"Putin erpresst die EU: Wenn eine Preisdeckelung kommt, wird der Gashahn endgültig zugedreht", schreibt Het Nieuwsblad. "EU will übermäßige Gewinne abschöpfen", liest man beim GrenzEcho. "Die europäischen Vorschläge sind 'unzureichend'", bringt Le Soir die Reaktion von Premierminister Alexander De Croo auf das vorgeschlagene Maßnahmenpaket der EU-Kommission.
Der russische Präsident hat gestern wieder gegen den Westen vom Leder gezogen und ihn mit falschen Beschuldigungen und Drohungen bombardiert, so Het Nieuwsblad in seinem Leitartikel. Aber der europäische Gasmarkt hat das an sich vorbeiziehen lassen, die Preise sind sogar gesunken. Nicht viel zwar, aber doch genug, um deutlich zu machen, dass das Gekeife aus Moskau mittlerweile nicht mehr zieht. Niemand vertraut mehr auf Moskau, seitdem der Kreml vertragliche Verpflichtungen am laufenden Band unter immer neuen Vorwänden bricht. Die gute Nachricht ist also, dass Putin nicht mehr einfach so die Gaspreise manipulieren kann. Aber sein Ziel bleibt nach wie vor, Europa zu spalten und soziale Unruhen im Winter zu verursachen. Das kann die Europäische Union verhindern, wenn sie morgen ein Paket an Maßnahmen beschließt, um Wirtschaft und Bürger zu entlasten. Der Einsatz für die EU ist nie höher gewesen als jetzt, unterstreicht Het Nieuwsblad.
Sanktionen aufheben ist auch keine Lösung
Putin spielt russisches Roulette mit den Gaslieferungen, er lässt die Europäer nach seiner Pfeife tanzen, kommentiert Het Laatste Nieuws. Derweil beginnt die Bevölkerung hier zu murren, auch politisch werden die Unruhe und der Drang zu Alleingängen immer größer. Dennoch ist eine Rücknahme der im Übrigen wirkenden Sanktionen keine Option. Denn selbst wenn man kein Problem damit hätte, auf der falschen Seite der Geschichte zu stehen, so würde das nichts lösen. Die Erpressbarkeit dem Kreml gegenüber würde bleiben, eine Garantie für eine Normalisierung des Gaspreises gibt es nicht. Russland unter Putin ist kein verlässlicher Handelspartner, warnt Het Laatste Nieuws.
Es kann der EU gelingen, die Energie-Katastrophe abzuwenden, schreibt De Morgen. Und das Mindeste, was man festhalten sollte, ist, dass die EU-Spitzen Dampf machen. Eine Einigung rückt immer näher über ein Maßnahmenpaket, das noch vor Kurzem als zu radikal und unrealistisch niedergemacht wurde. Einfach wird es trotzdem nicht werden – und auch nicht gefahrlos. Vielleicht wird es auch nicht gelingen, einen selbst harten Schock zu verhindern. Aber zumindest muss es kein tödlicher Schlag werden. Vielleicht werden die Bürger und Politiker Europas auch die richtigen Lehren aus dieser schweren Krise ziehen. Nämlich, dass sie das Schicksal des Kontinents stärker in die eigenen Hände nehmen müssen, damit Europa weniger zum Spielball der Geopolitik wird. Und das gilt nicht nur für die Energiepolitik, fordert De Morgen.
Eine Chance für die EU
Die Pläne der EU-Kommission werden zweifelsohne nicht reichen, um den Preisschock wirklich abzufangen, hält La Dernière Heure fest. Aber die Vorschläge von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gehen in die richtige Richtung. Eine Preisdeckelung für russisches Gas und eine Abgabe für fossile Energieproduzenten wären ein greifbarer Beweis, dass Europa sich nicht auf Ankündigungen und Absichtserklärungen beschränkt.
Die Politik sollte Verantwortung übernehmen, wünscht sich das GrenzEcho: mit wirkungsvollen Maßnahmen gegen die Krise und mit einer harten Hand gegen Spekulanten sowie die großen Energiekonzerne, die die hohen Preise zu "Übergewinnen" nutzen. Die Pläne, die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Mittwoch vorgelegt hat, gehen – zumindest was die Gewinne betrifft – in diese Richtung. Für Europa ist die Energiekrise ebenfalls eine historische Chance. Viel hängt aber von den Entscheidungen der EU-Energieminister bei ihrem Sondertreffen am Freitag ab. Übersteht die EU alle Erpressungsversuche Putins und entwickelt genug Schlagkraft, um aus der Krise herauszufinden, wäre das ein deutliches Zeichen für eine starke Gemeinschaft. Dies würde die Kritiker zum Schweigen bringen, die die EU bereits abgeschrieben haben, glaubt das GrenzEcho.
Die EU-Kommission will eine Preisdeckelung für russisches Gas, resümiert Gazet van Antwerpen. Aber für Gas aus Norwegen und aus anderen Ländern soll das nicht gelten. Die Maßnahme stellt also vielleicht einen guten Schachzug gegen Putin dar, bei Bürgern und Betrieben wird davon aber nicht viel ankommen. Denn der Import von russischem Gas ist von früher 40 Prozent auf mittlerweile nur noch neun Prozent gefallen. Norwegen ist jetzt der größte Gaslieferant Europas. Und was ist mit Katar und den anderen Gasproduzenten? Und mit dem Wettbewerb um Gas aus China und Indien? Was die Elektrizitätspreise angeht, will die EU-Kommission aber schneller spürbare Ergebnisse erreichen. Sie will die Wuchergewinne der Stromproduzenten abschöpfen lassen. Beim Gas hingegen wird die erste Hilfe gegen die hohen Rechnungen wohl aus der Staatskasse kommen müssen. Die Frage ist jedoch, wie tief wir dafür in die Kasse greifen wollen. Aber die Menschen einfach ihrem Schicksal zu überlassen, ist jedenfalls keine Option, mahnt Gazet van Antwerpen.
Die Geschichte droht, sich zu wiederholen
Für die belgische Regierung ist das ein Dreifrontenkrieg, führt De Tijd aus: Der Energieschock bedroht die Kaufkraft der Familien, die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe und auch die Staatsfinanzen. Was die Kaufkraft angeht, so ist die zu einem großen Teil durch die automatische Indexierung der Löhne geschützt – das geht aber zulasten der beiden anderen Posten auf der Rechnung. Die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft scheint auf der politischen Agenda noch keinen prominenten Platz einzunehmen. Offensichtlich muss hier erst ein größeres Unglück geschehen, bevor man aufwacht. Die Nonchalance, mit der der Staat sein Portemonnaie öffnet, ist ebenso besorgniserregend. Die Politik tut so, als ob das Budget unbegrenzt wäre und es Geld umsonst gäbe. Wenn die Verantwortlichen ihre diesbezügliche Einstellung nicht ändern, dann droht eine Wiederholung der Fehler aus den 1970er- und 1980er-Jahren während der Ölkrise. Damals ist die belgische Wirtschaft letztlich gegen die Wand gefahren worden. Eine Geschichte, die sich jetzt zu wiederholen droht, wettert De Tijd.
Boris Schmidt