"Die Impfpflicht steht bald auf der Agenda", so der große Aufmacher bei De Standaard zum nächsten Konzertierungsausschuss, der am 22. Dezember stattfinden soll. "Jambon will schon lockern", fasst Het Laatste Nieuws die Absichten des flämischen Ministerpräsidenten bezüglich eben dieses Treffens zusammen. "Jambon will Kultursektor schon wieder öffnen – selbst die eigenen Koalitionspartner sind überrascht von seinem Vorschlag", ergänzt Het Nieuwsblad.
L'Avenir vergleicht Jambon mit einem Wetterfähnchen und bekommt angesichts seines neuesten Vorstoßes den Drehwurm: Er will also die Einschränkungen für den Kultur- und Veranstaltungssektor aufheben. Maßnahmen, die er beim letzten Konzertierungsausschuss quasi im Alleingang erzwungen hat – das war vor gerade mal sechs Tagen! Wohl maßgeblich auf Betreiben seines Parteivorsitzenden Bart De Wever, seines Zeichens auch Bürgermeister von Antwerpen. Der letzte Konzertierungsausschuss hinterließ vor allem den Geschmack eines Kuhhandels zwischen dem Norden und dem Süden des Landes und hat fast alle sauer gemacht: die Wissenschaftler, die betroffenen Sektoren und auch die Bevölkerung. Und nicht zuletzt diverse politische Parteien, die sich jetzt von der N-VA reingelegt fühlen, die ganz Belgien um den Antwerpener Bauchnabel rotieren lässt. Was für eine Heuchelei mal wieder von Jambon, wütet L'Avenir.
Egoismus hat viele Gesichter
De Standaard kommt auf die Patentdebatte rund um die Corona-Impfstoffe zurück: Die WHO will den Code eines Vakzins knacken lassen, um besagtes Präparat selbst produzieren und verteilen zu können. Damit würde sich die Organisation hart an der Grenze zur Illegalität bewegen. Das ist das Ergebnis des Widerstands der Pharmaindustrie und vor allem auch der Europäischen Union plus Großbritannien und der Schweiz, die Patente temporär aufzuheben, damit Länder vor allem in Afrika und Asien endlich in den Genuss von westlichen Impfstoffen in ausreichenden Mengen kommen könnten. Deutschland ist hierbei einer der größten Blockierer. Die Argumente, die hierfür von diesen Ländern ins Feld geführt werden, überzeugen nicht. 105 Länder, darunter die Vereinigten Staaten, unterstützen die Initiative zur zeitweisen Aufhebung der Corona-Vakzin-Patente. Auch hier im Westen werden wir nur sicher sein, wenn die ganze Welt sicher ist, erinnert De Standaard.
Das Virus wird sich weiter ausbreiten, solange es nicht gelingt, das Virus auch in den ärmeren Ländern dieser Erde einzudämmen, betont auch das GrenzEcho. Außerdem wird es auf seinem Weg immer wieder mutieren. Und damit die Wirkung der aktuell zugelassenen Impfstoffe immer neu herausfordern. Und womöglich irgendwann bezwingen. Es ist schon erstaunlich festzustellen, wie schnell die guten Vorsätze, die wir fassten, als wir glaubten, das Ärgste dieser Pandemie hinter uns zu haben, keinen Wert mehr haben. Egoismus hat viele Gesichter, so das GrenzEcho.
Eine rote Linie überschritten
Sehr hohe Wellen schlägt aber in Belgien vor allem der Atomausstieg. Der N-VA-Vorsitzende Bart De Wever hatte die föderale Groen-Energieministerin Tinne Van der Straeten gestern öffentlich beschuldigt, den französischen Energiekonzern Engie bestochen zu haben, damit der in Belgien die Kernkraftwerke schließt. De Wever bezieht sich dabei auf Subventionen für Gaszentralen von Engie, die ja ein essenzieller Bestandteil der Strategie für den Atomausstieg wären.
De Wever scheint an Gedächtnisverlust zu leiden, kommentiert De Morgen. Bevor die N-VA auf föderaler Ebene in die Opposition gegangen ist, hat sie selbst das Subventionssystem für Gaszentralen mit ausgearbeitet und abgesegnet. Ein ganz anderes Kaliber ist aber noch, politische Gegner öffentlich als Kriminelle zu bezeichnen. Denn Bestechung ist eine Straftat, auf die in Belgien bis zu 15 Jahre Gefängnis stehen. De Wever bleibt für seinen sehr schweren Vorwurf jegliche Belege schuldig. Die föderale Energieministerin hatte den Wettbewerb um die Subventionen öffentlich ausgeschrieben. Jeder, der ein Projekt für den Atomausstieg hatte, konnte sich bewerben. Und Engie hat eben gewonnen. Wenn De Wever seine Anschuldigungen nicht mit harten Fakten untermauern kann, hat er eine rote Linie überschritten, indem er eine demokratisch gewählte Ministerin beschuldigt, Straftaten begangen zu haben, nur weil ihm ihre Politik nicht gefällt, urteilt De Morgen.
Die Wortwahl De Wevers ist mehr als unanständig, schreibt De Tijd. "Bestechung" ist ein Begriff, der Teilen der Bevölkerung suggeriert, dass sich die Ministerin persönlich bereichert hätte. Mit seinen Äußerungen schürt der N-VA-Vorsitzende die Stimmung der Antipolitik – ausgerechnet in einer Zeit, in der viele Menschen schon sehr wütend auf den gesamten Politikbetrieb sind. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass es eine verantwortliche und rationale Politik gewesen wäre, die Laufzeit der zwei jüngsten Kernreaktoren doch noch zu verlängern – und nicht ausschließlich auf erneuerbare Energien zu setzen. Das würde dabei helfen, die Klimaziele der nächsten Jahrzehnte zu erreichen und unsere Versorgungssicherheit erhöhen. Aber die Energieministerin hat diesen "Plan B" nie ernsthaft vorbereitet, meint De Tijd.
Der Epilog der Nuklear-Saga ist in Sicht
Nach 18 Jahren und diversen Regierungen beginnen wir endlich klarer zu sehen in puncto Atomausstieg, hält L'Echo fest. Inzwischen deutet wirklich fast alles darauf hin, dass wir uns endlich dem Epilog der Nuklear-Saga nähern. Aber auch wenn das eigentlich alle wissen, muss die Föderalregierung ihre Position noch offiziell bestätigen. Und in diesem Theater, dieser Posse muss man sagen, kann man Überraschungen ja nie komplett ausschließen. Aber auch jenseits davon stehen uns noch viele Herausforderungen bevor. Das atomare Abenteuer hat uns schon vor schwierige Entscheidungen gestellt. Und das post-atomare Abenteuer beginnt gerade erst. Belgien täte gut daran, sich auf diese Herausforderungen zu konzentrieren, anstatt sich wegen widerstreitender Ideologien zu zerfleischen. Lasst uns hoffen, dass das Land das Beste aus den Möglichkeiten macht, die sich ihm bieten werden, so L'Echo.
Boris Schmidt