De Standaard schreibt, Premier De Croo und Gesundheitsminister Vandenbroucke sind in der Kammer nicht nur von der Opposition, sondern auch von der Mehrheit wegen der Entscheidungen im Kultursektor kritisiert worden. Ein Parlament, das sich selber respektiert, kann nicht einfach Botschaften verlesen und zur Tagesordnung übergehen. Wenn es begründete Zweifel an der Unterstützung der Mehrheit für die Regierung gibt, dann ist das ein schwerwiegender Vorfall. Der erfordert eine gründliche Debatte und eventuell sogar ein Vertrauensvotum. Entweder die Regierung gibt nach oder die Mehrheit schließt sich an. Aber es gibt noch eine andere Lösung: Wenn die Mehrheit die Regierung trotz Debatte nicht unterstützen will, kommt es zu einer politischen Krise, die zum Sturz der Regierung führen könnte.
Wenig glaubwürdige Gesundheitspolitik
Doch davon ist nichts passiert. Die Abgeordneten haben sich nur zu Wort gemeldet, ihre Meinungen zählten aber offenbar nicht. Le Soir meint, der Konzertierungsausschuss hat die wissenschaftliche Schiene verlassen und seine eigene Glaubwürdigkeit untergraben. Was nützt es, eine Maßnahme einzuführen, die keinen Sinn macht? Soll man sich jetzt über den zivilen Ungehorsam freuen? Vielleicht sollte man sich über den Gesundheitszustand der Demokratie Fragen stellen. Vor diesem Hintergrund ist zu befürchten, dass der nachvollziehbare Unmut einer Minderheit einen Schneeballeffekt bewirkt und der Glaubwürdigkeit der Gesundheitspolitik ein Ende setzt. Das zu verhindern, liegt in der Verantwortung der Regierenden. Jede Entscheidung soll nicht willkürlich getroffen werden, sondern auf der Grundlage von überprüfbaren Fakten.
L‘Echo schlägt in die gleiche Kerbe. Der Aufruf zu zivilem Ungehorsam löst kein Problem. Jeder macht Fehler, auch die Politik. Sie muss bereit sein, ihren Kurs zu korrigieren. Sie muss den Dialog mit dem Kultursektor aufnehmen und die Krise entschärfen. Es ist Zeit, sich von der Logik des "Alles oder nichts" zu verabschieden. Sollten die Behörden an ihren Entscheidungen festhalten, müssen sie dafür die Verantwortung übernehmen und sie mit Fakten untermauern, sprich: pädagogisch handeln.
Mit seinen Entscheidungen hat der Konzertierungsausschuss die Gesellschaft noch ein bisschen mehr gespalten, meint La Dernière Heure. Können wir noch alle Einschränkungen mittragen, wenn Minister sich gegen Entscheidungen stellen, die sie mitgetragen haben? Sich mit dem Kultursektor zu verbünden, macht sich vielleicht wahltaktisch gut, aber weshalb hat man denn nicht mit anderen Sektoren die gleiche Nachsicht?
Wenn schon Impfpflicht, dann ohne lange Umwege!
Mehrere Zeitungen kommentieren die Diskussion über eine Impfpflicht.
Die OpenVLD hat eine Kehrtwende gemacht: Premierminister De Croo ist nicht mehr gegen die Impfpflicht und der Parteivorsitzende Egbert Lachaert plädiert für eine 1G-Politik, schreibt Het Laatste Nieuws. Die Zeitung plädiert für die freie Wahl, sich impfen zu lassen oder nicht. Auch Menschen, die Angst vor der Impfung hätten, verdienten Verständnis und Respekt. In der Praxis sieht es anders aus. Auch wenn die Impfung nach wie vor freiwillig ist, sind die sozialen Folgen für diejenigen, die sich "falsch" entscheiden immens. Sollte die Regierung sich für eine Impfpflicht entscheiden, was nützt es denn noch eine 2G- oder 1G-Regelung einzuführen, bevor eine Pflicht kommt? Dann sollte sie den Mut haben, keine langen Umwege zu gehen.
Ruf nach einer europäischen Corona-Politik
De Tijd plädiert für eine koordinierte europäische Corona-Politik. Mit gemeinsamen Regeln lässt sich die Bekämpfung der Pandemie vereinfachen. Auch Diskussionen über eine Impfpflicht im belgischen Parlament und in den Parlamenten der Mitgliedsstaaten machen Sinn, schreibt die Zeitung.
Het Nieuwsblad schließlich bricht eine Lanze für die Ehrenamtlichen, die in den Impfzentren ohne zu murren weiter machen. Die Standhaftigkeit dieser Ehrenamtlichen steht in einem krassen Gegensatz zu dem Sumpf, in den sich die Regierungen hinein manövriert haben.
Chantal Delhez