"Sintflut" titeln heute gleich mehrere Tageszeitungen. "Und heute nochmal so viel", prophezeit Het Nieuwsblad. De Morgen hingegen stellt fest: "Immer mehr Wetterextreme". Und De Standaard präzisiert "Der Niederschlag des Klimawandels".
Die außergewöhnlich heftigen Regenfälle über Teile Belgiens beherrschen heute die Titelseiten der Inlandspresse. Vor allem die Provinzen Lüttich, Namur und Luxemburg sind betroffen. Die Katastrophenpläne wurden ausgerufen. Die Zwischenbilanz: Drei Todesfälle, überflutete Innenstädte, Tausende Menschen, die vorübergehend ihr Zuhause verlassen mussten, Hunderte abgebrochene Pfadfinder- und Jugendlager. Und heute soll es weitergehen.
Seit dem 1. Juni sind in Ukkle schon mehr als 180 Millimeter Regen gefallen, berichtet De Morgen. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr waren es im ganzen Sommer 168 Millimeter. Klimawissenschaftler sehen einen Zusammenhang mit der Klimaerwärmung. Dadurch könne die Atmosphäre mehr Wasser aufnehmen. Hinzukommt, dass durch eine ungünstige Wetterkonstellation, die Regenwolken tagelang über dasselbe Gebiet drehen. Und solche Konstellationen würden auch aufgrund eines wärmeren Klimas in Zukunft öfters vorkommen, so die Wissenschaftler.
Kopernikanische Revolution im Gange
Dazu passt ein weiteres großes Thema, dass heute einige Zeitungen auf ihren Titelseiten aufgreifen. Der Green-Deal, also das Klimapaket der Europäischen Union. Gestern hatte die EU-Kommission ihren Plan vorgestellt, wie sie bis 2050 klimaneutral werden will. Darin stehen rund ein Dutzend Vorschläge und Absichtserklärungen. Keine neuen Verbrennerautos mehr ab 2035. Steuer auf den Flugzeugtreibstoff Kerosin und die Erweiterung des CO2-Emmissionshandels auf Schiff- und Straßenverkehr und Gebäudeheizung. "Vergrünen oder bezahlen, für alle", fasst De Standaard die Konsequenzen kurz und knapp zusammen. Denn eine CO2-Abgabe für Autos und Häuser würden auch die Bürger im Portemonnaie spüren.
Die Wirtschaftszeitung L'Echo kommentiert: Anderthalb Jahre nachdem die EU-Kommission einen Green Deal versprochen hatte, hat sie jetzt geliefert. Das Klimapaket erweist sich als sehr ambitioniert. Und explosiv. Die Vorschläge zwingen die europäische Industrie zu einer grundlegenden Veränderung. Es ist eine kopernikanische Revolution im Gange. Europa kann es sich aber nicht erlauben, diese Revolution im Alleingang zu verabschieden, ohne mit der Unternehmenswelt zusammenzuarbeiten. Und sie muss es vermeiden, sich von einer Bevölkerung zu entfremden, die in der Pandemie schon genug gelitten hat. In einer sich immer schneller entwickelnden Welt, muss sie ihre Entscheidungen pädagogisch begleiten. Ansonsten droht das Scheitern.
Ambitioniert aber unausgewogen
Das GrenzEcho findet das Klimapaket auch ambitioniert, aber nicht ausgewogen. Ja, die Reduzierung des CO2-Ausstoßes macht auch hier Sinn. Aber der Fokus mancher Politiker auf den Verbrennermotor zielt am Thema vorbei und riecht schwer nach reiner Symbolpolitik.
In Brüssel fokussiert man sich mal wieder auf ein Problem, das sich von selbst lösen wird. Elektro-Autos werden über kurz oder lang PKW mit Diesel- oder Benzinmotor verdrängen. Ganz abgesehen, von der Landwirtschaft, die man in Europa gerne in puncto Umweltbilanz übersieht, wäre die EU auch gut beraten, ihr Augenmerk stärker auf die Energieproduktion zu legen. Die macht immerhin circa 40 Prozent des Gesamt-CO2-Ausstoßes in der EU aus, alle PKW mal gerade zwölf. Statt Maßnahmen ins Schaufenster zu stellen, die sich von selbst erledigen, würde die EU besser endlich Rahmenbedingungen schaffen, damit eine nachhaltige, sichere und bezahlbare, sozialverträgliche Energieversorgung in Europa Realität wird.
Das Unvermeidliche sofort anpacken
De Standaard beschäftigt sich in seinem Leitartikel mit dem Haushaltsdefizit. Gestern hatte das Monitoringkomitee verkündet, dass es in diesem Jahr mit knapp 38 Milliarden Euro fünf Milliarden Euro höher ausfällt als ursprünglich veranschlagt. Dazu schreibt die Zeitung: Die jüngsten Zahlen machen deutlich, dass die finanziellen Folgen der Corona-Krise nicht so schnell verblassen werden. Das aufgelaufene Defizit wird größer und hartnäckiger sein, als es selbst die Pessimisten befürchtet hatten. Die Hoffnung, dass ein zurückkehrendes Wirtschaftswachstum das Haushaltsloch wie von selbst schließen wird, scheint vergebens. Und das Problem der Überalterung ist auch nicht verschwunden.
Eine Zeit lang konnten Politiker aller Ebenen nichts falsch machen, wenn sie viel Geld ausgaben. Diese Zeit nähert sich ihrem Ende. Ein Zurück zu der Zeit, als jeder Euro dreimal umgedreht werden musste, ist mühsam. Aber eine goldene Regel für solche Fälle lautet: Wenn etwas unvermeidlich ist, dann packe es lieber sofort an.
Volker Krings