"Flämische Klima-Einigung in letzter Minute – 2023 Renovierungspflicht für gekaufte energiehungrige Häuser, 2026 kein Erdgas mehr für Neubauten, 2029 alle neuen Autos elektrisch", fasst Het Belang van Limburg die wichtigsten Punkte des neuen flämischen Klimaplans zusammen. "Flandern wird seinen CO2-Ausstoss bis 2030 um 40 Prozent reduzieren", hebt L'Echo das Ziel der zusätzlichen Anstrengungen hervor. "Klimaplan bleibt hinter europäischem Ziel zurück", merkt aber De Morgen an.
Gestern Abend ist ein seltsames Schauspiel zu Ende gegangen, schreibt De Standaard. Tagelang war verhandelt worden, zurück bleibt der Eindruck von viel Improvisation und Chaos. Diese Vorgehensweise wird der Glaubwürdigkeit der Klimaanstrengungen der Regierung Jambon wohl kaum helfen. Streng genommen war es auch gar nicht nötig, jetzt so auf das Gaspedal zu treten, denn in Glasgow bei der UN-Klimakonferenz bestimmt Europa mit seinem ehrgeizigen "Green Deal", wo es lang geht. Auch, wenn die belgische diplomatische Schlagkraft durch die Differenzen zwischen den Teilstaaten beeinträchtigt wurde. Bisher hat Flandern wenig Konkretes vorzuweisen. Bis jetzt hat die Region eine CO2-Reduzierung von kaum sechs Prozent geschafft. Von den 216 Maßnahmen im flämischen Klimaplan werden gerade einmal 104 bisher umgesetzt. Die nächsten neun Jahre kommt also noch viel Arbeit auf Flandern zu, unterstreicht De Standaard.
Zum Glück ist politische heiße Luft kein Treibhausgas
Der flämische Klimaplan hat genau ein Verdienst: Er zeigt, wie man es nicht macht, so Het Nieuwsblad. Politische Scham ist ja schon lange ein Fremdwort geworden, deswegen können die flämischen Mehrheitsparteien nach einer Woche Geklüngel stolz ihre Klima-Einigung verkünden. Der Plan ist nicht ausgewogen, er hat kein wissenschaftliches Fundament, er bietet keinen deutlichen Fahrplan, keine finanzielle Basis, keine langfristige Vision. Und damit soll der Flame also überzeugt werden, schwierige, aber notwendige Maßnahmen zu akzeptieren. Nicht nur, dass alte Versprechungen nicht eingehalten worden sind, die flämische Regierung stapelt einfach weiter neue Versprechungen obendrauf. Wer weiß, vielleicht findet sich ja noch ein ahnungsloser Wähler, der sich von so viel unerwarteter Tatkraft beeindrucken lässt.
Das Sahnehäubchen war dann das Timing: Die flämische Regierung begann ihre Arbeit am Klimaplan, als der Rest der Welt gerade zum Gipfel in Glasgow abreiste. Erst zu diesem Zeitpunkt begriff sie die Eile; auch wenn die nicht groß genug war, um die Urlaubspläne anzupassen. Und jetzt ist die Regierung stolz auf den zusammengestotterten Plan. Zum Glück ist politische heiße Luft kein Treibhausgas, giftet Het Nieuwsblad.
Gazet van Antwerpen ist mit seiner Kritik nicht ganz so vernichtend: Es ist zwar eine bescheidene Anstrengung, aber immerhin ist es ein Anfang. Es war vor allem die N-VA, die so lange an einer Reduzierung von 35 Prozent festhielt – aber schlussendlich wurde der Druck dann doch zu groß. Der Druck aus Europa, aus der Gesellschaft, aus Glasgow und vielleicht noch am stärksten von den Folgen des Klimawandels selbst. Ja, es gibt jetzt einen flämischen Klimaplan. Aber angesichts der Wirklichkeit eines gefährlich gestörten Klimas scheint er doch blass. Hoffentlich ist er vor allem ein Anlauf zu einer wirklich neuen Politik, wünscht sich Gazet van Antwerpen.
Wer soll das alles machen?
