"Bei Razzia fielen tödliche Schüsse", schreibt das GrenzEcho zu den Hausdurchsuchungen gestern in Flandern, bei denen ein Mann von der Polizei erschossen worden ist. Die Behörden hatten zugegriffen, weil der Verdacht auf Vorbereitung eines rechtsextremistischen Terroranschlags bestand. "100 Waffen im Haus, 'um Belgien zu retten'", so die Überschrift bei Het Nieuwsblad. "Die terroristischen Rechtsextremen in Belgien, eine Bewegung, die jetzt bereit ist, zuzuschlagen", stellt La Libre Belgique fest.
Es war davor gewarnt worden, hält La Libre Belgique auch in ihrem Leitartikel fest: Schon 2021 hatte der Anti-Terror-Stab Ocam im Namen der Geheimdienste und Sicherheitsbehörden des Landes vor dem Vormarsch rechtsextremistischer Ideologien gewarnt. Schon seit der Affäre Jürgen Conings war klar, dass die Rechtsextremisten zu einer realen Bedrohung geworden sind. Überraschung braucht man jetzt also nicht zu heucheln angesichts der ausgehobenen Gruppe aus Antwerpen und ihren vereitelten Anschlagsplänen. Das unterstreicht einmal mehr, dass auch in diesen Zeiten klammer Kassen Mittel zur Verteidigung unserer Demokratie bereitgestellt werden müssen. Insbesondere für die Überwachung der Sozialen Netzwerke, in denen der Hass verbreitet wird. Neben dem Kampf gegen die organisierte Kriminalität muss auch der Kampf gegen jede Form der rechtsextremistischen Gewaltverherrlichung zu einer Priorität werden. Das muss auch für Veranstaltungen gelten, auf denen zum Beispiel gegen Flüchtlinge gehetzt wird, unterstreicht La Libre Belgique.
Ein Schlachtfeld voller zerstörter Beziehungen
In Flandern hat seit Tagen das Tauziehen um einen neuen Haushalt für so große politische Spannungen gesorgt, dass zwischenzeitlich sogar ein Sturz der Regionalregierung befürchtet worden war. Aber nach zähen Verhandlungen sind die flämischen Christdemokraten CD&V beziehungsweise ihr Vorsitzender Sammy Mahdi gestern bei ihrer Forderung unter anderem nach einer Anhebung des Kindergeldes letztlich eingeknickt und haben so den Weg für das neue Budget freigemacht. Das wird von den meisten flämischen Zeitungen heute auch detailliert kommentiert: Das politische Krakeelen der vergangenen Tage verdient ganz sicher keinen Schönheitspreis, wettert etwa Gazet van Antwerpen. Die flämische Regierung hat überlebt, aber jetzt sitzen wir da mit einem Schlachtfeld voller zerstörter Beziehungen, giftet Het Laatste Nieuws.
Es ist großer Schaden angerichtet worden, meint auch De Standaard: Die flämische Politik hat gezeigt, dass sie völlig losgelöst von den Problemen normaler Menschen ist. Politische Spielchen und Pokern um Pünktchen und Kommas scheinen wichtiger gewesen zu sein als die unbezahlbaren Energierechnungen. Dafür war jetzt doch wirklich nicht der richtige Augenblick. Lange, nachdem die inhaltlichen Diskussionen in Vergessenheit geraten sein werden, wird man sich noch an dieses Debakel erinnern, an diesen Gesichtsverlust der flämischen Regierung.
Am Montag war es die ultimative Blamage, dass Ministerpräsident Jan Jambon mit leeren Händen dastand, dass er nicht seine "Septembererklärung" mit den Haushaltsplänen im flämischen Parlament vorstellen konnte, erinnert Het Nieuwsblad. Zwei Tage später ist die Einigung da, auf Grundlage dessen, was schon Montag auf dem Tisch lag. Nichts hat sich in diesen zwei Tagen verändert. Alles hat sich in diesen zwei Tagen verändert: Die CD&V ist beschädigt, ihr Vorsitzender ist beschädigt, die Regierung ist beschädigt, der Regierungschef ist beschädigt, so resigniert Het Nieuwsblad.
