"Die Löhne werden 2022 beispiellos ansteigen", titelt Het Laatste Nieuws. Die Inflation ist ja so hoch wie seit rund 30 Jahren nicht mehr. Und weil es in Belgien die Lohn-Index-Bindung gibt, werden die Gehälter entsprechend steigen. Die Währungshüter rechnen damit, dass dieser Zustand erstmal andauern wird. "Schön für unser Portemonnaie, aber die Arbeitgeber bangen um unsere Wettbewerbsfähigkeit", schreibt die Zeitung.
Genau dazu passt die Aufmachergeschichte von Le Soir: "Der Index gerät zwar unter Druck, aber er hält stand", schreibt das Blatt. Denn natürlich gab es wieder Stimmen, die für einen Indexsprung plädierten: die Forderung also, dass man diese Lohn-Index-Kopplung mindestens einmal aussetzt und damit eine indexbedingte Gehaltserhöhung auslässt. Das ist aber mit den linken Koalitionspartnern in der Föderalregierung nicht zu machen.
Perfekter Sturm in Sicht
"Da braut sich ein perfekter Sturm zusammen", warnt aber De Tijd in ihrem Leitartikel. Allein im kommenden Jahr werden hierzulande indexbedingt die Lohnkosten um 4,5 Prozent ansteigen. Das haben wir so seit 1996 nicht mehr gesehen. Dieser Anstieg fällt viel stärker aus als in unseren Nachbarländern. Die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen verschlechtert sich also sehenden Auges, nachdem wir 25 Jahre gebraucht hatten, um das Defizit einigermaßen auszugleichen. Obendrauf kommt dann nochmal der geplante Atomausstieg. Die Vivaldi-Regierung pokert mit der Versorgungssicherheit des Landes. Wenn Elia, der Betreiber der Hochspannungsleitungen, auch betont, dass in Belgien das Licht nicht ausgehen wird, dann stellt sich immer noch die Frage: Zu welchem Preis? In diesem Land ist viel zu viel liegen geblieben. Entscheidungen wurden auf die lange Bank geschoben. Belgien wirkt für die Herausforderungen der Zukunft schlecht gerüstet. Die Folge ist jetzt schon, dass Investoren sich mehr denn je abwenden und anderswo umschauen. Wie viele Warnlampen müssen denn noch blinken, bis sich mal was bewegt?
Hoffen auf eine möglichst breite Impfung von Kindern
"Wie viel Angst müssen wir haben vor der Omikron-Welle?", fragt sich derweil De Morgen auf Seite eins. Das Blatt präsentiert den aktuellen Stand der Forschung. Für den Vakzinologen Pierre Van Damme gibt es nur eine Botschaft: "Der Booster ist absolut notwendig", sagt Van Damme. Die Schlagzeile von Het Nieuwsblad wirkt wie eine Bestätigung: "Eine 66 Prozent niedrigere Ansteckungsgefahr dank der Booster-Impfung", schreibt die Zeitung. Le Soir ist seinerseits skeptisch: "Wenn die Omikron-Welle anrollt, dann ist Belgien nur bedingt vorbereitet", warnt das Blatt im Innenteil. Die Test- und auch die Tracingkapazitäten sind am Limit. Die Krankenhäuser haben die vierte Welle noch nicht verdaut. Zwar wurde bei den Booster-Impfungen ein Gang hochgeschaltet, aber die Frage ist, ob das reichen wird...
Gazet van Antwerpen stellt sich vor diesem Hintergrund die Frage, warum so viele Eltern noch zögern, ihre fünf- bis elfjährigen Kinder impfen zu lassen. Nach einer Umfrage stehen mehr als ein Drittel der Mütter und Väter einer Impfung ihrer Sprösslinge skeptisch bis ablehnend gegenüber. Wo liegt die Ursache für diese Bedenken? Die meisten dieser Skeptiker sind doch selbst geimpft. Und mehr als neun von zehn Kindern wurden im Säuglingsalter schon gegen diverse Krankheiten immunisiert. Ist das Corona-Vakzin denn so viel gefährlicher als all diese Impfungen? Angesichts der anrollenden Omikron-Welle bleibt nur Daumendrücken, dass möglichst viele Eltern ihre Kinder am Ende doch impfen lassen. Denn das wäre ein wichtiger Beitrag, um die Viruszirkulation einzudämmen. Die Risiken sind erwiesenermaßen wesentlich kleiner als der Schaden, den das Virus anrichten kann.
Von Dunstabzugshauben und Boosterimpfungen
Einige Leitartikler beschäftigen sich mit den jüngsten Tipps, die das Institut für Volksgesundheit Sciensano mit Blick auf die Endjahresfesttage ausgegeben hat.
"Das ist zwar alles gut gemeint, aber es wirkt doch sehr wie ein Anfall von 'Regulitis'", krittelt Het Laatste Nieuws. Immer neue Regeln! Und die wirken manchmal doch schon sehr absurd. So empfahl etwa der Sciensano-Virologe Steven Van Gucht, dass man – wenn man Gäste hat – idealerweise auch die Dunstabzugshaube einschalten sollte, um eine gute Ventilation zu gewährleisten. Solche Empfehlungen lenken aber nur ab! Statt über Selbsttests zu reden, witzelte gestern die halbe Welt über Van Guchts Dunstabzugshaube. Davon abgesehen, dass eine Litanei von "Tipps" die Regelmüdigkeit noch erhöht. Die Behörden sollten sich um die Booster-Impfungen kümmern. Die Organisation des Weihnachtsfestes bis hin zur Dunstabzugshaube oder der Frage, ob's nun Fondue oder doch Raclette sein soll, sollte man doch bitte den Familien überlassen...
Vorsicht mehr denn je unabdingbar
De Morgen sieht das doch etwas anders. Auf die reine Eigenverantwortung der Bürger zu setzen, hat sich mehr als einmal als Irrweg erwiesen. Noch im November wollte die Politik den Menschen harte Einschränkungen nach Möglichkeit ersparen. Diese "sanfte" Vorgehensweise hat aber nicht die gewünschten Resultate geliefert, was dazu führte, dass die Politik kurz darauf nachjustieren musste. Und damit ging am Ende noch mehr Vertrauen verloren. Das soll kein Plädoyer für harte, blinde Maßnahmen sein, sondern schlichtweg für eine vorausschauende Politik: Rechtzeitig handeln, um weniger Energie und Glaubwürdigkeit mit Notbremsen zu vergeuden. Und es sieht nun mal so aus, als würde die Pandemie mit der Omikron-Variante in eine neue Phase eintreten. Wir können denn auch lachen über Van Guchts Dunstabzugshauben-Empfehlung. Doch die dem zugrunde liegende Botschaft ist eigentlich die richtige: Wenn wir mit dem Virus leben wollen, dann werden wir uns entsprechend vorsichtig verhalten müssen. Wenn's auch schwerfällt...
Roger Pint