"Haushaltsloch größer als angenommen", titelt das GrenzEcho. "De Croo entsteigt dem Haushaltssumpf", notiert Le Soir auf Seite eins. "Staatssekretärin De Bleeker macht öffentlichen Kniefall wegen Haushalts", so die Schlagzeile von De Tijd.
Der gestrige Streit in der Kammer über Zahlen im Föderalhaushalt beschäftigt die Zeitungen auch in ihren Leitartikeln. Premierminister Alexander De Croo hatte die Haushaltsstaatssekretärin Eva De Bleeker um eine Korrektur des Haushalts um 1,5 Milliarden Euro gedrängt. Die Opposition in der Kammer hatte die Regierung dafür gestern harsch kritisiert.
De Tijd kommentiert: Leider ist es gestern in der Diskussion zu wenig um die grundlegenden Fragen gegangen. Die wären nämlich gewesen: Wie genau kann man Zahlen in einem Haushalt angeben, wenn diese Zahlen von Faktoren abhängen, die nicht ganz sicher sind? Hauptgrund der unterschiedlichen Zahlen ist das Projekt der Regierung, die Mehrwertsteuer auf Energie dauerhaft zu senken. Der Einnahmeverlust soll durch die Erhöhung von Akzisen auf Energie wettgemacht werden.
Premier De Croo pochte gestern darauf, dass das auch so kommen werde und deshalb das Haushaltsdefizit niedriger ausfallen werde als von De Bleeker angegeben. Die Staatssekretärin hingegen wählte den vorsichtigen Weg und berücksichtigte in ihren Zahlen die Möglichkeit, dass sich die Föderalregierung nicht auf die Erhöhung der Akzisen einigen kann. Niemand kann in die Zukunft schauen. Welche Berechnung des Haushalts die richtigere ist, wird die Haushaltskontrolle nächstes Jahr zeigen, urteilt De Tijd.
Ehrlich + vorsichtig = erfrischend
De Morgen argumentiert ähnlich: Mit ihren Zahlen hat Staatssekretärin Eva De Bleeker eigentlich sehr klug gehandelt. Sie war ehrlich und vorsichtig. Sie hat im Grunde nur die Tatsache mitberücksichtigt, dass die Vivaldi-Koalition sich bei Reformen unwahrscheinlich schwertut. Sie hat mitberücksichtigt, dass es eben nicht zum Ausgleich der wegfallenden Einnahmen aus der Mehrwertsteuer durch neue Akzisen bei Energie kommt. Natürlich war das – gewollt oder nicht – auch ein Affront gegen Premier De Croo. Aber eigentlich eine sehr erfrischende und ehrliche Art, mit Haushaltsprojektionen umzugehen, findet De Morgen.
De Standaard glaubt: Die Karriere als Ministerin ist für De Bleeker vorbei. Zwar wird sie nicht zurücktreten müssen. Aber die Art und Weise, wie ihre Parteikollegen der OpenVLD ihr die Schuld für den Knatsch gestern in der Kammer in die Schuhe schoben, gleicht einem politischen Todesurteil. Dabei hat De Bleeker nur Vorsicht walten lassen. Die Affäre wirft kein gutes Licht darauf, wie in Belgien Haushaltspläne aufgestellt werden. Kein Land in Europa schneidet dabei schlechter ab, bedauert De Standaard.
Reform am Index notwendig, aber…
Die Wirtschaftszeitung L'Echo bemerkt zur anstehenden Indexanpassung der Löhne im Januar: Angesichts der hohen Inflation von 12,7 Prozent ist die Indexanpassung logisch. Für viele Unternehmen wird sie aber schwer zu verkraften sein. Das System sollte reformiert werden. Als Beispiel können Lösungen wie die des Versicherers Axa herhalten: Dort werden nur Löhne indexiert, die niedriger als 5.400 Euro brutto sind. Das wäre, bezogen auf alle Sektoren, zwar keine Lösung, mit der alle Probleme verschwinden. Aber ein erster Schritt. Denn nichts an dem Index-System zu ändern, wird weiter die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen verringern, erinnert L'Echo.
Het Belang von Limburg meint: Kreativität beim Index: Ja. Aber bitte nicht auf Kosten der niedrigen Einkommen. Die sind bei Inflation auf die Lohnanpassung angewiesen. Zumal die Indexanpassung bei niedrigen Einkommen ja auch nicht so viele Euro zusätzlich bedeutet, wie bei hohen Einkommen, gibt die Zeitung zu bedenken.
Die Wahrheit der Ukraine und die Schuld von Russland
Het Nieuwsblad schreibt zur erneuten Entgleisung einer Studententaufe an der Universität Löwen: Wieder passierte das gleiche, was 2018 zum Tod von Sanda Dia führte. Wieder war es eine elitäre Studentenvereinigung adliger Sprösslinge, die sich nicht an die Uni-Charta für solche Vereine hält. Anders als vor fünf Jahren bei den Reuzegoms hat die Universität jetzt aber gehandelt. Sie bestraft die Täter. Und diese sagen immerhin, dass sie den Vorfall und die Strafe als "harte Lektion für ihr Leben" verstehen. Das Schuldbewusstsein ist vorhanden. So etwas hat man von den Angeklagten der Reuzegom noch nicht gehört, ärgert sich Het Nieuwsblad.
La Libre Belgique bemerkt zum Einschlag einer Rakete in Polen unmittelbar an der Grenze zur Ukraine: Dass der ukrainische Präsident Selenskyj zunächst darauf beharrte, dass die Rakete von Russland abgefeuert wurde, macht noch einmal deutlich: Auch die Ukraine sagt nicht immer die Wahrheit in dem Konflikt mit Russland, der seit 2014 offen besteht. Fakt bleibt: Verantwortlich für das Geschoss in Polen ist das Russland von Wladimir Putin, das sich nicht von seinen unsäglichen Gräueltaten abbringen lassen will, unterstreicht La Libre Belgique.
Kay Wagner