"Das Chaos", titelt Le Soir. "Chaos in Kabul", so die Schlagzeile von Het Belang van Limburg. "Chaos und Exodus", schreiben L'Echo und De Tijd auf Seite eins.
In der afghanischen Hauptstadt Kabul ist im wahrsten Sinne des Wortes die Hölle los. Die radikalislamischen Taliban haben ja am Wochenende die Macht übernommen. Am Flughafen von Kabul spielten sich dramatische Szenen ab. Menschen versuchten, doch noch an Bord eines Flugzeugs zu gelangen. "Verzweiflungsflucht", titelt lapidar Het Nieuwsblad. "Jeder will weg aus Afghanistan", notiert Gazet van Antwerpen. "Sie sind so verzweifelt, dass sie auf Flugzeuge klettern und ihren Tod dafür in Kauf nehmen", schreibt Het Laatste Nieuws auf Seite eins. Zu sehen ist ein schreckliches Foto, auf dem man erkennen kann, wie ein Afghane in den Tod stürzt, der sich an einem amerikanischen Flugzeug festgehalten hatte.
"Belgien steht jetzt in Afghanistan vor einer schweren Evakuierungsmission", schreibt De Morgen auf Seite eins. Militärflugzeuge sollen die Belgier aus dem Land herausholen; und auch die sogenannten Ortskräfte, also Menschen, die insbesondere die belgischen Soldaten bei ihrer Arbeit in Afghanistan unterstützt haben. La Libre Belgique bringt es auf den Punkt: "Rette sich wer kann in Kabul".
Die Bilder aus Afghanistan wirken wie aus einem Albtraum, meint La Libre Belgique in ihrem Leitartikel. Junge Menschen, die aus dem Land fliehen wollen, weil sie nicht das gleiche erleben möchten wie ihre Eltern unter der Herrschaft der Taliban. Die sich an Flugzeugen festklammern, und dann, kurz nach dem Start, in den Tod stürzen. Und das alles nur wegen eines strategischen Fehlers der USA und ihres Präsidenten Joe Biden. Wobei: Hier sollte man nicht die Europäer vergessen, die dem Ganzen ohnmächtig zuschauen müssen. Fakt ist: 20 Jahre nach Beginn des Krieges haben die Taliban gewonnen. Diese Tatsache lässt in der westlichen Welt das Blut in den Adern gefrieren. Während China und der Iran Chancen wittern. Bei alledem kann einem speiübel werden.
Afghanische Ortskräfte: Warum hat Belgien so lange gewartet?
Het Laatste Nieuws sieht das ähnlich. Die Bilder von den verzweifelten Afghanen haben sich in unsere Netzhaut eingebrannt. Sie zeigen die absolute Ratlosigkeit und das Scheitern des Westens nach einer Militärpräsenz von 20 Jahren. Eine bittere Pille. Dies aber vor allem für die afghanische Bevölkerung, die sich verraten und im Stich gelassen fühlt. Jetzt gilt offensichtlich wieder die Maxime: "Jeder für sich". Sogar bei der Evakuierung der Landsleute und Ortskräfte. In Belgien war man am Sonntag wohl noch im Sommerschlaf, während andere schon ihre Rettungsmissionen losgeschickt hatten. Jetzt ist die Gefahr groß, dass wir die Ortskräfte im Stich lassen müssen; also insbesondere die Übersetzer, die unsere Soldaten in den letzten 20 Jahren bei ihrer Arbeit unterstützt haben. Frage an die Damen und Herren Dedonder, Mahdi und Wilmès: Wo sind diese Männer und Frauen?
De Morgen stellt sich dieselbe Frage: "Warum haben wir unsere Ortskräfte nicht längst aus Afghanistan rausgeholt?" Schon vor vier Monaten hatte man damit begonnen, nach Lösungen für diese Menschen zu suchen. So weit wir wissen befinden sich die meisten von ihnen aber immer noch in Afghanistan. Frankreich hat in der Zwischenzeit über 600 seiner afghanischen Helfer mit ihren Familien ausgeflogen. Unsere Übersetzer stehen womöglich noch auf dem Flugfeld von Kabul und warten sehnlichst auf einen Platz in einem belgischen Flugzeug, das aber erst noch aufbrechen muss. Im besten Fall. Denn man darf davon ausgehen, dass die Taliban alles tun, um diese Leute aufzuspüren...
