„Immer weiter auf dem Weg zur dritten Impfung für alle“, titelt heute De Standaard. „Dritte Impfdosis für immer mehr Geimpfte empfohlen“, schreibt Le Soir. „Eine zusätzliche Impfdosis für knapp zwei Millionen Belgier“, so la Libre Belgique.
Die Aufrischungsimpfung, die sogenannte Boosterimpfung für alle, ist ein Thema auf den Titelseiten einiger Tageszeitungen. Neben den Menschen mit schwachem Immunsystem, den Über-65-Jährigen und dem Gesundheitspersonal wollen die Gesundheitsminister des Landes morgen entscheiden, dass auch anderen Menschen eine dritte Impfung empfohlen wird. In den Kommentaren und Leitartikeln rücken aber andere Aspekte in den Vordergrund.
„L‘Avenir“ kritisiert zum Beispiel die Entscheidung, dass die Regierungen des Landes angesichts steigender Covid-Patienten auf den Intensivstationen erst am 19. November zu einem nächsten Konzertierungsausschuss zusammenkommen. Es ist unverständlich, dass Gesundheitsminister Vandenbroucke in der Kammer behauptet, es gebe eine dringende Pandemiesituation, eine angstmachende Rede hält, die auf realen Zahlen beruht, und nicht ankündigt, dass man sich schnell treffen will, um eine Entscheidung zu treffen. Und es wird sicherlich nicht dazu führen, dass die Bürger und Unternehmen die Maßnahmen, die ergriffen werden müssen, um die Ausbreitung des Virus zu stoppen, mittragen. Wenn man beispielsweise darauf hinweist, dass Homeoffice dringend empfohlen wird, es aber trotz der raschen Verschlechterung der Gesundheitssituation nicht zwingend vorgeschrieben werden soll, so bedeutet dies, dass man die Verantwortung auf dieselben Bürger und Unternehmen überträgt. Die meisten von ihnen haben sich jedoch nichts vorzuwerfen, da sie alle Maßnahmen, die in den letzten achtzehn Monaten eingeführt wurden, bereitwillig akzeptiert haben.
Nicht der richtige Weg
Auch die frankophone Wirtschaftszeitung L‘Echo schießt sich auf Gesundheitsminister Vandenbroucke ein. In den letzten anderthalb Jahren haben wir gelernt, mit dem Virus zu leben. Vor allem die Unternehmen haben Systeme eingerichtet, die es ihnen ermöglichen, ihre Tätigkeit fast normal fortzusetzen. Die Instrumente sind vorhanden und wir haben gelernt, sie zu nutzen. Eine Rückkehr zur obligatorischen Telearbeit, wie sie der Gesundheitsminister vorschlägt, scheint uns daher nicht der richtige Weg zu sein. Dabei werden die Anstrengungen, die viele Unternehmen tagtäglich unternehmen, um ein vernünftiges Management der Gesundheitsrisiken zu ermöglichen, nicht ausreichend berücksichtigt. Homeoffice kann zwar vor dem Virus schützen, ist aber auch ein wichtiger Faktor für die soziale und berufliche Entfremdung. Diese Realität sollte nicht übersehen werden.
Stichwort Maßnahmen: Het Nieuwsblad zitiert Sciensano-Virologe Steven Van Gucht. Der blickt nach eigenen Aussagen angesichts der oft unterschiedlichen Corona-Regeln selbst oft nicht mehr durch. Er nennt da insbesondere die Regeln in den flämischen Primarschulen. Die Zeitung kommentiert: Waren die Regeln am Anfang geradlinig und oft zu streng, ist daraus inzwischen ein Potpourri geworden, in dem die Vorlieben und Belange von allen Beteiligten in einen Pott geschmissen werden. Maßnahmen werden nur dann befolgt, wenn sie deutlich sind. Ihre Unterstützung ist auch eine Frage von Kohärenz und langfristigen Absprachen.
Kein wirtschaftlicher Nutzen
Die flämische Wirtschaftszeitung De Tijd beschäftigt sich unterdessen mit dem Mangel an Arbeitskräften. Der Personalmangel wird so langsam zu einem Problem, vor dem die Politik nicht mehr die Augen verschließen darf. Jeder zweite Betrieb kämpft damit, während 450.000 Menschen arbeitslos sind und eine halbe Million langzeitkrank. Auf der Suche nach neuen Mitarbeitern locken die Unternehmen mit Zusatzprämien, höheren Löhnen und interessanten Arbeitsbedingungen. Doch wenn sie damit nur Arbeitnehmer von anderen Unternehmen abwerben, ist das keine Lösung für den Mangel auf dem Arbeitsmarkt. Es treibt die Lohnkosten nach oben, die Arbeitnehmer reiben sich die Hände, aber einen breiten wirtschaftlichen Nutzen hat es nicht. Es kommt vor allem darauf an, denjenigen, der jetzt noch an der Seitenlinie steht, ins Spiel zu kriegen. Das ist nicht einfach.
Keine Kompanie von Faschisten
Einige Zeitungen beschäftigen sich auch mit dem Bericht des Komitee R, das im Zuge der Affäre um Jürgen Conings die Radikalisierung innerhalb der belgischen Armee untersucht hat. Demnach gibt es unter den 25.000 Soldaten fünf möglicherweise gewalttätige Rechtsextreme. La Dernière Heure meint dazu: Wir sind weit davon entfernt, eine komplette Kompanie von Faschisten zu sein, die den Staat destabilisieren wollen, wie einige uns glauben machen wollen. Natürlich müssen diese Personen so schnell wie möglich entfernt werden, aber dieser besonders niedrige Prozentsatz sollte uns beruhigen. Nein, die belgische Armee stiftet keine Staatsstreiche an, um die Macht zu übernehmen, sie dient einer Flagge, die sie ehrt. Es sind nicht ein paar schwarze Schafe, die das Image einer ganzen Institution trüben sollten.
Volker Krings