"Russland schickt Truppen in die Ukraine, die Welt wartet noch mit richtig schweren Sanktionen – Putin macht keine Anstalten, aufzuhören", schreibt Het Nieuwsblad. "Eine Invasion des Donbas", titelt L'Avenir. "Putin will noch mehr", so die Überschrift bei De Standaard. "Westen sanktioniert Russland und warnt vor einer Invasion", liest man beim GrenzEcho.
Die Krise um die Ukraine scheint nun vollends explodiert zu sein, kommentiert Het Nieuwsblad. Man darf keinen Zweifel daran lassen, dass Wladimir Putin der Anstifter ist. Allerdings darf man auch nicht leugnen, dass die USA und die EU maßgeblich zu dieser schweren Krise beigetragen haben. Denn die Sanktionen, die sie jetzt angekündigt haben, hätten schon vor Jahren kommen müssen. Als Putin 2008 Georgien angriff, passierte nichts. Als Putin 2014 die Krim annektierte und im Osten der Ukraine den Krieg vom Zaun brach, passierte nichts. All das hat Putin überzeugt, dass er auch jetzt mit seinen Aggressionen weitermachen kann, ohne viel befürchten zu müssen.
Putin hat mittlerweile seine Armee modernisiert; er hat die EU-Länder an sein Gas gebunden; er hat 600 Milliarden gebunkert, um Sanktionen aufzufangen; er hat die Beziehungen mit China ausgebaut. Es war lange bekannt, dass Putin das heutige Russland zu klein war. Es war ein historischer Fehler, den russischen Bär nicht viel früher in einen Käfig echter Sanktionen zu stecken, donnert Het Nieuwsblad.
Putin mitten ins Herz treffen
Die Sanktionen kommen Wochen zu spät, meint auch De Morgen. Um die russische Kriegsmaschine zu stoppen, muss eine Sprache gesprochen werden, die Putin versteht. Das bedeutet für den Anfang gezielte Sanktionen gegen Putin selbst und gegen sein Umfeld. Alle Guthaben, auch von Familienmitgliedern, müssen eingefroren werden. Die internationale Gemeinschaft muss sich auch zwischen die russischen und ukrainischen Truppen stellen. Das kann über einen Ausbau der Beobachtermission der OSZE gehen bis hin zum Einsatz von Blauhelmen. Putin wird erst anhalten, wenn seine Armee auf eine Mauer aus Stahl trifft, warnt De Morgen.
Einige wirtschaftliche Sanktionen werden Putin nicht zum Zittern bringen, unterstreicht L'Echo. Deswegen muss die Europäische Union bereit sein, den russischen Machthaber mitten ins Herz zu treffen. Das bedeutet, die Energieinteressen Russlands ins Fadenkreuz zu nehmen und seine Unterstützer: Nord Stream 2 muss endgültig der Garaus gemacht werden. Und vor allem müssen die Konten eingefroren und die Vermögen beschlagnahmt werden von allen Mitgliedern der russischen Führung und der Kreml-nahen Oligarchen. Sie alle haben ihre Reichtümer mehrheitlich im Ausland, erinnert L'Echo.
Der Herr des Kremls scheint alles im Alleingang zu entscheiden, isoliert in seinem Elfenbeinturm, schreibt Le Soir. Er hat wieder einmal erklärt, dass er keinen Krieg wolle. Aber niemand glaubt mehr, was Putin sagt. Seit Monaten reiht er eine Lüge an die andere, macht falsche Versprechungen und hält mit Hinhaltetaktiken die Welt zum Narren, die doch alle nur ein Ziel haben. Beobachter befürchten, dass die Speichellecker im Kreml es nicht wagen, den größenwahnsinnigen Plänen Putins zu widersprechen. Oder dass die Falken ihn immer radikaler werden lassen. Wenn das stimmt, dann gibt es niemanden, der Putin sagen wird, dass seine Träume von der Wiederbelebung des Sowjetreichs nur unter schweren Opfern zu erreichen sein werden, befürchtet Le Soir.
