"Eine vierte Welle ist nicht in Sicht", titelt L'Avenir. Viele Zeitungen beschäftigen sich heute mit der aktuellen Corona-Situation. Seit einigen Tagen steigt die Zahl der Neuinfektionen sichtbar an. "Und doch liegen sie um 50 Prozent niedriger als im Oktober letzten Jahres", sagt ein Epidemiologe in L'Avenir. Mit einer vierten Welle sei also nicht zu rechnen.
"Welche Folgen werden die steigenden Corona-Zahlen haben?", "Wie schlimm ist das?", diese Fragen brennen uns derzeit allen unter den Nägeln, kann Het Belang van Limburg nur feststellen. Klar: Wir erinnern uns alle noch daran, wie die Zahlen vor exakt einem Jahr pfeilschnell durch die Decke gingen. Das führte am Ende zu einem Teil-Lockdown, der bis tief ins Frühjahr andauerte. Genau das wird diesmal nicht passieren. Das sagen nicht wir, sondern die Experten, von denen die wenigsten im Verdacht stehen, die Dinge positiver darzustellen als sie sind.
Es ist natürlich die erfolgreiche Impfkampagne, die hier den entscheidenden Unterschied macht. Wenn dadurch auch eine vierte Welle vermieden werden kann, so werden wir doch damit leben müssen, dass die Zahlen saisonbedingt manchmal eben ansteigen. Das Übel wurde nicht mit der Wurzel ausgerissen. Deswegen bleibt ein Mindestmaß an Vorsicht geboten.
Einige Vorsichtsmaßnahmen weiterhin beibehalten
L'Avenir sieht das ähnlich. Dass die Zahlen jetzt spürbar ansteigen, ist keine Überraschung. Die Schulen sind geöffnet, der Winter rückt näher: Ideale Bedingungen für die Verbreitung eines Virus. Die Frage aller Fragen lautet aber: Welche Auswirkungen wird das auf die Krankenhäuser haben? Natürlich schützen die Impfung und auch die Immunität von Genesenen in der Regel vor Komplikationen und ernsten Verläufen. Wir sollten uns aber auch nicht zu sicher fühlen. Wir wären also gut beraten, einige Vorsichtsmaßnahmen auch weiterhin beizubehalten: Eine Maske tragen, wenn's nötig ist; regelmäßig Händewaschen; möglichst Abstand halten; all das ist immer noch das kleinere Übel.
All das bedeutet freilich nicht, dass die steigende Zahl der Neuinfektionen nicht stellenweise für Probleme sorgt: "Eine Schule nach der anderen muss coronabedingt schließen", so die Aufmachergeschichte von Het Nieuwsblad. Das gilt nicht nur in Flandern, sondern so ein bisschen überall im Land.
Krankenhäuser wollen ungeimpftes Personal entlassen
"Eine Dosis des Janssen-Impfstoffes scheint nicht zu reichen", berichtet seinerseits De Standaard. Gemeint ist damit das Präparat von Johnson & Johnson. Bislang war man davon ausgegangen, dass eine Dosis ausreicht. In einigen Ländern, wie zum Beispiel Deutschland, hat man sich jetzt dazu entschlossen, diesen Menschen eine Booster-Impfung anzubieten, auch Belgien denkt darüber nach.
Bemerkenswerte Schlagzeile derweil auf Seite eins von L'Echo und De Tijd: Die Krankenhäuser wollen Impfverweigerer entlassen. Die Arbeitgeber plädieren beim föderalen Gesundheitsminister Frank Vandenbroucke für die Möglichkeit, schwere Disziplinarstrafen gegen Personalmitglieder zu verhängen, die sich partout nicht impfen lassen wollen.
"Richtig so!", meint De Tijd in ihrem Leitartikel. Dass medizinisches Personal eine Covid-Impfung verweigert, das ist und bleibt nicht nachvollziehbar. Gerade in dieser Branche dürfte das nicht mal zur Debatte stehen. Impfungen schützen Menschen. Punkt. So hart sie auch sein mag, die Haltung der Krankenhausdirektionen ist logisch und richtig. Das Wohl der Patienten steht im Vordergrund. Und wer eine Gefahr für besonders gefährdete Menschen darstellt, muss vor die Wahl gestellt werden können, ob er wirklich im richtigen Job arbeitet. Eigentlich ist es unbegreiflich, dass hier nicht längst Nägel mit Köpfen gemacht wurden.
FGTB-Urteil: ein zweischneidiges Schwert
Vor allem die frankophonen Zeitungen beschäftigen sich mit der erneuten Verurteilung von 17 FGTB-Gewerkschaftern. Der Lütticher Appellationshof bestätigte ein Urteil der ersten Instanz. Demnach wird die Blockade einer Autobahn im Rahmen einer Streikaktion als "schwerwiegende Gefährdung" des Straßenverkehrs eingestuft.
Die Wirtschaftszeitung L'Echo ist hier hin- und hergerissen. Auf der einen Seite die FGTB. Die sozialistische Gewerkschaft befürchtet, dass dieses Urteil abschreckende Wirkung haben und Arbeitnehmer von Streikaktionen abhalten könnte. Das ist wohl nicht ganz unbegründet. Andererseits darf man aber auch nicht vergessen, dass viele Unternehmen und Arbeitnehmer auch schon regelrecht als Geisel genommen wurden, etwa im Rahmen von nationalen Streiks, die sich gegen die Politik der Regierung richteten. Mit der Situation in den jeweiligen Firmen hatte das nichts zu tun. Vielleicht wäre es mal Zeit, dass Arbeitgeber und Gewerkschaften über eine Modernisierung des Streikrechts diskutieren.
Le Soir bewertet das Urteil wesentlich kritischer. Der Lütticher Appellationshof betoniert eine Rechtsprechung, die darauf abzielt, die reine Äußerung von Wut und Widerspruch in ein Korsett zu stecken. Emotionen können aber nicht immer in Bahnen gelenkt werden. Und auch die Gewerkschaftsverantwortlichen können nicht für die Empörung ihrer Mitglieder verantwortlich gemacht werden. Hier geht es letztlich auch um das Recht auf freie Meinungs-, genauer gesagt, Wutäußerung. Wer glaubt, das in Ketten legen zu können, der riskiert, dass das Pulverfass am Ende ungeordnet, anarchisch explodiert. Man denke nur an die Gelbwesten.
Roger Pint