"70 Jahre Herrschaft auf dem Thron", kündigt La Libre Belgique auf Seite eins gleich mehrere Sonderseiten an. "Bereit, um vier Tage lang die Queen zu feiern", berichtet De Morgen. "Großbritannien feiert 70 Jahre Elizabeth auf dem Thron", bringt es Gazet van Antwerpen auf den Punkt. Und das GrenzEcho verspricht: "Sieben Fakten zu 70 Jahren von Königin Elizabeth II.".
Das Thronjubiläum von Königin Elizabeth II. ist aus mehreren Gründen bedeutsam, kommentiert Le Soir die heute beginnenden Festlichkeiten in Großbritannien. Zunächst wird natürlich gefeiert, dass Elizabeth seit 70 Jahren nicht nur die Monarchin des Vereinigten Königreiches ist, sondern auch Oberhaupt des Commonwealth und Oberkommandierende der Streitkräfte sowie weltliches Oberhaupt der anglikanischen Staatskirche. Dieses Platinjubiläum gibt der 96-jährigen Ausnahmefrau mit ihrer zerbrechlichen Gesundheit auch die Gelegenheit, sich zu verabschieden. Gleichzeitig ist es auch eine Chance für ihre Untertanen, der Monarchin für ihre Dienste zu danken, dieser Frau, die für ihre Verpflichtungen alles geopfert hat, von ihrer Familie bis hin zu ihrem Privatleben. Dann repräsentiert das Jubiläum aber auch 70 Jahre bewegter Geschichte und die Sicherung ihrer Nachfolge. Dennoch gibt es auch Schattenseiten, die man nicht ausblenden sollte: Königin Elizabeth II. verkörpert eine weiße, angelsächsische und protestantische Monarchie – was nicht mehr wirklich die Realität der multikulturellen und meritokratischen britischen Gesellschaft widerspiegelt. Durch ihr Desinteresse für Diversität und Umweltschutz und ihre anti-feministischen und elitären Vorurteile illustriert sie das "alte", das konservative, traditionelle, patriotische England, das noch immer seinen sozialen Hierarchien verhaftet ist, so Le Soir.
Ein interessanter Test für die Regierung
De Morgen kommt zurück auf die Debatte um die Erhöhung des belgischen Verteidigungshaushalts auf die von der Nato vorgegebenen zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes: Das ist ein interessanter Test für die Regierung De Croo. Nicht, weil eine Einigung unmöglich scheint, sondern genau deswegen, weil ein Kompromiss eigentlich zum Greifen naheliegt. Wenn sie selbst das nicht hinbekommen sollte, dann sieht es in der Tat sehr düster aus für die Zukunft der Vivaldi-Koalition. Es geht um Investitionen, die erst bis 2035 getätigt werden sollen. Wer jetzt bereit ist, eine Regierung stürzen zu lassen über ein Versprechen für 2035, der ist absolut ungeeignet für die Führung eines Landes, warnt De Morgen.
La Libre Belgique beschäftigt sich mit einem anderen Problem der Föderalregierung: den immer lauter werdenden Rufen, endlich etwas für die Kaufkraft der Bürger zu tun. Die Regierung verweist darauf, dass Experten unter Führung der Nationalbank damit beauftragt worden sind, bis Mitte Juni entsprechende Empfehlungen auszuarbeiten. Außerdem müssten Maßnahmen zur Regulierung des außer Rand und Band geratenen Energiemarktes ohnehin auf europäischer Ebene getroffen werden, heißt es weiter. Das klingt ja alles schön und gut und könnte in einer idealen Welt vielleicht auch funktionieren. Aber die Realität sieht eben anders aus: Die Zeit drängt, die Bürger wollen und können nicht mehr warten. Die Vivaldi muss jetzt kommen mit ihren Perspektiven, fordert La Libre Belgique.
Energie- und Wirtschaftspolitik
De Standaard beschäftigt sich in puncto Energiepolitik mit den Auswirkungen der Liberalisierung und Privatisierung und der damit einhergehenden Zurückdrängung staatlichen Einflusses: Das hat den Verbrauchern sehr viel Gutes gebracht, das stimmt. Wir vergessen viel zu leicht, wie ineffizient etwa Luftfahrt, Post oder Telekommunikation früher waren. Allerdings funktioniert der freie Markt vor allem dann gut, wenn die Umgebung stabil ist. In einem Kontext großer Unsicherheit wie jetzt sind marktgetriebene Preisspitzen alles andere als ideal. Am Beispiel Frankreich sieht man, dass Länder mit einem festen staatlichen Griff auf etwa die Energieproduktion besser gegen bestimmte Entwicklungen vorgehen können. Mit Staatsmonopolen ist es auch einfacher, die Energiewende zu erzwingen. Aber blindes Vertrauen in die Fähigkeiten des Staates wäre trotzdem fehl am Platze, auch er kann sich in unsicheren Zeiten irren. Gerade der belgische Zickzackkurs in Sachen Kernenergie ist sicher keine gute Werbung für die angeblichen Segnungen zentraler Steuerung, gibt De Standaard zu bedenken.
Die Wirtschaftszeitung De Tijd analysiert die steigende Zahl der Firmenpleiten: Dass Firmen in Konkurs gehen, ist nicht notwendigerweise schlecht, denn das trägt auch zur Erneuerung der Wirtschaft bei und macht Platz für neue und frische Ideen. Aber das ist natürlich nur die eine Seite: Die andere ist, dass die Corona-Krise und die durch sie verursachte tiefe Rezession manchen Betrieben jetzt, nach dem Auslaufen der Unterstützungsmaßnahmen, doch noch den Todesstoß geben. Nicht, weil sie schlecht geführt worden wären oder zu wenig Kapital hatten, sondern einfach, weil sie den Schock dieser externen Faktoren nicht überstehen konnten. Und nach Corona überrollt jetzt die Preis-Krise die Firmen. Die Zahl der Firmenpleiten ist wie ein Fieberthermometer für den allgemeinen Gesundheitszustand der Wirtschaft. Deswegen muss sie genau im Blick behalten werden: Ist der jetzige Anstieg der Temperatur ein kurzer, ungefährlicher Schub? Oder bahnt sich hier eine ernsthafte Gefahr an? Die politisch Verantwortlichen müssen jetzt handeln, bevor es zu spät ist, wenn sie Schaden von der Wirtschaft abwenden wollen, appelliert De Tijd.
Der (grüne) Lack ist ab
Das GrenzEcho greift in seinem Leitartikel einen Bericht des Europäischen Rechnungshofes auf. In dem werden die Ausgaben, die die EU-Kommission für Klimaschutzmaßnahmen deklariert hat, als viel zu hoch angesetzt kritisiert: Der Europäische Rechnungshof hat die Kommission und die Mitgliedsstaaten der Schönung der EU-Klimabilanz überführt, schreibt die Zeitung dazu: 216 Milliarden Euro sollen in der EU zwischen 2014 und 2020 für den Klimaschutz ausgegeben worden sein. Bei näherem Hinsehen hat der Rechnungshof nun aber festgestellt, dass davon 72 Milliarden, also genau ein Drittel, überhaupt nicht oder nur bedingt zu einer Verbesserung des Weltklimas beigetragen haben. Dieses "Greenwashing" und auch die Corona-Pandemie und der Ukraine-Krieg haben den grünen oder wie auch immer gefärbten Lack wegplatzen lassen, unter dem sich eine Europäische Gemeinschaft offenbart hat, die in mancher Hinsicht marode, und in wichtigen Zukunftstechnologien abgehängt scheint, so das Urteil des GrenzEchos.
Boris Schmidt