Ein vom Hass zerfressener Mann
Putin macht sich offen über Europa lustig und über die Sanktionen, findet La Dernière Heure. Er demütigt öffentlich Frankreichs Präsident Macron. Er ist ein Autokrat, der sich selbst das Recht gegeben hat, den Kreml mindestens bis 2036 zu regieren. Auf sein Konto gehen Tschetschenien, Georgien, die Krim und jetzt die Ukraine. Putin meint, dass die Ukraine rechtmäßig ihm gehört. Das ist so, als ob Frankreich heute Algerien beanspruchen würde, mit der Begründung, dass es ihm ja mal irgendwann gehört hat. Putins Gegner enden hinter Gittern oder vergiftet. Der Westen hat allerdings seit dem Fall des Eisernen Vorhangs auch Fehler gemacht und damit russische Ressentiments genährt, die Putins imperialistische Bestrebungen jetzt bedienen, so La Dernière Heure.
Das Endziel Russlands ist die Einverleibung der Ukraine, unterstreicht De Standaard. Und der heute 69-jährige Putin will das noch erleben. Er geht davon aus, dass die Länder des Westens und ihre Bevölkerungen zu weich sind, um den Preis für einen härteren Kurs gegenüber Moskau zu bezahlen.
Der Putin, der jetzt vor den Augen der Welt aufgetreten ist, das ist ein vom Hass zerfressener Mann, hält La Libre Belgique fest. Nicht mehr ein KGB-Offizier des Kalten Krieges. Von Vernunft kann keine Rede mehr sein, nur von Emotionen, seine Aussagen haben die Sphäre der Rationalität hinter sich gelassen. Der Vormarsch der russischen Armee in der Ukraine geschieht jetzt nicht mehr heimlich wie 2014, sondern offen unter dem Vorwand, dort den Frieden wahren zu wollen. Putin versucht nichts weniger, als ein weiteres Mal die Grenzen souveräner Länder nach eigenem Gutdünken neu zu ziehen. Sehr schwere westliche Sanktionen sind eine Selbstverständlichkeit, es darf nicht gezögert werden. Angesichts der 150.000 oder noch mehr zusammengezogenen russischen Soldaten scheint es wenig wahrscheinlich, dass Putin, der in einer parallelen Wirklichkeit lebt, noch anhalten wird. Er hat der Ukraine an sich schließlich schon die Existenzberechtigung abgesprochen, hebt La Libre Belgique hervor.
Hoffentlich ist das letzte Wort der Diplomatie nicht gesprochen
Übertriebene Reaktionen des Westens sind in den ersten 24 Stunden nach Putins Ankündigungen ausgeblieben, merkt das GrenzEcho an. Selbst der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyi gibt sich erstaunt gelassen. Auch wurde das angekündigte Treffen zwischen den Außenministern der USA und Russlands nicht abgesagt. All das lässt hoffen, dass das letzte Wort der Diplomatie nicht gesprochen ist. Vor allem den Menschen in der Ukraine würde man wünschen, dass es eine friedliche Lösung des Konfliktes gibt, die nicht auf ihre Kosten erzielt wird, hofft das GrenzEcho.
Gazet van Antwerpen fragt sich, was Belgien eigentlich jetzt tun kann. Und kommt zu dem Schluss, dass das eigentlich relativ wenig ist. Aber dennoch mehr als nichts: Der Antwerpener Hafen etwa wird immer wichtiger bei den Beziehungen zu anderen Ländern bezüglich des Imports grünen Wasserstoffs. Der Ausbau dieser Technologie kann die Energie-Abhängigkeit von Russland verringern helfen. Die Föderalregierung sollte sich derweil bei der Debatte um den Atomausstieg dringend die Frage stellen, wie ethisch es wäre, sich noch abhängiger zu machen von einem Regime, dass Menschenrechte und Demokratie immer unwichtiger zu finden scheint, mahnt Gazet van Antwerpen.
Boris Schmidt