"Das ganze Wochenende verhandeln unter Hochspannung", schreibt Het Nieuwsblad zu den föderalen Haushaltsberatungen. "Neue und höhere Steuern liegen auf dem Tisch", meldet Het Laatste Nieuws. "Auf der föderalen Ebene beginnt der Kampf zwischen Links und Rechts", titelt L'Echo. "Auf dem Weg zu einem Minimaldeal über das föderale Budget? Die Forderungen der Vivaldi-Parteien könnten sich gegenseitig aufheben", liest man bei La Libre Belgique.
Die Sterne stehen nicht günstig für die Regierung, schreibt De Standaard in seinem Kommentar: Die schlechten Wirtschaftsnachrichten und die steigenden Zinsen lassen es den Buchhaltern kalt den Rücken herunterlaufen. Die beispiellose Energiekrise macht staatliche Eingriffe notwendig, die sowohl Haushalte als auch Betriebe unterstützen.
Die Regierungskoalition aus sieben Parteien macht deutliche Entscheidungen unmöglich. Deswegen könnte es bei einem kosmetischen Vorgehen bleiben mit kaum Chancen auf strukturelle Eingriffe. In der Rue de la Loi gilt das unerbittliche Gesetz, dass mit Haushalten keine Wahlen gewonnen werden, so De Standaard.
Die Latte bitte höher legen!
Die letzte Chance für große Einigungen. Das ist das Motto, unter dem die die Föderalregierung in das Haushaltswochenende gezogen ist, hält Het Nieuwsblad fest. Schon bald werden Verhandlungen nämlich sehr schwierig werden, weil die nächsten Wahlen immer näher rücken. Das wird die Parteien immer nervöser und damit weniger bereit zu Kompromissen machen.
Aber was dieses Wochenende auf dem Tisch der Vivaldi-Koalition liegt, hat nicht wirklich viel von "großen Einigungen". Es ist vielmehr ein ganzes Telefonbuch an Einsparungs- und Besteuerungsregeln, ganz viele kleine Stellschrauben am Staatsapparat. Die "großen" Reformen, wie etwa des Rentensystems oder des Arbeitsmarkts sind ja bereits mit wenig Erfolg und Ehrgeiz wieder in der Versenkung verschwunden.
Anderthalb Jahre bleiben der Regierung noch zum Regieren. Wenn sie noch irgendwelche Reste von Ehrgeiz hat, ernstgenommen zu werden, dann sollte sie die Latte bitte etwas höher legen, fordert Het Nieuwsblad.
Die Wirtschaftszeitung De Tijd kritisiert ebenfalls die aus ihrer Sicht viel zu magere bisherige Bilanz: Die Pensionsreform ist im PS-Treibsand steckengeblieben, für den Arbeitsdeal gilt nach viel Palaver: Der Berg kreißte und gebar eine Maus. Für die Steuerreform liegt zumindest ein langfristiger Plan vor. Aber in dieser Legislatur kommt sie trotzdem nicht mehr.
Wenn Premier De Croo unser Land durch diese schwere Krise lotsen will, dann reicht es für seine Rede zur Lage der Nation am kommenden Dienstag nicht, wenn er ein paar Maßnahmen für die Kaufkraft und die Energierechnungen von Bürgern und Wirtschaft auf den Tisch legt. Zumindest ein Mindestmaß an Reformen muss auch dabei sein, unterstreicht De Tijd.
Wie auch sonst scheint es keine Chance zu geben, dass De Croo am Dienstag echte Reformen vorstellen wird, etwa des Arbeitsmarktes, der Renten oder des Steuersystems, meint Gazet van Antwerpen. Es wird vor allem auf eine politische Abwägung hinauslaufen, zwischen Haushaltsorthodoxie und Hilfsbereitschaft. Zusätzliche Steuern, unter anderem auf die Übergewinne von internationalen Konzernen, werden Schaden begrenzen sollen. Aber ansonsten wird es wohl wieder eine hübsche, typisch belgische Bastelei werden, prognostiziert Gazet van Antwerpen.