Die Naivität der USA und die Verantwortung Europas
Bei alledem wirkt aber auch die Haltung des amerikanischen Präsidenten Joe Biden ausgesprochen zynisch, kritisiert Le Soir. Zynisch, um nicht zu sagen unbarmherzig. Schon vor zehn Jahren hatte er laut einem Pressebericht erklärt, dass ihm das Schicksal der Frauen und Mädchen in Afghanistan "ziemlich egal" sei. Er wollte den Krieg am Hindukusch beenden, koste es, was es wolle; im wahrsten Sinne des Wortes. Vielleicht kann Biden diesen Schandfleck in den nächsten Monaten zumindest innenpolitisch wieder vergessen machen. Vielleicht kann er den Rückzug aus Afghanistan bei den Zwischenwahlen im kommenden Jahr sogar zum Wahlkampfargument ummünzen. Das wird ihn aber nicht von seiner Verantwortung für die sich anbahnende Tragödie freisprechen.
Die strategische Fehleinschätzung in Afghanistan kann Joe Biden noch teuer zu stehen kommen, glaubt seinerseits De Standaard. Der schnelle Vormarsch der Taliban, der Sturz der afghanischen Regierung und das anschließende Chaos: all das wirft einen ersten Schatten auf die Präsidentschaft. "Wie konnte sich die Supermacht USA von einer Bande wild gewordener afghanischer Milizen so hinters Licht führen lassen?", diese Frage wird sich Joe Biden wohl noch länger gefallen lassen müssen. Klar: Es war sein Amtsvorgänger Donald Trump, der diesen Prozess zur Beendung des Krieges in Gang gesetzt hatte. Die politische Verantwortung für das Chaos der letzten Tage liegt aber bei der heutigen Administration. Um an der Wahlurne nicht bestraft zu werden, muss Biden jetzt um jeden Preis innenpolitisch punkten.
Doch auch in Europa werden wir die Konsequenzen aus dem Fiasko ziehen müssen, mahnt L'Echo. Erstmal müssen wir jetzt unsere Verantwortung übernehmen. Indem wir etwa Flüchtlingen aus Afghanistan Schutz gewähren. Parallel dazu werden wir den Kampf gegen die terroristische Bedrohung noch intensivieren müssen. Denn durch den Sieg der Taliban in Afghanistan wird der internationale Dschihadismus wohl wieder neuen Auftrieb bekommen. Doch werden wir uns auch die Frage stellen müssen, ob es richtig war, den Amerikanern blindlings zu folgen, einer Strategie, die uns letztlich in dieses neue Saigon gebracht hat. Nie haben die europäischen Partner versucht, die Strategie anzupassen. Europa muss lernen, militärisch auf eigenen Füßen zu stehen. Nicht mehr nur darüber reden, sondern es endlich auch tun!
Vandenbroucke will eine Impfpflicht für Pflegekräfte
Es gibt dann doch noch ein weiteres Thema in den Zeitungen: "Vandenbroucke plädiert jetzt doch für eine Impfpflicht für Pflegepersonal", schreiben Het Laatste Nieuws, das GrenzEcho und auch Het Belang van Limburg. In den Köpfen sei man jetzt bereit für eine solche Maßnahme, meint der föderale Gesundheitsminister.
Das ist absolut logisch, ist Het Nieuwsblad überzeugt. Nirgendwo ist die Impfung so wichtig wie in den medizinischen und Pflegeberufen. Schließlich kümmern die sich Tag ein, Tag aus um geschwächte Patienten. Deswegen ist die Forderung nicht nur logisch, sondern sogar überfällig. Denn es gibt eigentlich nicht sehr viele Argumente, die gegen eine Impfpflicht für Pflegekräfte sprechen. Hier hat man eigentlich Zeit verloren. Wer im medizinischen Bereich oder in der Altenpflege arbeitet, der weiß, dass er eine enorme Verantwortung trägt. Und da gibt es überhaupt keinen Grund, unnötige Risiken einzugehen...
Roger Pint
Die Machtübernahme durch die Taliban ist natürlich ein großer Gesichtsverlust für die Nato.In erster Linie ein Imageproblem.Aber es gibt auch Vorteile.Die westlichen Regierungen sind etwas gebremst in ihrem missionarischen Eifer, den Neoliberalismus weltweit zu verbreiten.Sie sind nun gezwungen, wieder vor der eigenen Haustür zu kehren, dh Politik zum Wohl der eigenen Bevölkerung zu machen.Die Nato muss sich auf ihre Kernaufgabe der Verteidigung des eigenen Territoriums zurückbesinnen und offensive Schritte Richtung Osten unterlassen.Das ist noch nie gut ausgegangen.Die Herren Hitler und Bonaparte haben diesbezüglich schlechte Erfahrungen gemacht.