Het Laatste Nieuws stellt sich eine ganz praktische Frage: Wer soll eigentlich die ganzen Renovierungen machen, die durch den Klimaplan schon bald notwendig werden? Schon jetzt sind Bauarbeiter und Handwerker Mangelware, die Wartezeiten kann man nur als frustrierend bezeichnen. Auf die oft so geschmähten Polen und Rumänen brauchen wir auch nicht zu hoffen. Denn auch dort steigt der Lebensstandard. Außerdem ist Belgien längst nicht das einzige Land, das händeringend nach Arbeitskräften sucht. Und das wird sich durch die europäischen Klima-Ambitionen sicher nicht verbessern. Die Regierung muss diese Berufe attraktiver machen – sowohl was die Löhne als auch das Image angeht. Das gilt übrigens auch für andere Mangelberufe, fordert Het Laatste Nieuws.
Auf dem Bau arbeiten ist hart, dreckig, man ist in der Kälte, muss früh aufstehen und es ist gefährlich – kurz gesagt: Es sind "Scheiß-Jobs". So sehen junge Menschen diese Berufe, kommentiert L'Echo. Es wird schon Einiges getan von den Arbeitsämtern, um das zu ändern. Der Bausektor selbst könnte noch mehr tun, um die Jobs aufzuwerten. Was aber viel zu wenig betont wird, das ist der gesellschaftliche Mehrwert dieser Berufe. Gerade angesichts des Wiederaufbaus nach dem Hochwasser oder der Anstrengungen für mehr Umwelt- und Klimaschutz. Könnte es nicht helfen, wenn man den jungen Menschen erzählen würde, dass sie anderen dabei helfen würden, akzeptable Unterkünfte zu finden, Kinder vor der Kälte zu schützen, zu einer Reduzierung des CO2-Ausstosses beitragen? Dass die Bauberufe also Heldenberufe sind?, fragt L'Echo.
Le Soir blickt auf den UN-Klimagipfel selbst: Ein Beobachter hat die COP-26 mit dem Schaulaufen für die Wahl zu Miss Universe verglichen. Jeder möchte sich ehrgeizig zeigen, Garantien geben, Versprechungen machen. Einerseits zeigt das, dass der Klimawandel ernst genommen und die Notwendigkeit dringenden Handelns eingesehen wird. Aber darüber sollte man nie vergessen, dass jeder einzelne Teilnehmer die eigenen politischen, geopolitischen und vor allem wirtschaftlichen Interessen nicht aus den Augen lässt. Deswegen muss man angesichts all der großen Worte einen kühlen Kopf bewahren, genau nachrechnen und vor allem das Kleingedruckte im Vertrag genau unter die Lupe nehmen. Manche wollen zuhause handeln, verfolgen im Ausland aber eine ganz andere Politik. Manche zeigen sich in einem Sektor ehrgeizig, machen in einem anderen aber das genaue Gegenteil. Manche formulieren so schwammig, dass sie am Ende weniger tun müssen als versprochen. Manche kündigen ferne Ziele an, lassen aber die notwendigen Zwischenschritte aus. Und manche schließlich geben Ziele aus, ohne konkrete und bezifferbare Entscheidungen zu treffen. Das Klima ist auch eine Herausforderung für die Glaubwürdigkeit, betont Le Soir.
Nie wieder Normalität
Het Belang van Limburg greift Meldungen auf, dass Krankenhäuser die Behandlung von Nicht-Covid-Patienten wieder verschieben müssen. Die neue Corona-Welle überall in Europa ist nichts anderes als eine logische Folge der neuen Lockerungen der Schutzmaßregeln. Die Länder hatten sich durch die Impfungen sicher gewähnt. Eine Frage, die dringend geklärt werden muss, ist, welche Rolle die Impfverweigerer bei der erneut drohenden Überlastung des Gesundheitssystems spielen.
Einer bitteren Wahrheit müssen wir aber in jedem Fall ins Auge blicken: Wir werden nie wieder zu einer Normalität ohne Mundschutzmasken und Corona-Pass zurückkehren können, so Het Belang van Limburg.
Boris Schmidt