"Prozess um die Anschläge vom 22. März hat nun wirklich begonnen", schreibt De Morgen auf Seite eins. "Eine Eröffnung unter Hochspannung", titelt L'Avenir. "Ein erster symbolischer und ein wenig turbulenter Tag", liest man bei Le Soir. "Prozessstart mit ersten Turbulenzen: Angeklagter prangert Haftbedingungen an", so die Überschrift beim GrenzEcho.
"Endlich!", greift La Dernière Heure in ihrem Leitartikel den Beginn des Prozesses um die islamistischen Selbstmordattentate am Flughafen und in der Metro von Brüssel auf. Endlich hat dieser Prozess beginnen können nach dem Fehlstart im September und der lächerlichen "Affäre" um die Glasboxen für die Angeklagten. In einem Rechtsstaat wie dem unsrigen können sich die Angeklagten vor einem Assisenhof und einer Volksjury verantworten. Selbst wenn sie unsere Werte nach wie vor verabscheuen und bekämpfen, erhalten sie die Gelegenheit, sich zu verteidigen. Danken werden sie uns dafür nicht, sie quengeln lieber über ihre Haftbedingungen. Wir haben leider auch nicht die geringste Hoffnung auf Reue oder gar irgendeine Form von Entschuldigung für ihre unmenschlichen Taten. Dennoch ist dieser Prozess notwendig: Die Opfer und ihre Angehörigen müssen den Tätern in die Augen schauen können, um den Schmerz zwar nicht verschwinden zu lassen, aber doch zumindest vielleicht weniger stechend machen zu können. Dieser Prozess ist aber auch notwendig, um Belgien daran zu erinnern, die islamistische Bedrohung nicht zu vernachlässigen, die ständig über unserem Haupt schwebt. Hoffen wir, dass die politisch Verantwortlichen, egal ob nun links oder rechts, die Augen nicht mehr verschließen vor diesem inneren Feind, so La Dernière Heure.
Alle müssen mitarbeiten - selbst die Verteidigung
Gazet van Antwerpen greift ebenfalls die Beschwerden der Angeklagten über die Haft- beziehungsweise Transportbedingungen auf: Einer ihrer Verteidiger hat schon das Wort "Unterbrechung" in den Mund genommen. Am Tag, an dem dieser Jahrhundertprozess endlich beginnen konnte, droht er also schon wieder zum Stillstand zu kommen. Aber nach all den Vorbereitungen müssen wir diesen Prozess nun auch zu einem Ende bringen, egal, wie schwierig das auch wird. Schon die erste Verzögerung wegen der Glasboxen war eigentlich empörend.
Rein juristisch betrachtet waren die Verteidiger vielleicht im Recht, aber die dadurch bewirkte Verschiebung des Prozesses ging gegen das Gerechtigkeitsgefühl jedes Bürgers, der Respekt vor dem Rechtsstaat hat. Wenn es der Verteidigung gelingen sollte, den Prozess nun erneut lahmzulegen, dann wäre das sehr schädlich für das Vertrauen der Menschen in den Justizapparat. Bei diesem Prozess geht es um einige der schrecklichsten Taten, die jemals in diesem Land begangen worden sind. Alle müssen nun daran mitarbeiten, ihn zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen - selbst die Anwälte der Angeklagten, fordert Gazet van Antwerpen.
Am Ende muss ein Urteil stehen
Für De Tijd handelt es sich in jederlei Hinsicht um einen "Monsterprozess" - was die Kosten von 35 Millionen Euro angeht, die Grausamkeit der Taten, die damals begangen worden sind und auch die Größe der Aufgabe für Justiz und Staat. Diese Aufgabe ist so groß, dass sie die Belange der einzelnen Betroffenen bei Weitem übersteigt. Wenn es gut läuft, kann dieser Prozess nicht nur das Schicksal der Opfer und Hinterbliebenen lindern, sondern auch die gesamte Bevölkerung beruhigen, die die Angst dieser Märztage nicht vergessen hat.
Dieser Monsterprozess ist auch ein Test für die Justiz, denn es ist essenziell, dass die Bürger Vertrauen haben in den Rechtsstaat. Die eigentliche Herausforderung wird dabei sein, dass der Prozess überhaupt zu einem Urteil führen wird. Denn wenn die Geschworenenjury nicht bis zum Ende durchhält, müsste alles wieder von vorne beginnen - was eine Katastrophe wäre, warnt De Tijd.
Die Demonstranten im Iran wollen die Freiheit
La Libre Belgique kommentiert derweil die Proteste im Iran: Der Generalstaatsanwalt hat die Auflösung der gefürchteten "Sittenpolizei" angekündigt, was das Regime selbst aber nicht bestätigt hat. Eine Auflösung käme aber ohnehin zu spät, es wäre nicht mehr als ein verzweifelter Versuch, eine außer Kontrolle geratene Krise zu entschärfen. Das Land steht in Flammen und der Staat geht mit nie dagewesener Gewalt gegen die Demonstranten vor, Hunderte sind nach Schätzungen bereits getötet worden. Noch nie hat es so viele Todesurteile gegeben wie in diesem Jahr - auch gegen Demonstranten. Selbst Jugendlichen droht der Galgen. Die Menschen auf den Straßen wollen strukturelle Veränderungen, die Zurückdrängung des von Ali Chamenei geführten militärisch-religiösen Klans, das Ende des Korsetts, in das die Frauen seit Jahrzehnten gesteckt werden. Sie wollen schlicht die Freiheit, meint La Libre Belgique.
Die mutigen iranischen Demonstrantinnen selbst wollen nicht jubeln über die angeblichen Zugeständnisse des Regimes, hebt auch Le Soir hervor, sie wollen erst Beweise sehen für die Abschaffung der Sittenpolizei oder ein Ende der Kopftuchpflicht. Hinzu kommt, dass die hunderten Todesopfer seit September nicht etwa auf das Konto der Sittenpolizei gehen, sondern vor allem auf das der anderen Sicherheitskräfte des Regimes. Es ist deshalb unwahrscheinlich, dass sich die Demonstranten etwas vormachen lassen werden. Gleichzeitig gibt es aber auch keinerlei Anzeichen dafür, dass das Regime am Ende wäre. Seit gestern sieht es sich aber auch mehrtägigen Streiks gegenüber, die anscheinend gut befolgt werden. Aus einem Protest, der sich ursprünglich gegen die Kopftuchpflicht und die Repression gerichtet hat, ist auch ein Protest geworden gegen das Missmanagement und die Korruption. Irgendwann könnte sich das Regime so vielen Unzufriedenen gegenübersehen, dass es wirklich in seiner Existenz bedroht sein könnte, glaubt Le Soir.
Boris Schmidt