"Banges Warten auf den Konzertierungsausschuss", titelt Het Nieuwsblad. "Europa ist in Panik, Belgien wartet ab", stellt Le Soir auf seiner Titelseite fest. "Große Fragezeichen erschweren klare Entscheidungen", schreibt De Standaard auf Seite eins.
Die Omikron-Variante hat am Wochenende in einigen Ländern für erhebliche Aufregung gesorgt. In London wurde der Katastrophenfall ausgerufen. In den Niederlanden hat die Regierung Hals über Kopf einen neuen Lockdown verhängt. All das sorgt auch in Belgien für Nervosität. Am Mittwoch steht ja ein neuer Konzertierungsausschuss an. "Ein Lockdown liegt aber im Augenblick noch nicht auf dem Tisch der Regierung", das sagt die wallonische Gesundheitsministerin Christie Morreale auf Seite eins von La Libre Belgique.
Het Laatste Nieuws scheint schon ansatzweise zu wissen, wo es am Mittwoch langgehen wird. "Es wird keine Kontaktblasen zu Weihnachten und Neujahr geben", schreibt das Blatt. "Wir werden uns nicht in das Privatleben der Menschen einmischen", zitiert die Zeitung den föderalen Gesundheitsminister Frank Vandenbroucke. "Womöglich keine Kontaktblasen", schreibt auch De Morgen.
Die Ruhe vor dem Tsunami?
"Ist das die Ruhe vor dem Tsunami?", fragt sich L'Avenir in seinem Leitartikel. Erleben wir die letzten friedlichen Tage, bevor wir von der Omikron-Welle überrollt werden? Fakt ist, dass die Experten sehr besorgt sind angesichts der Schnelligkeit, mit der sich die neue Mutante ausbreitet. Einige Länder, allen voran die Niederlande, haben schon drastische Maßnahmen verhängt. Und wir? Im Moment kann man den Eindruck haben, als bereite sich hierzulande niemand so wirklich auf diese Flutwelle vor. Wenn Belgien vielleicht in manchen Bereichen auch besser dastehen mag als z.B. die Niederlande, so kann man sich fragen, ob das reichen wird. In nur wenigen Tagen werden wir es vielleicht schon wissen.
"Was wissen die Niederländer, was wir nicht wissen?", fragt sich auch Het Laatste Nieuws. Folgt man in Den Haag einfach nur mal konsequent dem Rat der Fachleute? Oder ist es schlichtweg, weil man in den Niederlanden die Booster-Impfungen verschlafen hat? Oder hat man sich vielleicht für den Lockdown entschieden, weil man weiß, dass pro Kopf wesentlich weniger Intensivbetten zur Verfügung stehen als in den Nachbarländern? Dass ausgerechnet die Niederlande jetzt in einen harten Lockdown gehen, das sorgt hierzulande in jedem Fall für Unruhe. Gerade in Flandern ist das nördliche Nachbarland ja in vielen Bereichen so eine Art politischer Kompass. Angesichts des Rückstands der Niederländer in Sachen Booster-Impfungen und bei den verfügbaren Intensivbetten scheint Belgien im Moment aber für einmal besser dazustehen.
"Unsicherheit ist das neue Normal"
Mag sein, aber in jedem Fall ist jetzt nicht der Zeitpunkt, Fehler zu machen, gibt De Standaard zu bedenken. Ja, es mag sein, dass Belgien einen Vorsprung bei den Booster-Impfungen hat und auch über vergleichsweise viele Intensivbetten verfügt. Doch kann einem angesichts des rasend schnellen Vormarsches der Omikron-Variante regelrecht schwindelig werden. Da kann man nur hoffen, dass der am Mittwoch anstehende Konzertierungsausschuss nicht wieder zum Viehmarkt gerät, dass uns ein Geschacher wie bei den letzten drei Sitzungen erspart bleibt. Um die Latte ein bisschen höher zu legen, könnten die Vertreter der Regierungen des Landes vielleicht auch mal einen Schritt weiterdenken. Wie könnten langfristige Perspektiven aussehen? Denn das ist wohl nicht der letzte Winter mit Corona.
Gazet van Antwerpen sieht das ganz genauso. Hier geht es um mehr, als nur dieses Weihnachtsfest zu überleben. Es ist höchste Zeit für eine langfristige Vision. Diese andauernde Jo-Jo-Politik treibt die Menschen buchstäblich in den Wahnsinn. Wir müssen endlich einen Weg finden, dauerhaft mit dem Virus umzugehen.
"Mit Omikron liegt jedenfalls ein vergiftetes Geschenk unter dem Weihnachtsbaum", beklagt Le Soir. Die neue Virusvariante wirft einen langen Schatten auf diese Endjahresfesttage. Zum zweiten Mal in Folge sind Weihnachten und Neujahr "nicht normal". Wieder sind Vorsichtsmaßnahmen dringend empfohlen, wobei das immer noch besser ist als ein Lockdown. Dieses Jahr hat gezeigt: Die Unsicherheit ist das neue Normal.
Eine nuancierte Empfehlung ist notwendig
Einige Zeitungen beschäftigen sich auch heute noch mit der Impfung für Fünf- bis Elfjährige. Die Gesundheitsminister des Landes sollen dafür heute grünes Licht geben. De Morgen und auch La Libre Belgique appellieren an die Politik, in dieser sensiblen Frage das nötige Fingerspitzengefühl an den Tag zu legen und vor allem klar zu kommunizieren. Für die Eltern ist das eine äußerst heikle Entscheidung, meint De Morgen. Zwar gibt es schon solide Beweise, dass die Impfung für Fünf- bis Elfjährige sicher ist. Inzwischen wurden schon rund sieben Millionen Kinder geimpft, vor allem in den USA. Dabei wurden so gut wie keine Nebenwirkungen festgestellt. Dennoch ist es wichtig, dass die Behörden ihre Empfehlung nuanciert aussprechen. Damit jeder seine persönliche Nutzen-Risiko-Abwägung machen kann.
Atomausstieg: Jeder mit sich selbst beschäftigt
Einige Blätter schließlich beleuchten noch einmal die Debatte um den Atomausstieg, die in ihre vielleicht entscheidende Woche geht. Die MR und auch die oppositionelle N-VA haben noch einmal lautstark ihre Argumente gegen eine Abkehr von der Kernenergie vorgebracht. Beide Parteien sind da aber denkbar schlecht platziert, meint Het Nieuwsblad. Wenn zwei Parteien in der Diskussion um die Versorgungssicherheit Demut an den Tag legen müssten, dann sind es eben N-VA und MR. Beide waren die Triebfedern der Regierung Michel I. Beide hatten lange genug die Gelegenheit, die Frage in die eine oder in die andere Richtung definitiv zu beantworten.
Was schade ist, dass in dieser Debatte jeglicher Sinn für Nuance verloren gegangen ist, beklagt Het Belang van Limburg. Alle Parteien sind nur noch mit sich selbst beschäftigt. Sollte das Licht nach 2025 tatsächlich ausgehen, dann wissen wir, wem wir das zu verdanken haben.
Roger Pint