur, in der öffentliche und private Interessen miteinander vermengt werden. Das EU-Parlament gehört doch immer zu den Ersten, die mit dem Finger auf korrupte Länder zeigen. Höchste Zeit also, dass es diesen Finger auf sich selbst richtet. Jeder weiß: Katargate ist lediglich die Spitze des Lobby-Eisbergs. Seit Jahren schon wird gewarnt, dass die Europäische Union zu wenig unternimmt gegen die Lobbyarbeit unter anderem der Golfstaaten. Der Europäische Rechnungshof hat sogar gemahnt, dass die Integrität der EU auf dem Spiel stehe. Aber die Parlamentarier haben lieber weggeschaut. Wie viele Köfferchen werden zwischenzeitlich den Besitzer gewechselt haben?, fragt De Morgen.
Lehren und Dilemmas
Offenbar haben Katar und Marokko mehr Potenzial und Macht im Europäischen Parlament und seinen Abgeordneten gesehen als viele Wähler, schreibt Le Soir. Und vor allem auch mehr als die nationalen Parteien, die die EU-Parlamentarier nach Brüssel schicken. Denn viel zu oft entledigen sich die nationalen Parteien hier ihrer verbrauchten Politiker, ihrer Störenfriede, ihrer überflüssig gewordenen Vertreter. Sowohl in der öffentlichen Meinung als auch in den Parteien herrscht noch immer die Meinung vor, dass Politik vor allem zu Hause gemacht wird und nicht in Europa. Aus dem Korruptionsskandal werden viele Lehren gezogen werden müssen: natürlich zunächst vom Parlament selbst in puncto Regeln und Kontrollen. Aber auch von den nationalen Parteien: Sie müssen viel mehr darauf achten, was ihre Abgeordneten da in der EU eigentlich treiben, fordert Le Soir.
Wenige Tage vor dem Finale der Fußball-Weltmeisterschaft bringt Katargate die politische Führungsriege Europas ordentlich in Verlegenheit, so L'Avenir. Einerseits ist es schwer auszublenden, dass Katar versucht, das Herz der europäischen Demokratie zu korrumpieren. Andererseits sind da die veränderten Energieinteressen Europas wegen des russischen Überfalls auf die Ukraine. Der hat dafür gesorgt, dass Katar für einige Länder, Deutschland etwa, schon eine große Rolle bei der Gasversorgung spielt. Auch für andere Länder wird das vermutlich bald der Fall sein.
Der französische Präsident Emmanuel Macron war bereits für das Spiel seiner Mannschaft gegen Marokko Gast im Stadion in Katar. Dort will er auch dem Finale gegen Argentinien beiwohnen. Das wird den Katarern vor allem eines beweisen: Nämlich, dass sie mehr oder weniger tun und lassen können, was sie wollen, ohne Angst vor Folgen haben zu müssen – selbst vor so symbolischen Folgen wie einem leeren Sitz auf der Fußballtribüne, kritisiert L'Avenir.
Europas wirtschaftliches Amerika-Problem
De Standaard befasst sich mit einem anderen Problem, dem sich die Europäische Union gerade gegenübersieht: dem amerikanischen Protektionismus. Mit dem sogenannten "Inflation Reduction Act", einem umfangreichen staatlichen Maßnahmenpaket, will US-Präsident Joe Biden die Inflation in seinem Land reduzieren. Dadurch können amerikanische Firmen besser auf dem Weltmarkt konkurrieren. Das aber bringt die europäische Wirtschaft in Bedrängnis. Und die Wirtschaft steht ja schon unter großem Druck wegen der Energiekrise – auch das ein Problem, das in den Vereinigten Staaten viel kleiner ist.
Die EU-Länder müssen eine gemeinsame Antwort auf diese Herausforderung finden, hat auch Premierminister De Croo gerade beim EU-Gipfel noch betont. Allerdings scheint die trotz der Dringlichkeit der Frage noch in weiter Ferne. Zu unterschiedlich sind die wirtschaftlichen Ausgangssituationen, die Standpunkte bezüglich europäischer Solidarität und auch die Vorstellungen über Europas Rolle in der Welt, analysiert De Standaard.
Boris Schmidt