"Überschwemmung: Regierung prüft Einsetzung von Solidaritätsfonds", titelt das GrenzEcho. "Thomas Dermine verlangt 600 Millionen von der föderalen Ebene", präzisiert L'Avenir den Vorstoß des PS-Staatssekretärs. "Überschwemmungsfonds sorgt für Spannungen in der Vivaldi-Koalition: 'Das fällt aus heiterem Himmel'", so eine Überschrift bei De Standaard.
Insgesamt wird der materielle Schaden in der Wallonie auf fast vier Milliarden Euro geschätzt, erinnert De Standaard. Von den psychologischen Folgen ganz zu schweigen.
Morgen beginnt der Herbst und auch der Winter ist nicht mehr fern – und noch immer müssen viele Flutopfer unter unsäglichen Bedingungen leben. Trotzdem hat jetzt der Streit um das Geld begonnen, angestoßen durch die Forderung von Staatssekretär Dermine nach föderaler Solidarität.
Das Problem: Dieser PS-Vorstoß war nicht innerhalb der Regierung abgesprochen, die Koalitionspartner fühlen sich erneut vor den Kopf gestoßen. Ideologische Spannungen sind schon in der DNA der Vivaldi-Koalition vorprogrammiert. Aber allen Parteien sollte klar sein, dass sie in den Flutgebieten nur gemeinsam punkten können.
Und war das nicht die große Mission von Vivaldi: Nach vier Jahren "schwedischer" Kabbelei das Vertrauen in die Politik wieder herzustellen?, fragt De Standaard.
Solidarität unter Beweis stellen
Het Laatste Nieuws kritisiert in diesem Zusammenhang Stimmen aus Flandern, die sich wieder beklagen, dass die Flamen für wallonische Probleme zahlen sollen. Der Föderalstaat sorgt für alle Belgier: Flamen, Wallonen, Deutschsprachige, Brüsseler, flämische Nationalisten, Belgizisten, gelbe, blaue, schwarze, weiße. Ja, es stimmt, dass die Flamen am meisten Einkommenssteuer bezahlen. Aber das liegt daran, dass sie die höchsten Einkommen haben.
Wenn es einen Moment gibt, um Solidarität unter Beweis zu stellen, dann jetzt. Denn was in der Wallonie passiert ist, war zum großen Teil nichts anderes als schlicht und ergreifend Pech. Was wäre denn, wenn die Deiche an der Küste brechen? Vielleicht liegt Pepinster morgen in Westflandern, gibt Het Laatste Nieuws zu bedenken.
Het Belang van Limburg stellt die Herausforderungen und Differenzen innerhalb der Föderalregierung in den Fokus seines Leitartikels: In drei Wochen, am 12. Oktober, wird Premier Alexander De Croo mit seiner "State of the Union"-Rede das neue politische Jahr in der Kammer einläuten. Darin wird er auch die zukünftige Politik darlegen. Es wird ein turbulenter Herbst werden.
Die Vivaldi-Regierung muss in den kommenden Tagen und Wochen folgenreiche Entscheidungen treffen, bei denen es um Milliarden Euro geht. Dazu gehören unter anderem die Verlängerung der Corona-Unterstützungsmaßnahmen, ein möglicher Solidaritätsfonds für die Flutopfer in der Wallonie, der Atomausstieg und allgemeiner die Energiepolitik angesichts explodierender Gas- und Strompreise und anderes. Die sieben Regierungsparteien machen sich schon bereit für nächtliche Verhandlungsmarathons, analysiert Het Belang van Limburg.
DG-Zukunftspläne und wallonisches Corona-Chaos
Das GrenzEcho kommentiert die Regierungserklärung von Ministerpräsident Oliver Paasch im Parlament der DG: Dass die Regierung der Deutschsprachigen Gemeinschaft nicht ambitioniert wäre und sich nicht auf das Managen der Krisen konzentriert hätte, die immer schneller aufeinander zu folgen scheinen, kann man ihr sicher nicht vorwerfen. Allerdings wünscht man sich, dass die zahlreichen Zukunftsprojekte so schnell wie möglich umgesetzt werden.
Klar: Die Coronakrise und die Jahrhundertflut managt man nicht, während man den ersten Morgenkaffee genießt. Das erklärt sicher auch, wie Regierungschef Oliver Paasch plausibel machte, dass das eine oder andere Projekt etwas ins Hintertreffen geraten sei.
Begrüßenswert ist, dass die Regierung sich nicht in der Krise hinter dem Argument der Kleinheit versteckt hat, um Schneckenhauspolitik zu betreiben. Stattdessen hat sie einen ambitionierten Zukunftsplan auf den Tisch gelegt, lobt das GrenzEcho.
Le Soir seinerseits blickt auf die Wallonie – allerdings im Kontext des Corona-Krisenmanagements: Kaum ist die Losung "Jeder entscheidet für sich selbst" ausgegeben worden, scheint schon das Chaos zu herrschen. Man hat den Eindruck, dass es in der Wallonie jetzt 36 Ebenen gibt, die darüber entscheiden, wie das Virus im Süden des Landes bekämpft werden soll.
Die bisherige Bilanz des regionaleren Krisenmanagements kann man nur als verstörend, peinlich und verwirrend bezeichnen – gerade angesichts der Dringlichkeit der epidemiologischen Situation. Was es braucht, ist die kohärente Anwendung eines Grundprinzips: diagnostizieren, handeln, kommunizieren – und zwar mit Klarheit, damit das Ganze auch effizient ist, fordert Le Soir.
Sexismus bloßstellen und angehen
Gazet van Antwerpen greift die Ergebnisse einer Untersuchung über Sexismus gegen Politikerinnen in Sozialen Medien auf: Manchmal sind es reine Sexisten, die unfähig sind, Frauen gegenüber Respekt zu zeigen. Manchmal sind es auch Menschen, die bestimmte Begriffe benutzen, ohne sich bewusst zu sein, wie beleidigend sie sind.
So was kann nur passieren, wenn es in einer Gesellschaft eine unterschwellige sexistische Grundströmung gibt. In den Sozialen Medien tritt diese Grundströmung dann ungeniert zutage. Das wiederum führt zu einer Verstärkung des Sexismus in der realen Alltagswelt – ein Teufelskreis.
Es reicht nicht, dass Politikerinnen die gegen sie gerichteten Beleidigungen in den Sozialen Medien teilen und die Täter damit konfrontieren. Vielmehr müssen die Betreiber der Sozialen Netzwerke Sexismus aufspüren und etwas dagegen tun. Sexismus muss systematisch bloßgestellt und angegangen werden – im täglichen Leben, in der Schule, bei der Arbeit und auch in den Medien, unterstreicht Gazet van Antwerpen.
Boris Schmidt