"Die Ohrfeige des Jahrhunderts", titelt La Dernière Heure. "Der Schlag, der Hollywood geschockt hat", schreibt Het Nieuwsblad auf Seite eins. "Eine Ohrfeige und viele Tränen", fasst das GrenzEcho den Eklat bei der Oscar-Verleihung zusammen. Der Schauspieler Will Smith hatte mitten auf der Bühne dem Komiker Chris Rock ins Gesicht geschlagen, nachdem der einen Witz über Smiths Frau und ihren krankheitsbedingten Haarausfall gemacht hatte.
Das war ein Vorfall, der Geschichte machen wird, da gibt es kein Vertun, kommentiert La Dernière Heure. Das war viel mehr als ein Happening oder etwas Vergleichbares. Das war eine Gewalttat vor den Augen der Weltöffentlichkeit. Es wirft auch Fragen auf über das Verhalten und die Einstellung medialer Eliten wie Künstlern und Sportlern. Und nicht zuletzt rückt es auch wieder die Diskussion ins Rampenlicht, ob man wirklich über alles lachen darf – in diesem Fall über Krankheiten. Man kann Gewalt nicht gutheißen – niemals! Aber wie auch beim Kopfstoß Zinedine Zidanes 2006 kann man sie manchmal verstehen. Viele von uns haben Erfahrungen machen müssen mit der Erkrankung Angehöriger. Wir könnten nicht versprechen, dass wir jemandem, der wie Chris Rock meint, darüber lachen zu müssen, nicht auch eine verpassen würden. Auch wenn es nicht angebracht wäre, so La Dernière Heure.
Keine Überraschungen
Unter anderem Gazet van Antwerpen befasst sich mit dem Abschlussbericht der Untersuchungskommission des flämischen Parlaments zum PFOS-Skandal: Der Bericht bestätigt im Prinzip nur das, was wir schon wussten, nämlich, dass die Kommunikation zwischen Politik und Behörden hinkt. Dass keine spezifischen Politiker oder Beamte namentlich genannt werden, überrascht auch nicht weiter, denn aufgrund von Parteipolitik und den Verantwortlichkeiten für die betroffenen Ministerien in der Vergangenheit hätte das die flämische Regierungskoalition in Gefahr bringen können. Aber sollten nicht die Empfehlungen der wichtigste Teil eines Abschlussberichts sein? Das letztliche Ziel muss ja sein, zu verhindern, dass sich die Fehler der Vergangenheit wiederholen. Empfehlungen kann man in dem Bericht zwar lesen. Aber sie sind sehr vorsichtig und bedürfen noch einer gründlichen und konkreten Ausarbeitung. Auch hier haben die Kommissionsmitglieder nicht viel Mut gezeigt. Wenn das alles ist, was parlamentarische Untersuchungskommissionen abliefern, dann können wir sie uns in Zukunft vielleicht eher sparen, giftet Gazet van Antwerpen.
Eine enorme Aufgabe
Die frankophonen Zeitungen blicken in ihren Leitartikeln vor allem auf das neue wallonische Konjunkturprogramm. Die Regionalregierung und die Sozial- und Umweltpartner haben ein großes Abkommen geschlossen, um dem regionalen Wiederbelebungsplan der PS-MR-Ecolo-Koalition die bestmöglichen Erfolgschancen zu geben, schreibt Le Soir. Die skeptischen Kommentare haben nicht lange auf sich warten lassen – was auch nicht gänzlich unnachvollziehbar ist. Ja, die Wallonie hat in den letzten 20 Jahren schon sehr viel für ein besseres Image getan. Aber auf wirkliche, tiefgreifende Veränderungen warten wir weiter. Genauso, wie auf eine wirklich dauerhaft positive wirtschaftliche Entwicklung. Der Süden des Landes leidet weiter. Dennoch wollen wir nicht am guten Willen der Unterzeichner dieses Abkommens zweifeln, dieser Einigung, die als "historisch" bezeichnet wird. Die gesteckten Ziele sind alle sehr lobenswert, wenn auch sehr klassisch. Dennoch bleibt es eine enorme Aufgabe. Das wird die Mobilisierung wirklich aller Köpfe und Hände erfordern. Gerade mal zwei Jahre vor der nächsten Wahl wohlgemerkt. Zumindest kann man aber vielleicht festhalten, dass der Konjunkturplan jetzt schon mal auf die Schienen gesetzt worden ist, findet Le Soir.
Für L'Echo zeigt das Abkommen, dass sich die treibenden Kräfte der Wallonie zusammenraufen können. Die Akteure bilden eine Gemeinschaftsfront und versammeln sich hinter einem gemeinsamen Projekt, das für die Wallonie lebenswichtig ist: die Rückkehr des Wohlstands für die Bürger, das Ende der sozialen Unsicherheit, die Reindustrialisierung, der Kampf gegen die Klimaerwärmung und viele weitere Pläne. Das sendet eine laute und starke Botschaft aus. Jetzt muss die Gemeinschaftsfront allerdings auch liefern. Aus dem Marketing muss jetzt die Mobilisierung aller Kräfte werden, unterstreicht L'Echo.
Das Leid bleibt
De Standaard greift eine verbale Konfrontation zwischen Friedensaktivisten und ukrainischen Demonstranten auf: Die einen sind strikt gegen jede Art von Waffenlieferungen, weil sie sagen, dass der Krieg und das Leid dadurch in die Länge gezogen werden. Die anderen fordern möglichst viele Waffen, um ihr Land gegen den russischen Aggressor verteidigen zu können. Diese Frage läuft auch darauf hinaus, welches Ergebnis für den Westen letztlich akzeptabel sein könnte. Aus rein staatsrechtlicher Sicht kann nur eine Rückkehr zur Situation vor der Invasion Russlands zufriedenstellend sein. Aus humanitärer Sicht kann man auch zu anderen Schlüssen kommen. Wie viele Menschenleben soll wie viel Unabhängigkeit kosten? Eine schwierigere Frage kann man sich vielleicht kaum vorstellen, glaubt De Standaard.
Das GrenzEcho befasst sich in seinem Leitartikel unter anderem ebenfalls mit dem Krieg und seinen Folgen: Nach schwierigen Abwägungen in der Bekämpfung der Corona-Pandemie müssen westliche Politiker nun die richtige Balance finden, um Putin so schnell wie möglich an den Verhandlungstisch zu bewegen, ohne die eigene Wirtschaft durch unüberlegte Sanktionen zu strangulieren. Es werden Opfer und schwere Zeiten auf uns zukommen, die allerdings in nichts zu vergleichen sind mit dem schrecklichen Schicksal der Menschen in der Ukraine, im Jemen oder in Afghanistan, das vor einem halben Jahr noch die Schlagzeilen füllte. Der Fokus verändert sich, das Leid bleibt, so das GrenzEcho.
Boris Schmidt