"Partygate: Bericht bringt britischen Premier Boris Johnson noch weiter in Verlegenheit", titelt De Tijd. "Partygate-Bericht: Boris Johnsons Premierministerposten hängt am seidenen Faden", schreibt De Morgen. "Boris Johnson entschuldigt sich, aber schließt Rücktritt aus", so die Überschrift auf Seite eins von Le Soir.
"Versäumnisse in der Führung" – kann ein Premier eine noch vernichtendere Beurteilung bekommen?, fragt Het Nieuwsblad in seinem Leitartikel. Dieser Befund ist die große Schlussfolgerung des Untersuchungsberichts über die Lockdownpartys von Boris Johnson und seinem Gefolge. Dass er sich offenbar einen Dreck darum schert, ist ein extremes Zeichen der Zeit. Wer auch nur ein Mikrogramm Schamgefühl hätte, würde nach solchen Worten abtreten. Besonders, wenn auch noch strafrechtliche Untersuchungen der Londoner Polizei liefen. Vier der Partys betreffen Boris Johnson, eine soll in seiner Privatwohnung im Amtssitz stattgefunden haben. Angesprochen fühlt sich Johnson aber nicht, stattdessen werden Köpfe seiner Untergebenen rollen. Er ist ein extremes Beispiel für eine auch andernorts zu beobachtende Tendenz: Das Spielen des "Blame Game", des Schwarze-Peter-Spiels, des Negierens politischer Verantwortung, des sich Festklammerns an der Macht. Auf diese Weise wird nach und nach der Glaube in die Demokratie untergraben, kritisiert Het Nieuwsblad.
Zynismus und Grabenkämpfe
Was Boris Johnson da gemacht hat, ist eigentlich "Volksbeleidigung", meint Le Soir. Während der Bevölkerung strengste Regeln auferlegt wurden, Menschen einsam und ohne ihre Familien leiden und sterben mussten, kamen in der Downing Street 10 große Gruppen Menschen zusammen, um zu feiern. So ein "Verrat" wäre normalerweise der Ruin für einen Populisten, das Ende seiner Legitimität. Aber zu mehr als einem halbherzigen Mea culpa des Premiers hat der vernichtende Bericht nicht geführt. Wie soll man einem Mann glauben, der zynisch darauf setzt, dass der Bevölkerung und dem Parlament die Ethik und Kohärenz der Politik gleichgültig sind? Einem Mann, der glaubt, dass es schon reichen wird, sich kumpelhaft zu geben und ein paar Arbeitsplätze, Impfstoffe oder Geld zu verteilen, um die Wogen zu glätten? Einem Mann, der auch bereit ist, auf der Welle einer Kriegsdrohung zu reiten, die von den Russen befeuert wird? Die kommenden Tage werden zeigen, ob seine Rechnung aufgeht. Die Menschen sollten derweil ihre Lehren ziehen: Die Populisten wollen nicht ihr Bestes. Das behaupten sie nur, um an die Macht zu kommen und dann dort zu bleiben, wettert Le Soir.
La Libre Belgique blickt nach Frankreich: Seit dem Debakel von 2002 spielt sich die französische Politik zwischen dem Zentrum und dem rechten Rand ab. Die Linken sind nicht mehr als Zuschauer. Sie sind unfähig, ihre alten Ideologien zu überdenken und ein neues, gemeinsames Projekt zu entwerfen, das Sozialdemokraten, Sozialisten, Grüne, Insoumis und Kommunisten vereinen könnte. Die Internetwahl, die jetzt Christiane Taubira zur Präsidentschaftskandidatin gekürt hat, ist ebenfalls misslungen. Sie hat vor allem die Spannungen innerhalb der Linken noch weiter verschärft. Außerdem hat ein großer Teil des einfachen Volks nicht mitgemacht. Die Abwesenheit eines moderaten linken Politikangebots an die Wähler ist beunruhigend, denn sie stärkt vor allem die Extremisten aller Seiten und die Stimmenthaltung. Ein schlechtes Omen für künftige Wahlen, warnt La Libre Belgique.
Eine Reform, die den Erfolg verdient
De Morgen kommentiert die Reformpläne des föderalen Gesundheitsministers Frank Vandenbroucke für die Krankenhäuser: Die sollen sich spezialisieren, der Überkonsum soll reduziert, die finanziellen Verflechtungen zwischen Krankenhäusern und spezialisierten Ärzten durchleuchtet und die großen Gehaltsunterschiede zwischen Ärzten reduziert werden. Das ist alles andere als eine kleine Reform, die Vandenbroucke hier auf den Verhandlungstisch gelegt hat. Aber sie ist notwendig, seine Vorschläge sind ernstgemeint und kein Parteipamphlet zur eigenen Profilierung. Wenn selbst dieser Vorschlag im Sand verläuft oder zu einer Blockade führt, dann stellt sich wirklich die Frage, was in diesem Land überhaupt noch reformiert werden kann, so De Morgen.
Die Blaupause liegt bereit, der politische Kampf kann also beginnen, kommentiert De Tijd. Zunächst innerhalb der Regierung, dann im Parlament und schließlich in den Krankenhäusern selbst. Es gibt zahlreiche Punkte im Krankenhauswesen, die der Verbesserung bedürfen, es ist eine wahrhaft titanische Aufgabe. Nach Laurette Onkelinx und Maggie De Block versucht es jetzt also Frank Vandenbroucke. An Tabus, Fettnäpfchen, Möglichkeiten, Knüppel zwischen die Beine zu werfen, und verräterischen Details mangelt es dem Dossier nicht. Aber diese Reform verdient einen Erfolg, unterstreicht De Tijd.
Grauer Rauch
Het Belang van Limburg befasst sich mit der Einigung des Kernkabinetts über Maßnahmen zur Senkung der Energierechnungen der Bürger. Die war zum Zeitpunkt der Drucklegung noch hypothetisch, nach übereinstimmenden Meldungen ist dieser Knoten aber mittlerweile durchgehackt. Der Rauch aus der Rue de la Loi wird nicht wirklich weiß sein, prognostiziert die Zeitung, sondern eher grau als soundsovielter belgischer Kompromiss. Die Einigung wird nicht zu großem Beifall führen. Dafür ist auf föderaler Ebene viel zu lang gezaudert und gestritten worden, dafür werden die Auswirkungen zu gering sein. Währenddessen hat der Februar begonnen, hunderttausende belgische Familien warten bang auf den nächsten Brief ihres Energieversorgers. Die Menschen verstehen nicht, warum eine Energieprämie ein budgetäres Problem sein soll, die Milliarden Euro Corona-Geld für die Firmen es aber nie waren. Sie verstehen auch nicht, dass die Niederlande, Frankreich und Deutschland es sehr wohl schaffen, die Energierechnungen um einige hundert Euro abzumildern. Dieses Dossier wird nur Verlierer kennen, warnt Het Belang van Limburg.
Boris Schmidt