"0:1 – und am Ende bekommen die Roten Teufel doch noch Flügel", titelt Het Laatste Nieuws. "Dank Batshuayi gewinnen die Roten Teufel gegen ineffiziente Polen", schreibt Gazet van Antwerpen auf Seite eins. "Prüfung bestanden, Prädikat: passabel", so die Schlagzeile von L'Avenir.
Die belgische Fußballnationalmannschaft hat am Abend in der Nations League das Team aus Polen mit 1:0 geschlagen. Die Roten Teufel hatten das Spiel zwar über weite Strecken im Griff. Polen hatte aber auch einige handfeste Torchancen. Wirklich souverän war das nicht. "Und doch geht's mit einem guten Gefühl in die Ferien", schreibt Het Nieuwsblad auf Seite eins. "Schönen Urlaub, liebe Teufel", wünscht La Dernière Heure.
Der Ärger der flämischen Landwirte
In Flandern kochen derweil die Gemüter hoch: Die Landwirte gehen buchstäblich auf die Barrikaden. Seit Wochen protestieren die Bauern gegen die neuen Stickstoffauflagen, die die flämische Regierung verhängen will. "Der Protest gegen die Stickstoffpläne nähert sich dem Siedepunkt", stellt De Morgen auf seiner Titelseite fest. Bei einer Protestkundgebung hatten Demonstranten ein drastisches Bild gewählt: Zu sehen war eine Puppe, die am Galgen hing. "Der Strick für Demir", war auf einem Plakat zu lesen. Gemeint ist die flämische Umweltministern Zuhal Demir. Die will das aber nicht auf sich sitzen lassen. "Demir erstattet Strafanzeige nach Bedrohungen auf Bauerndemo", schreibt Gazet van Antwerpen auf Seite eins.
"Und Recht hat Sie!", findet Het Belang van Limburg in seinem Leitartikel. Immer häufiger werden Politiker bedroht, manchmal sogar mit dem Tod. Das hat wohl mit der allgemeinen Verrohung der Umgangsformen und den niedrigen Hemmschwellen in sozialen Medien zu tun. Das entschuldigt aber nichts. Es kann nicht sein, dass Politikern das Leben fast buchstäblich zur Hölle gemacht wird. Ob die Demonstranten das nun symbolisch gemeint haben oder nicht: Menschen am Galgen aufzuknüpfen, das ist eine Praxis aus dem Mittelalter. Und auch wütende Landwirte sollten wissen, dass diese Zeit 500 Jahre zurückliegt.
"Salami-Deal", Drahtseilakt und Quadratur des Kreises
"Kein Sommerabkommen, sondern nur ein 'Salami-Deal'", titelt derweil Het Nieuwsblad. Eigentlich hatte die Vivaldi-Koalition für den Sommer ein großes Reform-Paket angekündigt: Neuordnung des Arbeitsmarktes, Stärkung der Kaufkraft, Finanzierung der Pensionen, Steuerreform, um nur die wichtigsten Baustellen zu nennen. All das hat sich aber offensichtlich als zu ehrgeizig erwiesen. Jetzt will man also schrittweise vorgehen. Das GrenzEcho spricht von einem "Sommerdeal in Scheiben".
Derweil macht die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, OECD, Druck: Der aus Raeren stammende OECD-Generalsekretär Mathias Cormann mahnte gestern in Brüssel strukturelle Reformen an.
Und das wird ein Drahtseilakt, analysiert De Tijd in ihrem Kommentar. Auf der einen Seite muss die Kaufkraft der Haushalte geschützt werden, auf der anderen Seite muss man aber auch die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen gewährleisten. Überraschenderweise hat die OECD nicht, wie sonst üblich, das belgische System der Lohnindexierung kritisiert. Im Gegenteil: Die automatische Anpassung der Gehälter an die Preisentwicklung sei ein gutes Mittel, um zu verhindern, dass die Kaufkraft der Familien in Zeiten hoher Inflation unter die Räder kommt. Allerdings, und das ist die Kehrseite der Medaille: Die Rechnung bezahlen der Staat und vor allem die Unternehmen. Das weiß auch die OECD und plädiert deshalb nachdrücklich für tiefgreifende Reformen. Hier muss die Regierung also aktiv werden, wohlwissend, dass das Terrain vermint ist.
Auf die Sozialpartner muss man jedenfalls nicht hoffen, ist Gazet van Antwerpen überzeugt. Arbeitgeber und Gewerkschaften sitzen inzwischen so tief in ihren jeweiligen Schützengräben, dass es fast schon absurd wirkt. Während die OECD einen Schulterschluss fordert, stehen die Zeichen an der Sozialfront auf Sturm: Die Arbeitgeber fordern einen Index-Sprung, die Gewerkschaften betrachten das als Kriegserklärung. Alles nur, um zu sagen: Nur die Politik kann uns noch retten.
Premierminister Alexander De Croo wird da aber die Quadratur des Kreises lösen müssen, glaubt das GrenzEcho. Die OECD hat den Finger in so manche belgische Wunde gelegt: eine viel zu niedrige Beschäftigungsquote, eine aus dem Ruder laufende Finanzierung der Renten bei einem viel zu niedrigen Renteneintrittsalter und, nicht zu vergessen, der astronomische Schuldenberg. Das alles bei einer bedrohlichen Großwetterlage: Krieg in der Ukraine, Null-Covid-Politik in China. Übersetzt bedeutet das, dass wir den Gürtel enger schnallen müssen. Die Politik will uns das aber offensichtlich nicht zumuten.
Plädoyer für den Geschichtsunterricht
Le Soir beschäftigt sich in seinem Leitartikel mit einem ganz anderen Thema: Das Blatt bricht eine Lanze für den Geschichtsunterricht. Dieses Fach wir viel zu oft als nebensächlich, gar überflüssig, betrachtet. Im Gegensatz zu Sprachen, Mathematik oder Naturwissenschaften geht Geschichte als unnütz durch. Das ist der Ausdruck einer Gesellschaft, die den Pragmatismus zum Dogma erhoben hat. Natürlich ist das nicht ganz falsch, aber das läuft darauf hinaus, dass wir uns dazu verurteilen, unsere Fehler zu wiederholen.
Bester Beweis sind die sozialen Netzwerke, in denen Verschwörungsideologen und Revisionisten die Menschen mit Lügen über die Shoah, Wladimir Putin oder Bill Gates in ihren Bann ziehen. Möglich wird das, weil es viel zu vielen Menschen an intellektuellem Rüstzeug fehlt. Das kollektive Delirium im Internet wäre ja nur ein unangenehmes Grundrauschen, wenn das Ganze nicht den extremistischen Parteien in die Hände spielen würde. Seine Geschichte zu kennen, das löst vielleicht nicht alle Probleme. Es wäre aber ein guter Anfang, um die Welt mit all ihren Nuancen besser zu verstehen.
Roger Pint