"Die (Fast-)Freiheit", lautet die große Überschrift bei Le Soir. "So wie erwartet: nur gute Nachrichten nach dem Konzertierungsausschuss", freut sich Het Nieuwsblad. "De Croo beschwört "neue Normalität"", zitiert das GrenzEcho den Premierminister. "In einer Woche: Code Orange, Kinder ohne Masken und empfohlenes Homeoffice", bringt L'Avenir eine Übersicht der Lockerungen, die der Konzertierungsausschuss am Freitag beschlossen hat.
Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer. Aber der Konzertierungsausschuss kriegt das manchmal hin, findet Le Soir. Trotz einiger zur Vorsicht mahnender Worte scheint klar: Wir haben es über den Berg geschafft und können jetzt entspannt in Richtung Sommer rollen. Der Konzertierungsausschuss hat uns den orangen Teppich ausgerollt - und hoffentlich folgt bald der gelbe. Aber Achtung, wir sollten eine Hand auf der Bremse behalten. Denn wie jeder Fahrradfahrer weiß: Beim Runterfahren vom Berg findet man sich am schnellsten im Graben wieder. Vorsicht auch vor der Verlockung, jetzt schon alle Maßnahmen ins Feuer werfen zu wollen. Und schließlich ist es auch essenziell, sich in diesem Moment, in dem das Management der Corona-Krise zum "business as usual" zu werden scheint, der strukturellen Probleme des Gesundheitswesens anzunehmen, mahnt Le Soir.
"Code Optimismus"
Es kribbelt im Bauch, kommentiert Het Laatste Nieuws. Nein, keine Sorge, es ist wohl nicht das Virus, die Ansteckungen gehen stark zurück. Das Kribbeln, das wir spüren, ist Optimismus. Und es gibt mehr Gründe denn je, ihn zu umarmen. Omikron, die erfolgreiche Impfkampagne, frühere Ansteckungen - sie alle sorgen dafür, dass die dramatischen Bilder von Menschen, die in den Krankenhäusern künstlich beatmet werden müssen, immer seltener werden. Es ist zwischen all den anderen Daten etwas untergegangen, aber das Institut für Volksgesundheit, Sciensano, hat gemeldet, dass es im Augenblick in Belgien keine Übersterblichkeit gibt. Dass wir trotz aller positiven Zeichen noch einige Wochen lang Vorsicht walten sollten, ist nur logisch. Aber danach sollte das Corona-Barometer doch bitte auf "Code Optimismus" wechseln - um den Menschen klarzumachen, dass sie dieses Mal ohne Bedenken ihre Tickets buchen, Reisen planen und träumen können, meint Het Laatste Nieuws.
Wenn das Corona-Barometer ein echtes Barometer wäre, dann würden wir sagen, es wechselt von "stürmisch" auf "veränderlich", hält L'Echo fest. Es ist also noch nicht "schön", aber es ist schon besser und das nimmt man gerne mit. Nach zwei Jahren Barrieregesten, erst empfohlenem, dann verpflichtendem Homeoffice, eingeschränktem Ausgehen, annullierten Festen, verschobenen Reisen, Masken auf dem Gesicht, Wattestäbchen in den Nasen, Quarantänemarathons, Erschöpfung und Überdruss, wenn nicht sogar Wut. Das Lockern des Maßnahmen-Korsetts wird guttun. Die Herausforderung wird jetzt die Wiederbelebung werden. Und wir reden jetzt nicht über das Bruttoinlandsprodukt, sondern darüber, unsere Freiheiten und verlorene Energie wiederzufinden. Dabei können auch sehr strukturelle, sehr fundamentale Maßnahmen helfen: Um die Energien von Individuen und Firmen freizusetzen, gibt es keinen besseren Weg, als ihnen das Leben so stark wie möglich zu vereinfachen. Lasst uns alles vereinfachen, was man vereinfachen kann: das Steuersystem, die Verwaltungen, die Institutionen. Lasst den öffentlichen Dienst effizient und beweglich werden und wirklich der Öffentlichkeit zu Diensten sein. Lasst uns das Nehmen von Risiken und die Kreativität ermutigen, anstatt ihnen Steine in den Weg zu legen, fordert die Wirtschaftszeitung L'Echo.
