"Die Preise an der Tankstelle werden endlich sinken", titelt La Dernière Heure. "10,50 Euro weniger für den vollen Tank", heißt es im Aufmacher bei Het Nieuwsblad. "Energiepreise: Die Vivaldi-Koalition hat gehandelt", so die Schlagzeile von Le Soir.
Das Kernkabinett der Föderalregierung hat am späten Abend Maßnahmen beschlossen, um den Bürgern das Bezahlen der aktuell sehr hohen Preise für Energie und Treibstoff zu erleichtern. Für die Zeitungen kamen die Beschlüsse zu spät, um sie im Einzelnen schon in ihren Leitartikeln zu kommentieren.
Die Wirtschaftszeitung L’Echo bemerkt deshalb auch nur allgemein kritisch zu diesen Beschlüssen: Wirklich zielführend sind Maßnahmen wie Senkung der Mehrwertsteuer, Spielereien bei den Akzisen und Energieschecks nicht. Wer die hohen Energierechnungen der Bürger längerfristig senken will, muss an der Einkommensschraube drehen. Das hat eine neue Studie der Universität Löwen gerade wieder gezeigt. Nicht vergessen darf man auch, dass in Belgien die föderale Ebene nur einen kleinen Spielraum hat, die Energiepreise zu bestimmen. Auch die Regionen können viel machen. Aber von ihnen hört man zurzeit nichts. Der Grund dafür ist zumindest für die Wallonie bekannt: Sie hat zu wenig Geld und investiert lieber in neue Radrennbahnen und Hallen für die Sportelite, als die Bürger bei der Energierechnung zu entlasten, stellt L’Echo fest.
Energiekrise: Flandern geht mit gutem Beispiel voran
Het Laatste Nieuws hingegen vermeldet für Flandern: Ohne viel Tamtam hat die flämische Regierung gestern neue Anreize für die Installation von Solarmodulen und Wärmepumpen beschlossen. Die Föderalregierung sollte sich daran ein Beispiel nehmen. Am Freitag will sie endlich über den möglichen Atomausstieg entscheiden. Da geht es auch um die Energieunabhängigkeit unseres Landes. Es sind solche strukturellen Entscheidungen, die uns langfristig aus Krisen wie der aktuellen herausführen. Krisen sind immer gut, um Veränderungen zu beschleunigen. Wenn das für die Energie jetzt nicht klappt, wird Belgien ein Land werden, das Veränderungen nicht mehr schafft, fürchtet Het Laatste Nieuws.
De Morgen findet: Die aktuelle Energiekrise mit einerseits den hohen Preisen und andererseits der schmerzlichen Erkenntnis, dass Europa sehr abhängig von russischem Gas und Erdöl ist, sollte dazu führen, dass wir unsere Gewohnheiten ändern. Die Regierung sollte dabei mit gutem Beispiel vorangehen und zeigen, dass Veränderungen möglich sind – auch, wenn sie weh tun. Zum Beispiel sollte man jetzt auf den Bau von Gaskraftwerken verzichten und dafür lieber den Ausstieg aus der Atomenergie verschieben. Das wäre ein Zeichen, dass die Regierung aus der aktuellen Krise Konsequenzen zieht. Dann ist es auch einfacher, so etwas von den Bürgern zu verlangen, meint De Morgen.
Jeder volle Tank hilft Putin
De Standaard erinnert daran: Die Beschlüsse der Regierung werden die Preise an den Zapfsäulen erträglicher machen. Dabei sollten die Autofahrer nicht vergessen, dass sie beim Tanken auch immer den russischen Krieg gegen die Ukraine unterstützen. Denn an jedem Liter Treibstoff verdient auch Putin sein Geld. Es wäre naiv, das nicht zu erkennen, unterstreicht De Standaard.
In diesem Zusammenhang fragt La Libre Belgique: Wäre es nicht an der Zeit, diesen morbiden Handel mit russischem Gas und Erdöl komplett zu stoppen? Jeden Tag fließen dadurch 800 Millionen Euro von der EU in die russische Kriegskasse. Das dürfte eigentlich nicht passieren, wenn es der EU ernst damit ist, das Kriegstreiben von Putin beenden zu wollen, ärgert sich La Libre Belgique.
Minidörfer für Flüchtlinge
De Tijd lobt die Beschlüsse, die die flämische Regierung zur Aufnahme von Flüchtlingen aus der Ukraine gestern getroffen hat und erklärt: Gut ist, dass die Pläne der Regierung sehr konkret sind. 6.000 Plätze für Flüchtlinge sollen noch diese Woche zur Verfügung stehen. 18.000 bis Ende des Monats. Für weitere Flüchtlinge werden Minidörfer aufgebaut. Hilfen für die Gemeinden sind vorgesehen, um die Integration der Flüchtlinge vor Ort zu unterstützen. Kurz: Vieles scheint da gerade gut zu laufen. Getragen wird das alles von einer großen Solidarität gegenüber den Flüchtlingen aus der Ukraine. Probleme werden sicher auch noch kommen, aber es sieht danach aus, als ob wir gerade dabei sind, ein neues "Wir schaffen das" zu verwirklichen, freut sich De Tijd.
Money (that’s what you need)
La Dernière Heure notiert zum angekündigten Konzert der Rolling Stones am 11. Juli in Brüssel: Das wird wahrscheinlich eine der letzten Möglichkeiten sein, diese mythische Band der Rock-Musikgeschichte live zu erleben. Die Band feiert ihren 60. Geburtstag, die Musiker sind um die 80 Jahre alt. Aber das Ereignis hat seinen Preis. Schon für den schlechtesten Platz muss man 149 Euro blechen, der Höchstpreis ist knapp 500 Euro. Wohlgemerkt: für ein Konzert! Ein wahrer Alptraum. Der Geist des Rock’n’Roll scheint die Stones verlassen zu haben, bedauert La Dernière Heure.
Kay Wagner