"Energieministerin bleibt unbeirrbar: Van der Straeten verteidigt Atomausstieg 2025", so der zentrale Aufmacher beim GrenzEcho. "Kein Atomausstieg? Dann auch keine Vivaldi – Wie es für Grün keinen Weg zurück mehr gibt", schreibt De Morgen auf Seite eins. "Warum Ecolo letztlich die Beibehaltung der Atomreaktoren akzeptieren könnte", titelt aber La Libre Belgique.
Eigentlich schien das Thema praktisch gegessen, erinnert L'Avenir in ihrem Leitartikel. Auch wenn die Föderalregierung sich Ende Dezember ein Hintertürchen offengehalten hatte, indem sie die endgültige Entscheidung über den Atomausstieg auf den 18. März verschob. Diese Gnadenfrist von drei Monaten sollte es eigentlich erlauben, das Problem mit den fehlenden flämischen Genehmigungen für die Gaszentralen zu lösen beziehungsweise alternative Wege aufzutun. Und so lange landete Plan B, also die Beibehaltung der zwei jüngsten Reaktoren auch nach 2025, noch nicht endgültig im Papierkorb. Es gab zwar gewisse Interpretationsdifferenzen der Dezember-Einigung zwischen den frankophonen Liberalen MR und den Grünen. Aber für die Föderalregierung war der Pfad eigentlich klar. Aber dank der diversen Entwicklungen, die die Energiekrise seitdem weiter verschärft haben, ist die Entscheidung am 18. März für die Vivaldi-Regierung nun alles andere als eine Formalität geworden. Diese Koalition hat seit ihrer Geburt schon einige gefährliche Kurven hinter sich gebracht. Aber der 18. März droht zu einer neuen Stunde der Wahrheit für die Stabilität dieser Mehrheit zu werden. Die zu treffende Entscheidung wird zwangsläufig schwierig werden – und egal wie für bestimmte Parteien schwierig zu akzeptieren sein, analysiert L'Avenir.
Ein Aufschub ist keine Option mehr
Die große Gefahr ist der entstandene Eindruck von Gewinnern und Verlierern, kommentiert Le Soir. Denn das könnte Mitglieder der Föderalregierung zu Fehlern verleiten: Groen/Ecolo dazu, auf den Atom-Skalp zu bestehen. Die MR, die Grünen eine Schlappe erleiden zu lassen. Die flämischen Parteien, vor allem gegen die Angriffe der N-VA zu kämpfen. Er habe den Eindruck, dass das Thema stark politisiert worden sei und er denke, dass das eine schlechte Herangehensweise sei, sagte Premierminister Alexander De Croo gestern. Man werde sich an die vereinbarte Methodik halten: eine gründliche und systematische Analyse, die alle Elemente und Entwicklungen berücksichtige. Sehr vernünftige Worte vom Premier. Bisher hat er aber vor allem die Explosion seiner Vivaldi-Koalition verhindert, indem der Ball immer wieder ins Aus gespielt worden ist. Am 18. März wird eine Entscheidung fallen müssen. Ein weiterer Aufschub ist keine Option mehr, warnt Le Soir.
Für La Dernière Heure ist das Atomenergie-Dossier das absolute Symbol für die Unfähigkeit der Vivaldi-Regierung, Entscheidungen zu treffen. Die Koalition ist wieder in den Klauen des "Kabbelkabinett"-Syndroms. Der Atomausstieg steht doch in der Regierungsvereinbarung von 2020. Die grundsätzliche Entscheidung dazu datiert sogar aus dem Jahr 2003!, seufzt La Dernière Heure.
Jetzt, da auch die Wirtschaft offiziell für ein Offenhalten der Atomreaktoren plädiert, wird ein Atomausstieg sehr schwierig, resümiert Gazet van Antwerpen. Und damit wird es auch sehr schwierig, die Föderalregierung noch zu retten. Wenn alle anderen Regierungsparteien den Arbeitgeberverbänden folgen, dann können die Grünen kaum in der Koalition bleiben. Und dann stürzt die Vivaldi, was schlimm wäre. Es mag zynisch klingen, aber vielleicht muss ja eine Regierung über die Energieversorgung des Landes straucheln. Denn in den letzten 20 Jahren bestand die Energie- beziehungsweise Atompolitik des Landes vor allem aus ständigem Schieben auf die lange Bank. Wenn die Lösung auch nun wieder eine Laufzeitverlängerung von zehn Jahren sein sollte, könnten wir dann bitte jetzt anfangen, darüber nachzudenken, was danach getan werden soll?, giftet Gazet van Antwerpen.
Nur Verlierer
Die Grünen sitzen in einem perfekten Sturm, schreibt Het Nieuwsblad. Allein das Wort "Gas" ist mittlerweile schon toxisch geworden. Erst war es das aus einer Klima-Perspektive. Aber seitdem ist "Gas" vor allem synonym geworden zum Anstieg der Energiepreise. Und Putin sorgt dafür, dass es synonym bleibt mit Unvorhersagbarkeit und ruppiger Geopolitik. Diese Eindrücke bekommt man aus der öffentlichen Wahrnehmung nicht mehr heraus mit Studien oder langen Erklärungen, führt Het Nieuwsblad aus.
La Libre Belgique sieht nur Verlierer in dieser Debatte: Das ewige Zögern hat das Land geschwächt. Was sich jetzt abzeichnet, ist ein Szenario, in dem wir nicht schnell aus der Atomenergie aussteigen werden – und in dem wir eine gesalzene Rechnung dafür bezahlen werden, dies nicht früher zugegeben zu haben. Es ist bedauerlich, dass die Option einer Laufzeitverlängerung nicht früher ernsthaft berücksichtigt worden ist – so wie es eigentlich vorgesehen war, beklagt La Libre Belgique.
Wer bekommt den Schwarzen Peter dann?
Die finanziellen Auswirkungen des Atomausstiegs sind auf zwischen einem und zehn Euro pro Haushalt berechnet worden, hält Het Belang van Limburg fest. Ein zu vernachlässigender Betrag im Vergleich zu den Preissteigerungen, die wir gerade erleben. Die Kernzentralen offen zu halten, würde die Energierechnungen auch nicht drücken. Im Gegenteil: Denn der französische Konzern Engie wird sich ohne fette Schecks von Belgien nicht überzeugen lassen. Zwei Meiler am Netz zu lassen, würde außerdem auch keinen großen Unterschied machen, wenn der Rest des Energiewandels stattfindet. Aber die Debatte hat sich mittlerweile so sehr auf ein "pro" oder "kontra" Atomreaktoren verengt, dass das kaum noch jemand zu sehen scheint. Wenn Menschen glauben, dass das Offenhalten von Kernzentralen ihre Rechnungen senken wird, dann kann man ihnen noch so oft vorrechnen, dass das nicht so sein wird. Aber was wird passieren, wenn die Regierung beschließt, die Laufzeit der Reaktoren zu verlängern und die Rechnungen trotzdem weiter steigen? Wer bekommt dann den Schwarzen Peter?, fragt Het Belang van Limburg.
Boris Schmidt