Het Belang van Limburg greift sich einen der Vorschläge des Premierministers heraus, nämlich einen Lohnverzicht von acht Prozent für die Regierungsmitglieder und auch für die Parlamentsabgeordneten. Auf föderaler Ebene könnten so zwei Millionen Euro pro Jahr eingespart werden, wenn alle sechs Regierungen des Landes mitmachen würden, sogar sechs Millionen. Und dabei sind die Bürgermeister großer und mittlerer Städte noch nicht berücksichtigt, die oft mehr als Parlamentarier verdienen.
Mit diesem Vorschlag versucht Premier De Croo beim Normalbürger zu punkten. Reiche Wirtschaftsbosse und Politiker zur Kasse zu bitten, klingt ja immer wie Musik in den Ohren vieler Menschen. Wenn es hingegen um reiche Sport-, Musik- oder Filmstars geht, sind sie oft plötzlich viel nachsichtiger.
Aber wenn hart arbeitende Berufspolitiker oder Firmenchefs mit viel gesellschaftlicher Verantwortung einen großzügigen Lohn bekommen, dann ist der Aufschrei immer groß. Egal, wie hoch deren Gehälter sind, manchen Menschen werden sie immer zu hoch sein. In diesen Krisenzeiten wird es immer heißen: Wir verdienen zu wenig, die da zu viel. Aber so wie Heldentum hat auch Demokratie ihren Preis, findet Het Belang van Limburg.
Friedensnobelpreis für die Zivilgesellschaft
Auch die Verleihung des Friedensnobelpreises wird aufgegriffen in den Leitartikeln: Mit seiner Krönung des belarussischen Aktivisten Ales Bialiatski, der russischen "Memorial"-Organisation und des ukrainischen Center for Civil Liberties hat das Nobel-Komitee eine prima Wahl getroffen, findet De Morgen. Für das nächste Jahr will die Zeitung aber schon einmal die Frauen im Iran nominieren, die unter großer Gefahr für ihr eigenes Leben mittlerweile schon die vierte Woche in Folge für mehr Freiheit und Gleichheit auf die Straße gehen.
Das GrenzEcho begrüßt, dass mit dem Friedensnobelpreis nicht der ukrainische Präsident Selenskyj geehrt worden ist. Die Zeitung findet auch, dass es in dieser so aufgeregten Zeit guttue, dass die Vorsitzende des Nobelkomitees die Auszeichnung wenig spektakulär nicht als Signal an Putin und andere Autokraten in der Welt verstanden wissen will. Die drei Preisträger repräsentierten die Zivilgesellschaft in ihren Heimatländern, so die Vorsitzende. Oppositionelle Stimmen und eine starke Zivilgesellschaft seien entscheidende Werkzeuge im Kampf gegen Kriege und Konflikte. Das stimmt. Unterstützung muss es aber auch in anderen Konfliktherden unserer Welt geben, die vollkommen aus den Schlagzeilen verschwunden sind. Das gilt allen voran für den blutigen Konflikt im Jemen, findet das GrenzEcho.
Happy (last) Birthday, Mr. President…
Het Laatste Nieuws schließlich schreibt Putin eine Geburtstagskarte zu seinem 70.: Nur Glückwünsche aus Nordkorea und Belarus, da hilft selbst der beste Wodka nicht mehr für eine festliche Stimmung. 2006 wurde die regimekritische Journalistin Anna Politkovskaja an Deinem Geburtstag ermordet. Aufgeklärt wurde das nie, aber wir wissen alle, dass es ein Geschenk an Dich war. Wir sind aber viel zu demokratisch, um Dir das gleiche Schicksal zu wünschen. Aber wir wünschen Dir, dass Du jede Nacht schweißgebadet aufwachst aus einem Albtraum, in dem du in einem Massengrab in der überfallenen Ukraine versinkst. In Erwartung Deines Kriegsverbrecher-Prozesses in Den Haag wünschen wir Dir außerdem noch eine schnelle Rente. Hoffentlich ist das Dein letzter Geburtstag – zumindest als Präsident, wünscht ihm Het Laatste Nieuws.
Boris Schmidt