Das sollte niemand "locker" nehmen
Der Premier klang am Freitag noch behutsam, hebt Gazet van Antwerpen in ihrem Leitartikel hervor. Aber ist all die Vorsicht und Vorsorge wirklich noch nötig? Die Situation entwickelt sich zu einer, in der das Coronavirus weiterhin leidig sein kann, aber das gesellschaftliche Leben wohl nicht mehr lahmlegen wird. Ja, wir müssen eventuelle unliebsame Überraschungen, die Corona noch für uns in petto haben könnte, auffangen können. Aber das ist trotzdem etwas anderes als in einer vagen präventiven Haltung hängen zu bleiben. Eine interessante Frage dürfte sein, was von den tiefen Rissen bleiben wird, die das Virus in der Gesellschaft verursacht hat. Sind die sogenannten "Konvois der Freiheit" die letzten Zuckungen der Corona-Gegenbewegung? Wird es später, im Sommer neuen Diskussionsstoff geben, falls die Epidemie wieder aufflackern sollte? Und wie wird sich die Politik verhalten? Eines ist jedenfalls sicher: Weltweit hat Covid-19 fast sechs Millionen Menschen das Leben gekostet in den letzten zwei Jahren. In Belgien sind wir bei 30.000 Toten und jeden Tag kommen noch Dutzende hinzu. Das braucht niemand "locker" zu nehmen, mahnt Gazet van Antwerpen.
La Libre Belgique greift die Verlängerung des Pandemiegesetzes durch die Kammer auf: Um Viertel nach eins morgens, mitten in der Nacht und unter so viel allgemeinem Desinteresse hat die Abstimmung stattgefunden. Nach langen Debatten ist das Pandemiegesetz vom Parlament um drei Monate verlängert worden. Eine Abstimmung in letzter Minute, um den epidemiologischen Notstand aufrechtzuerhalten und damit auch all die besonderen Vollmachten und Ordnungsmaßnahmen. Was für ein Paradox: Auf der einen Seite verkündet der Konzertierungsausschuss logische Lockerungen. Auf der anderen Seite verlängert das Parlament wenige Stunden vorher den Notstand. Es geht hier um das grundlegende Prinzip der Gewaltenteilung: Ein Notstand kann nicht einfach so bei Nacht und Nebel verlängert werden, schon gar nicht, wenn eine Besserung der Lage in Sicht ist. Eine Ausnahme muss eine Ausnahme bleiben, das gilt auch hier, wo die Abgeordneten einen Teil ihrer Macht an die Regierung abgetreten haben. Die Regierung täte gut daran, sich an ihren Slogan zu halten: "Keinen Tag länger als nötig", wettert La Libre Belgique.
Wo bleibt die versprochene politische Erneuerung?
Het Nieuwsblad beschäftigt sich mit einem ganz anderen Thema: Die Vivaldi-Koalition hatte bei ihrem Start die Wichtigkeit politischer Erneuerung stark betont. Aber bei ihrer ersten Prüfung, der Reduzierung der Parteienfinanzierung, ist sie schon hinter ihren Ansprüchen zurückgeblieben. Es war abgesprochen, dass die Dotationen für die Parteien um 1,1 Prozent gesenkt würden. Allerdings kam dann die Indexierung von zwei Prozent. Dadurch stehen die Parteien diese Woche finanziell also effektiv besser da - und nicht schlechter, wie geplant. Ein Zufall, verteidigen sich die Parteien. Aber es ist nicht nachvollziehbar, warum sie dann keine stärkere Reduzierung beschlossen haben. Niemand kann den Bürgern das heutige System noch erklären: Die Parteien bekommen jedes Jahr 74 Millionen Euro, das ist zu viel. Allein die Tatsache, dass sie damit großangelegte Kampagnen auf Facebook bezahlen oder in Immobilien investieren, sagt mehr als genug.
Aber die Parteienfinanzierung wäre nur ein erster Schritt. Für eine echte politische Erneuerung müsste es auch eine Machtverschiebung geben, weg von den Parteien, hin zum Parlament. Der politisch motivierten Besetzung von Posten müsste ein Ende gemacht werden. Die vielen Mandate und Strukturen müssten zusammengestutzt werden. Und selbst all das wäre nur ein Beginn, findet Het Nieuwsblad.
Boris Schmidt