Die Regierungen müssen endlich handeln
"Was wir selbst tun, das tun wir besser", dieses Mantra der flämischen Nationalisten N-VA ist mitten im Flug abgeschossen worden und in Flammen auf dem Boden aufgeschlagen, kommentiert Le Soir. Und es waren keine frankophonen Scharfschützen, die dafür verantwortlich waren. Die Regierung Jambon braucht insbesondere der föderalen Vivaldi-Koalition jetzt keine Lektionen in puncto Effizienz mehr geben zu wollen. Ob es nun um die Coronakrise geht, um die Energiekrise oder die Indexierung des Kindergelds – die Probleme und die Unfähigkeit, sie zu lösen, sind im Norden wie im Süden des Landes doch die gleichen. Und auch die Risiken sind auf allen Ebenen letztlich die gleichen: Keine Antworten oder zögerliches Handeln bei den dringenden Herausforderungen können die Wähler den Extremisten in die Arme treiben, warnt Le Soir.
Mit diesen dringenden Problemen befasst sich auch La Dernière Heure: Wann unternimmt Belgien endlich etwas gegen die hohen Energierechnungen, donnert das Blatt. Diese Rechnungen, die alle Bereiche der Wirtschaft und Gesellschaft in ihrer Existenz bedrohen? Belgien ist eines der wenigen Länder, die die Energiepreise noch immer nicht gedeckelt haben. Die Regierung muss handeln, unabhängig davon, was Europa morgen beim Treffen der Energieminister entscheiden wird. Ja, das wird teuer und schmerzhaft werden. Aber diese Krise muss angegangen werden, koste es, was es wolle, so La Dernière Heure.
In die gleiche Kerbe schlägt L'Avenir: Belgien tut das absolute Minimum im Vergleich zu anderen Staaten. Es geht hier um das Überleben unseres wirtschaftlichen Grundgerüsts. Ohne europäische, föderale oder regionale Maßnahmen werden viele Belgier sich zwischen Essen und Heizen entscheiden müssen, schlägt L'Avenir Alarm.
Neue Phase in der Konfrontation mit Russland
Im Zusammenhang mit der Energiekrise sorgt auch die Sabotage der Gas-Pipelines in der Ostsee für große Sorgen. Das ist ein Weckruf für ganz Europa, schreibt L'Echo: Die Explosionen erinnern uns daran, dass der Krieg nicht an den Grenzen der Ukraine Halt macht. Während Moskau seine auch nuklearen Drohgebärden gegen die Ukraine und ihre Verbündeten auf neue Höhen treibt, zeigen die aufsteigenden Gasblasen im Meer, dass es nicht an Zielen für Staatsterrorismus mangelt. Die Europäer müssen diese neue Phase in der Konfrontation mit Russland zur Kenntnis nehmen. Und mehr denn je Einigkeit angesichts dieser Gefahr zeigen, mahnt L'Echo.
Het Belang van Limburg führt in seinem Kommentar aus, dass Nord Stream 1 und 2 als Pipelines wertlos geworden waren für den Kreml. Mit ihrer Vernichtung könnte also ein deutliches Signal gegeben werden: Passt auf, wozu Russland bezüglich anderer unterseeischer Leitungen und Kommunikationsverbindungen in der Lage ist. Wenn dieser Sabotageakt tatsächlich das Werk Putins ist, würde sich das auch nahtlos in seine panikartige Eskalationsstrategie einfügen: Indem die Pipelines unbrauchbar gemacht werden, wird die Unruhe auf dem europäischen Energiemarkt enorm vergrößert. Putin hofft zweifelsohne darauf, Europa durch Frieren in die Knie zwingen zu können, damit es die Ukrainer zu Friedensverhandlungen drängt. Allerdings enttäuscht die Wirklichkeit Putin in dieser Hinsicht bisher: Nach der Sabotage der Pipelines sind die Gaspreise zwar wieder etwas gestiegen, aber nicht explodiert. Das stärkt unsere Überzeugung, dass wir den Gashahn schon viel früher selbst hätten zudrehen müssen. Denn das nimmt Putin sein geliebtes Erpressungswerkzeug und dann wüssten wir zumindest, woran wir sind, findet Het Belang van Limburg.
Boris Schmidt