"Nancy Pelosi besucht Taiwan, China reagiert", titelt nüchtern L'Echo. "Nancy Pelosi fordert China heraus", so die Schlagzeile von La Libre Belgique. "Der Pelosi-Besuch in Taiwan heizt die Spannungen an", schreiben Le Soir und das GrenzEcho auf Seite eins.
Der Taiwan-Besuch von Nancy Pelosi, der Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses, schlägt hohe Wellen. Das allen voran in Peking. China hatte nachdrücklich vor einem Besuch der demokratischen Politikerin gewarnt. Peking betrachtet Taiwan nämlich als einen Teil der Volksrepublik China. Einige Zeitungen bringen denn auch heute deutlich alarmiertere Schlagzeilen: "Die USA provozieren China mit einen Taiwan-Besuch", titelt etwa Het Nieuwsblad. "Nach dem Pelosi-Besuch verspricht China 'militärische Aktionen'", schreiben De Morgen und Gazet van Antwerpen auf Seite eins. "Nach dem Besuch von Nancy Pelosi wird Taiwan die chinesische Reaktion zu spüren bekommen", glaubt De Standaard.
Diplomatisch unglücklich
Die Taiwan-Reise von Nancy Pelosi kommt zu einer Unzeit, meint De Standaard in seinem Leitartikel. Im Augenblick haben die USA und ihre europäischen Verbündeten doch schon mit dem Krieg in der Ukraine alle Hände voll zu tun. Ein möglicher Sieg von Wladimir Putin hätte weitreichende und globale sicherheitspolitische Folgen. US-Präsident Joe Biden zieht also derzeit alle Register, um seinen chinesischen Amtskollegen Xi Jinping davon zu überzeugen, Russland nicht militärisch unter die Arme zu greifen. Entsprechend ist es diplomatisch zumindest unglücklich, wenn man Peking jetzt herausfordert. Außenpolitisch machen die USA also derzeit eine lausige Figur. Zumal man sich die Frage stellen kann, was Pelosi eigentlich in Taiwan erreichen will, abgesehen von ihrem persönlichen Geltungsbedürfnis.
Auf diesen Besuch hat wirklich niemand gewartet, findet auch Het Nieuwsblad. Die Chinesen sind sauer; die amerikanische Regierung ist angefressen, und wohl kein Taiwanese dürfte davon ausgehen, dass die Situation seines Landes dadurch besser wird. Schon seit Jahren gibt Peking in regelmäßigen Abständen militärische Muskelspielchen zum Besten. Denn nach wie vor betrachtet man Taiwan als aufständische Provinz, die eher früher als später wieder dem chinesischen Mutterland angegliedert werden sollte. In einer solch explosiven Situation spielt man besser nicht mit dem Feuer. Zumal der Westen schon Sorgen genug hat, man denke nur an den Ukraine-Krieg. Einen Konflikt am anderen Ende der Welt zu schüren, ist denn auch eine denkbar schlechte Idee.
Doch kein Vorbild für die Geschichtsbücher?
De Morgen sieht das genauso. Dieser Besuch bringt wirklich niemandem was. Mit Ausnahme vielleicht von Nancy Pelosi. Dabei ist das eigentlich eine Frau, die man nur bewundern kann. 82 Jahre ist sie inzwischen alt. Seit Jahrzehnten ist sie dabei. Nur wenige wurden so oft kritisiert, verflucht, für tot erklärt, um dann doch wieder als Gewinner dazustehen. Ein Naturtalent. Was solche Leute aber häufig auch charakterisiert, ist die Tatsache, dass sie hoffnungslos der Macht verfallen sind. Sie können nicht loslassen. Pelosi will im November wiedergewählt werden. Vielleicht erklärt das Eine das Andere. Vielleicht bekommt sie ihren Platz in den Geschichtsbüchern. Womöglich aber nicht als die große Verfechterin von Demokratie und Menschenrechten, sondern als der Funke, der ein explosives Gemisch lichterloh entzündete.
Het Belang van Limburg wählt fast dieselbe Formulierung. Klar: Im Grunde bleibt Nancy Pelosi sich selber treu. 1991 hat sie sogar auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking für mehr Demokratie demonstriert. Jetzt schlüpft sie aber fast schon in die Rolle der Brandstifterin. Und sie bringt damit auch noch ihren Parteifreund Joe Biden in eine diplomatische Bredouille. Vielleicht führt ihr Besuch ja doch dazu, dass nun auch noch einmal die Aufmerksamkeit auf die gravierenden Menschenrechtsverletzungen in China gerichtet wird. Es wäre jedenfalls zu hoffen, dass Pelosi für mehr nach Taiwan gereist ist, als nur ein bloßes Statement.
Zum Glück scheint die Sonne, obwohl...
Angesichts der wachsenden Spannungen zwischen China und den USA, sollten die Europäer auch mal in sich gehen, empfiehlt L'Echo. Ein Konflikt zwischen China und Taiwan ist laut Experten mittelfristig unausweichlich. Gerade erst haben die Europäer schmerzlich erfahren müssen, wie abhängig sie von russischem Gas sind. Himmelschreiend war vor allem, wie unvorbereitet sie auf einen möglichen Gas-Lieferstopp sind. Ähnlich verhält es sich mit den Computerchips aus Taiwan. Nach Jahrzehnten blinden Vertrauens in eine wohlwollende Globalisierung sollten die Europäer lernen, sich für den Ernstfall abzusichern.
Der Weltfrieden hängt nur noch an einem seidenen Faden, meint nachdenklich L'Avenir. Schon am 24. Februar sind die Europäer brutal aus einer 77 Jahre währenden Ruheperiode geweckt worden. Und nach dem Russland von Wladimir Putin ist nun auch das China von Xi Jinping in eine Kriegslogik eingetreten, wobei hier ja auch die USA mit dem Feuer gespielt haben. Durch das Spiel der Allianzen sehen wir hier ein infernales Muster, das auch schon anderen Weltkonflikten vorausgegangen ist. Wie kann es sein, dass eine Handvoll Menschen derartig mit dem Leben von Millionen anderen spielt?
Auch Gazet van Antwerpen blickt mit Sorge auf den Zustand der Welt. Weltuntergangspropheten haben momentan viel Material auf der Pfanne. Da ist der Klimawandel, der unaufhaltsam voranschreitet. Wenn wir so weitermachen, dann wird sich die globale Durchschnittstemperatur bis zum Jahr 2100 um 3,9 Grad erwärmen. Die Folge werden Missernten, Hungersnöte, Wassermangel und damit verbunden auch Kriege sein. Ach ja! Es gibt da noch eine apokalyptische Vision. UN-Generalsekretär Antonio Guterres hat gerade noch davor gewarnt, dass die Gefahr eines Atomkrieges so groß sei wie seit dem kalten Krieg nicht mehr. Ein Missverständnis kann da reichen. Naja, immerhin scheint die Sonne, obwohl...
Roger Pint