"Frankreich nach 2:0-Sieg im Finale gegen Argentinien", fasst das GrenzEcho auf Seite eins zusammen. "Trübsal und Stolz: Leidenschaftliches Marokko gefallen", liest man bei Gazet van Antwerpen. "Frankreich schaltet ein würdiges Marokko aus – ein Traum-Finale", so der große Aufmacher bei La Dernière Heure.
Während die meisten Titelseiten prominent das zweite Halbfinale der Fußball-Weltmeisterschaft in Katar aufgreifen beziehungsweise schon dem Finale entgegenfiebern, befassen sich die Leitartikel mit anderen Themen, unter anderem mit dem sogenannten "WhatsApp-Gate", also den geleakten Nachrichten zwischen der damaligen Staatssekretärin für den Haushalt, Eva De Bleeker, und dem Kabinett des Premierministers. Premier De Croo hat sich diesbezüglich gestern vor dem Innenausschuss der Kammer geäußert. Die Opposition fordert seinen Rücktritt wegen eines angeblichen Mangels an Transparenz beziehungsweise wegen Belügens des Parlaments. Aussicht auf Erfolg dürften sie damit gegen die Mehrheit aber nicht haben.
Die Partner, die Opposition und der eigentliche Skandal
Premier De Croo hat vor dem Ausschuss ein schlechtes Bild abgegeben, stellt Gazet van Antwerpen in ihrem Kommentar fest. Das haben vielleicht auch seine Koalitionspartner begriffen. Aber sie schweigen – weil sie nicht in die Affäre hineingezogen werden wollen und weil jede Schwächung des Premiers sie stärker macht. Gleichzeitig wollen sie ihm das Leben aber auch nicht unnötig schwer machen, denn der Premierminister muss im Sattel bleiben, die Regierung darf nicht fallen, ansonsten würde allen Vivaldi-Parteien unabsehbarer Schaden drohen. Also schließen sie die Reihen um den Premier, analysiert Gazet van Antwerpen.
Die schlechten Umfragewerte lassen viele Vivaldi-Parteien zittern, schreibt Het Belang van Limburg. Das gilt insbesondere für die flämischen Liberalen Open VLD, die Partei des Premierministers. Das ist auch der Grund, warum die Opposition so schweres Geschütz auffährt. Für sie ist die Affäre De Bleeker eine Steilvorlage, um das öffentliche Bild De Croos zu verändern: von einem vertrauenswürdigen Regierungschef hin zu einem lügenden Premier, der eine junge Frau geopfert hat, um sich selbst zu schützen, so Het Belang van Limburg.
Die Wirtschaftszeitung L'Echo meint derweil, dass der ganze Wirbel um "WhatsApp-Gate" vom eigentlichen Problem ablenkt: Der echte Skandal, das ist nämlich der beklagenswerte Zustand der öffentlichen Finanzen. Und dass das niemanden zu bekümmern scheint. Belgien ist der schlechteste Schüler Europas in puncto Haushalt. Kann es sich die Regierung also wirklich erlauben, nichts dagegen zu unternehmen? Und kann sich die Opposition wirklich den Luxus erlauben, kostbare Zeit auf die WhatsApp-Polemik zu verschwenden? Die Antwort auf beide Fragen muss natürlich lauten: Nein! Es ist an der Zeit, sich zusammenzureißen!, wettert L'Echo.
Nichts kann einen inneren moralischen Kompass ersetzen
Neben "WhatsApp-Gate", schlägt aber auch noch ein anderes Gate weiter sehr hohe Wellen, nämlich "Katargate", also der mutmaßliche Korruptionsskandal im Europäischen Parlament: Hoffentlich bewirkt der ganze Skandal im EU-Parlament einen echten Schock, kommentiert dazu De Standaard, hoffentlich wird es als eigentlich wohlverdienter Klaps auf die Finger wahrgenommen.
Zweifelsohne werden nun allerlei Regeln unter die Lupe genommen werden, um eine Wiederholung solcher Ereignisse zu verhindern. Aber dennoch kann nichts und niemand einen inneren moralischen Kompass ersetzen. Wer betrügen will, der wird das auch tun, gegen echten Vorsatz ist kein Kraut gewachsen. Dafür muss man noch nicht mal auf die EU-Ebene blicken, siehe Sihame El Kaouakibi und Jean-Claude Marcourt. Sie haben keine einzige Regel übertreten. Und dennoch haben sie ihren Institutionen und der Politik allgemein großen Schaden zugefügt, erinnert De Standaard.
Die Brüsseler "Lobby-Maschine"
Bestechung ist im Zusammenhang mit dem Europäischen Parlament eigentlich ein seltenes Phänomen, hebt Het Nieuwsblad hervor. Es ist nämlich nicht nötig, Gesetze zu brechen, um Entscheidungen im eigenen Sinn zu "korrigieren". Das EU-Parlament in Brüssel kann die höchste Zahl an Lobbyisten auf der Welt vorweisen: 50.000 sollen es sein. Mit einem operativen Budget von zwei Milliarden Euro. Für teure Essen mit Politikern oder ihren Mitarbeitern; für Besuche vor Ort per Flugzeug, natürlich nicht in der Economy-Klasse; für sehr komfortable Hotelaufenthalte.
Seit Jahren wird davor gewarnt, dass die Kontrollmechanismen für Lobbyisten nicht streng genug sind; davor, dass die Tentakel von Interessengruppen und Ländern zu weit reichen; davor, dass die Grenzen zwischen legaler und illegaler Einflussnahme hauchdünn sind. Warnungen allein reichen aber nicht! Brauchen wir wirklich noch mehr Beweise? Wenn die Europäische Union jetzt nicht kurzen Prozess mit der Lobby-Maschine macht, dann fügt sie sich unbeschreiblichen Schaden zu, warnt Het Nieuwsblad.
All diese Affären schwächen die Position jener Politiker, die immer wieder (und nicht zu Unrecht) mit dem Finger auf das Fehlverhalten einzelner Politiker oder von Staaten zeigen, in denen Korruption, Bestechung und Vetternwirtschaft Teil des Systems sind, so schließlich das GrenzEcho. Sie schwächen aber auch das ohnehin angekratzte Vertrauen vieler Bürger in die politischen Strukturen. Und das in einer Zeit, in der vieles wegbricht, sicher geglaubte Fundamente ins Wanken geraten und manche Menschen gar um das Dach über ihrem Kopf fürchten.
Boris Schmidt
Oben steht geschrieben :
"...Der echte Skandal, das ist nämlich der beklagenswerte Zustand der öffentlichen Finanzen..."
In der Föderalregierung juckt es niemand wie die öffentlichen Finanzen aussehen. Hier wird Vogel-Strauß-Politik betrieben, dh die Augen werden verschlossen vor der Realität. Das wird böse enden, besonders jetzt bei steigenden Zinsen.