"Ukraine-Krieg: Wie ohne das russische Erdöl auskommen?", fragt Le Soir auf Seite eins. "Öl-Embargo: Zustimmung wächst in der EU", liest man beim GrenzEcho. "Embargo gegen russisches Öl hängt von Ungarn ab", schreibt De Standaard.
Der fortdauernde Import von russischem Öl und Gas finanziert Putins schrecklichen Krieg, hält Le Soir in seinem Leitartikel fest. Mit der einen Hand geben die Europäer ihm das, was sie versuchen, ihm mit der anderen Hand wegzunehmen. Oder, noch absurder: Sie greifen so indirekt der russischen Armee unter die Arme, während sie direkt den ukrainischen Widerstand gegen sie unterstützen. Das festzuhalten ist aber der einfache Teil eines extrem komplexen und delikaten Problems. Und auch der Vorsatz, die Importe aus Russland zu stoppen, ist viel leichter verkündet als umgesetzt.
Aber die Angst vor einem möglichen Energieschock darf die Führer Europas nicht davon abhalten, zu handeln. Die Kassen Putins müssen geleert werden, aber das muss mit weiteren Schritten einhergehen: Um einen politischen Konsens erreichen zu können und um soziale Explosionen zu verhindern, müssen stabilisierende Schritte unternommen werden und muss der Übergang phasenweise stattfinden. Aber den Bürgern beziehungsweise Verbrauchern müssen auch die Folgen dieses Vorgehens bewusst gemacht werden. Der Krieg gegen Putin ist nicht nur die Aufgabe der Politik. Er erfordert auch, dass jeder in Sachen Energieverbrauch individuell Verantwortung übernimmt, unterstreicht Le Soir.
Große Verantwortung gegenüber der eigenen Bevölkerung
Niemand weiß wirklich, welche Folgen ein Embargo gegen russisches Öl hätte, kommentiert L'Echo. Deswegen zögern und zaudern die Entscheidungsträger ja auch so. Deswegen scheint auch die Idee einer höheren Besteuerung russischen Öls als Alternative zu einem Embargo Zuspruch zu finden. Immerhin wird es für Europa einfacher sein, alternative Bezugsquellen für Öl aufzutun, als für Gas.
Aber wenn sich die Politik dazu entscheidet, die Öl-Nabelschnur nach Moskau zu durchtrennen, dann übernimmt sie damit auch eine große Verantwortung gegenüber der eigenen Bevölkerung. Durch das Verhängen eines Öl-Embargos würden wir noch tiefer in eine Kriegswirtschaft rutschen mit all den zusätzlichen Opfern, die das bedeutet. Auch wenn diese Opfer viel kleiner sind als die, die Ukrainer Tag für Tag erleiden müssen. Dennoch werden die Verantwortlichen sich vor allem um die kümmern müssen, für die der Preis des Embargos sonst zu hoch würde. Wohlwissend, dass uns das Schlimmste noch bevorstehen könnte, nämlich dann, wenn Europa sich entscheidet, die Gas-Waffe zu ziehen, warnt L'Echo.
Enthusiasmus ist gut, reicht aber nicht
Die meisten flämischen Leitartikel befassen sich derweil mit der anstehenden Wahl zum Groen-Vorsitz. Nach langem Hin und Her, zahlreichen Absagen und kurz vor der Deadline haben sich doch noch zwei Kandidaten gefunden: Jeremie Vaneeckhout aus Anzegem in Westflandern und Nadia Naji aus Molenbeek in Brüssel.
Die beiden scheinen wie im Labor zusammengestellt, schreibt De Morgen zu dem relativ unbekannten Kandidatenpaar. Zusammen decken sie quasi die gesamte Identität der flämischen Grünen ab. Ein Erfolgsrezept ist das deswegen noch lange nicht. Wer auch immer letztlich die Nachfolge von Meyrem Almaci antreten wird, der oder die weiß, dass ihm oder ihr ein harter Kampf bevorstehen wird in dieser Partei, die ihren Weg sucht als Koalitionspartner in einer wenig populären Regierung. Die neue Parteileitung wird vor allem vor der historischen Verantwortung stehen, endlich auch wahltechnisch echte Erfolge zu verbuchen. Denn wenn Groen ein Fußballteam wäre, dann wären sie der Weltmeister der Testspiele. Nur wirklich gewonnen haben sie trotz großer Hoffnungen und Erwartungen kaum was, analysiert De Morgen.
Die beiden Kandidaten wollen Groen das Selbstvertrauen zurückgeben, das nach einem schlechter als erwarteten Abschneiden bei den letzten Wahlen angekratzt ist, so De Tijd. Auch die aktuellen Umfragewerte sind nicht wirklich vielversprechend. Dieses Vorhaben haben Vaneeckhout und Naji mit viel Enthusiasmus angekündigt. Das ist gut – reicht aber nicht. Ja, Groen braucht Enthusiasmus, aber manchmal dient er dazu, Richtungslosigkeit zu kaschieren und einen Mangel an gut durchdachter Politik. In diesen beiden Punkten für mehr Klarheit zu sorgen, das wird die große Herausforderung für die nächste Groen-Spitze werden, ist De Tijd überzeugt. Wenn es den beiden Kandidaten an etwas nicht mangelt, dann ist das definitiv Enthusiasmus. Inhaltlich hingegen haben sie durchaus noch einiges an Arbeit vor sich, betont auch De Standaard.
Die erste Verteidigungslinie einer freien Presse
Heute ist der Internationale Tag der Pressefreiheit, erinnert schließlich noch unter anderem L'Avenir: Nach offizieller Zählung sind 2021 weltweit 45 Journalisten von örtlichen Machthabern oder Kriminellen ermordet worden. Weniger als 2020 aber immer noch viel zu viele. Hinzu kommen noch 365, die in irgendwelchen Kerkern dahinvegetieren. Dann sind da auch noch die weniger gewalttätigen Wege, um einer freien Presse Maulkörbe zu verpassen. Zum Beispiel, indem nur Regime-freundliche Medien zugelassen werden. Eine andere, heimtückische Gefahr stellen die Netzgiganten, die Medien-Imperien und allmächtige Aktionäre dar.
Pressefreiheit bedeutet auch Diversität und Zugänglichkeit. Auch sie werden immer schwieriger auf Märkten, die vor allem unter dem Diktat der Rentabilität stehen. Den Regierungen kommt zweifelsohne eine wichtige Rolle dabei zu, eine freie Presse zu kultivieren und zu bewahren. Aber die erste Verteidigungslinie der freien Presse müssen dennoch immer die Journalisten selbst bleiben, findet L'Avenir.
Boris Schmidt