"Eine Verlängerung für die Kernzentralen ist möglich", bringt Le Soir die Kernaussage eines neuen Berichts der belgischen Atomaufsichtsbehörde FANK als Überschrift. "Die FANK gibt der Regierung eine letzte Frist von zweieinhalb Monaten, um zu entscheiden, ob sie die Laufzeit von zwei Kernreaktoren verlängern will", ergänzt La Libre Belgique. "Die Kernzentralen offenhalten ist möglich, aber nur, wenn Engie das will", hebt Het Belang van Limburg hervor.
Die letzten zwei Kernreaktoren länger am Netz lassen – technisch ist das also möglich, juristisch fraglich und politisch bleibt es ein ziemlich komplizierter Knoten, kommentiert Het Nieuwsblad. Es wird also doch an der Föderalregierung hängenbleiben, diesen Knoten durchzuhacken. Auch wenn Premier De Croo sicher gehofft hatte, dass der Bericht der FANK als externe Partei ihm das ersparen würde. Der liefert jetzt aber vor allem dem MR-Vorsitzenden Georges-Louis Bouchez wieder Munition, dem größten Unterstützer der Atomenergie innerhalb der föderalen Mehrheit. Es gibt aber auch mehr als genug Gegenargumente: Der FÖD Wirtschaft hat mitgeteilt, dass es juristisch betrachtet zu spät ist, um Europa von einer Verlängerung zu überzeugen. Und dann ist da noch das französische Hauptquartier von Engie, das die Tür schon vor Langem zugeschlagen hat. Engie zu einem Kurswechsel zu bewegen, würde sicher alles andere als billig werden. All das zusammengenommen bedeutet – mit der aktuellen Energiekrise und der Sorge um den Klimawandel als Hintergrund –, dass die Diskussion um den Atomausstieg also bis zum allerletzten, bitteren Ende geführt werden wird. Eine gute Entscheidung ist dank jahrzehntelangem Missmanagement ohnehin unmöglich. Das Höchste der Gefühle wird eine zumindest transparente Entscheidung sein, seufzt Het Nieuwsblad.
Vorsicht mit einem Eingreifen in die Preismechanismen
De Tijd kommentiert die verschiedenen Vorschläge, wie die Energierechnungen der Bürger gesenkt werden könnten, insbesondere, ob Gewinne bei der Erzeugung von Strom durch Atomkraft oder grüne Energiequellen dafür vom Staat abgeschöpft werden sollten. Wie die Preise für Elektrizität bestimmt werden, ist von Europa festgelegt. In Abhängigkeit von Angebot und Nachfrage machen die Produzenten mal Gewinne, mal Verluste. Ist die Regierung denn bereit, auch die Verluste der Produzenten auszugleichen, wenn die Marktpreise wieder fallen? So brutal in die empfindlichen Preismechanismen einzugreifen kann üble Folgen haben: Welcher Produzent – auch erneuerbarer Energien – soll noch bereit sein, viel zu investieren, wenn der Staat sich als nicht vertrauenswürdig erweist und Langzeitabsprachen mit Füßen tritt? Und das in Zeiten, in denen wir beim Kampf gegen den Klimawandel und gegen eine Wiederholung der aktuellen Energiekrise Investitionen doch so nötig haben, wettert De Tijd.
Eine wesentliche Debatte
La Dernière Heure blickt voraus auf den nächsten Konzertierungsausschuss, der am Freitag stattfinden soll: Besonders zwei Sektoren, die Kultur und das Nachtleben, wollen endlich positive Nachrichten hören. Leider geben die Aussagen sowohl von Politikern als auch Experten kaum Anlass zu Optimismus. Gerade die Kulturwelt leidet angesichts der 200-Personen-Obergrenze weiter, während gleichzeitig die Unterstützungsmaßnahmen immer spärlicher werden. Dass es auch anders geht, zeigt ein Blick zu den französischen Nachbarn, wo die Obergrenze bei 2.000 Personen liegt. Das ist sicherlich eine gesundheitliche Frage, aber eben auch eine der Philosophie und der politischen Entscheidungen, bedauert La Dernière Heure.
Gazet van Antwerpen kommt auf die Debatte um die Einführung einer Impfpflicht zurück: Jetzt, da die politischen Parteien sich gerade auf die entsprechende Kammerdebatte vorbereiten, wird die Situation wieder sehr verwirrend. Das liegt vor allem daran, dass die Omikron-Variante doch nicht so verheerend wie befürchtet zu sein scheint. Mancherorts macht sogar schon wieder das Wort "Lockerungen" die Runde. Aber ist das wirklich eine gute Idee, dieses Fass schon jetzt wieder aufzumachen? Mit der Gefahr, dass wir wieder zu voreilig handeln? Können wir stattdessen nicht sicherheitshalber versuchen, einen so hohen Impfgrad wie möglich zu erreichen? Fast alle der aktuell 400 Menschen auf den Intensivstationen sind Ungeimpfte, die sich mit der Delta-Variante angesteckt haben. Delta macht noch immer 15 Prozent aller Fälle aus und niemand weiß, was die Zukunft noch bringen könnte. Natürlich wollen viele Bürger nichts mehr hören über eine soundsovielte Corona-Diskussion. Aber die über eine Impfpflicht ist doch eine wesentliche. Denn es geht nicht nur um den Kampf gegen das Virus, um Krankheit und Gesundheit, sondern auch um Solidarität in unserer Gesellschaft und um Freiheit, die hinausgeht über das "ich mache, was ich will", appelliert Gazet van Antwerpen.
Soziale Ungerechtigkeit und staatliche Ohnmacht
Das GrenzEcho greift den jüngsten Oxfam-Bericht auf: Wenn das Vermögen der Reichsten sich binnen eines Jahres verdoppelt, während mehr als 160 zusätzliche Millionen Menschen in die Armut abdriften, dann läuft etwas fundamental schief. Es wäre allerdings zu einfach, der Corona-Krise die Schuld hierfür in die Schuhe zu schieben. Es waren die Regierungen und die sie stützenden Zentralbanken, die diese Politik – zugegeben unter vielstimmigem Applaus – betrieben und so diese Entwicklung befeuert haben. Gleichzeitig finden diese Staaten keine Wege und Mittel, diese Unternehmen und Personen gerecht zu besteuern. Die offensichtliche staatliche Ohnmacht oder Gleichgültigkeit wird die politische Unzufriedenheit von immer mehr Menschen weiter befeuern, prophezeit das GrenzEcho.
Boris Schmidt