"Neujahrsansprache: DG meistert Krisen – Oliver Paasch appelliert an Ungeimpfte", liest man beim GrenzEcho. "Omikron lädt die Politik zu zwei neuen Konzertierungsausschüssen ein", so der Aufmacher bei Le Soir. "Doppelt so viele Ansteckungen innerhalb einer Woche", melden Het Belang van Limburg und Het Nieuwsblad auf Seite eins.
Das neue Jahr beginnt thematisch oft da, wo das alte geendet hat: mit dem Coronavirus. Und oft genug war die Pandemie wohl auch ein sensibles Thema an den Festtafeln des Landes, wie verschiedene Leitartikler kommentieren.
Großer Bedarf an Nuancierung
De Morgen zitiert dazu aus einer neuen Studie, die bestätigt, was viele in ihrer Umgebung schon selbst festgestellt haben: Die Polarisierung hat seit dem Beginn der Corona-Krise nur zugenommen. Die Rezepte, um etwas dagegen zu tun, mögen altbekannt klingen, aber sie funktionieren: mehr miteinander sprechen und einander zuhören, in unseren eigenen kleinen Leben mit den Verwandten, die das Virus anders als wir selbst sehen, ohne Scheu, nach abweichenden Antworten zu fragen und die Diskussion aufrechtzuerhalten. Das gilt übrigens auch für die Politiker. Vielleicht wird dann das Jahresende 2022 wieder ähnlich ungezwungen werden wie das 2019, hofft De Morgen.
Wir haben einen großen Bedarf an Nuancierung, meint L'Avenir. Die Pandemie hat diese Feststellung nur verstärkt: Die Müdigkeit und der Frust vergrößern die Spaltung in der Gesellschaft nur noch weiter: diese Spaltung, die von der Angst, von den umherirrenden Behörden, von den sozialen Netzwerken und bestimmten Medien genährt wird, die eine Entweder-Oder-Philosophie propagieren. Zu nuancieren bedeutet nicht, sich zu ergeben. Im Gegenteil, es bedeutet, die Komplexität der Welt besser zu verstehen, ihre Diversität, ihre Heterogenität. Nuancieren bedeutet, sich der Spaltung und der binären Sicht der Welt zu verweigern. Es bedeutet, sich mit Außenmaß zu empören und seine Sache zu verteidigen. Es bedeutet, zu akzeptieren, dass die Welt nicht schwarz oder weiß ist, sondern aus einer ganzen Palette farblicher Abstufungen besteht. So zu leben ist nicht der einfachste Weg, aber vielleicht wird es dabei helfen, die Stimmung zu beruhigen - so wie wir alle es uns zu Beginn dieses neuen Jahres wünschen, appelliert L'Avenir.
Gute Vorsätze
Het Belang van Limburg beklagt den schmerzlichen Graben zwischen der Politik und der Bevölkerung. Dass es einen solchen gibt, in an sich nichts Neues, aber seit dem Ausbruch der Corona-Epidemie ist er doch ein ganzes Stück größer geworden. Das hat die Episode zwischen Konzertierungsausschuss und Staatsrat gerade erst wieder deutlich gemacht. Ebenso wie die sehr säuerlichen Reaktionen großer Teile der Bevölkerung auf die anderen Corona-Maßregeln. Es ist in diesen Zeiten bestimmt nicht einfach, Politiker zu sein. Aber mehr darauf zu achten, was den Bürger bewegt, ist sicher nicht verkehrt, empfiehlt Het Belang van Limburg.
Het Laatste Nieuws befasst sich mit den guten Vorsätzen für das neue Jahr, die sich die politisch Verantwortlichen des Landes genommen haben könnten: Nach diesen unseligen letzten politischen Wochen des Jahres werden viele von ihnen reinen Tisch machen und frisch beginnen wollen. Es muss das Jahr werden, in dem man eigene Akzente setzt, in dem man zurückkehrt zu seinen Prinzipien, in dem man entschieden statt schlaff auftritt, das Jahr, das endlich zum "Rendez-vous mit der Geschichte" wird. Damit das klappt, dürfen die guten Vorsätze aber nicht unterm Weihnachtsbaum oder an der Festtafel bleiben – sie müssen am Regierungstisch oder in der Parteizentrale auch umgesetzt werden. Dazu gehört nicht nur, dass man neu schaut, was eigentlich am dringendsten getan werden muss, sondern auch, wie man das gemeinsam erreichen kann. Dazu gehört auch, zu prüfen, ob der richtige Mann oder die richtige Frau am richtigen Platz sitzen. Und dazu gehört auch, sich nicht andauernd so zu benehmen, als wären morgen schon Wahlen, denn das ist nicht so: Weniger in den Rückspiegel schauen, sich weniger mit Umfragen beschäftigen, weniger in ständiger Angst vor dem Wähler leben – und stattdessen den Blick ruhiger auf die Straße richten, um den besten und schönsten Weg für 2022 zu nehmen, mahnt Het Laatste Nieuws.
Der Pragmatismus der Europäischen Kommission
Mit einem ganz anderen Thema befasst sich unter anderem La Libre Belgique: Die Europäische Kommission schlägt vor, Investitionen in Gas und Atomkraft unter bestimmten Voraussetzungen als klimafreundlich einzustufen. Das wird es einerseits den Investoren erlauben, genau zu wissen, was als nachhaltige oder Übergangstechnologien gelten wird. Andererseits könnte dadurch die Stimmung im ohnehin schon heißen Dossier "Energiewandel" noch weiter angeheizt werden. Aber es geht hier um budgetäre, umwelttechnische und auch geostrategische Herausforderungen. Die Wahrheit ist, dass der Energiewandel fast nirgends in Europa gesichert ist. Die drastische Reduzierung des Ausstoßes von Treibhausgasen kann aktuell nicht allein durch erneuerbare Energien und technologische Innovationen für einen geringeren Energieverbrauch erreicht werden. Die Kritiker werden auch sagen, dass der Vorschlag der Kommission vor allem den Interessen der beiden europäischen Schwergewichte Frankreich (Atomkraft) und Deutschland (Gas) dient. Aber wir wünschen uns vor allem, dass der Pragmatismus der Kommission dazu beitragen wird, die Debatte zu versachlichen, damit es einen konkreten und effizienten Fortschritt geben kann. Das wäre ein beträchtlicher Fortschritt. Andernfalls laufen wir Gefahr, nie längerfristig zu einer Entscheidung über die Zukunft unseren Planeten zu gelangen, so La Libre Belgique.
Boris Schmidt