"Aus der Traum", titelt das GrenzEcho auf Seite eins. "Belgien 1 - Italien 2: Noch ein zerbrochener Traum", schreibt La Dernière Heure über einem Foto des buchstäblich am Boden liegenden Romelu Lukaku. "Leider nicht gut genug - Mutige Teufel stranden gegen stärkeres Italien", betrauert auch Het Nieuwsblad das EM-Aus der Roten Teufel im Viertelfinale gegen Italien.
Dieses EM-Viertelfinale wird in die Geschichtsbücher als die "Gläserne Decke" dieser Generation der Roten Teufel eingehen, kommentiert L'Avenir. Sie haben über die notwendigen Stärken verfügt, sowohl individuell als auch als Mannschaft, um es besser zu machen. Wir haben heute Morgen den Nachgeschmack des Unvollendeten im Mund. Trotz aller Erfolge und Anstrengungen dieser "Goldenen Generation" ist klar geworden, dass ihre Kraftreserven nicht unerschöpflich sind. Das nächste große Ziel ist jetzt die Weltmeisterschaft 2022. Belgien mag zwar aus der Europameisterschaft raus sein, aber das bedeutet nicht, dass diese Generation ihre Suche nach einem Titel aufgeben wird. Roberto Martinez sollte Trainer bleiben und es noch einmal versuchen. Denn diese Geschichte ist noch nicht vorbei, ist L'Avenir überzeugt.
"Nur" Fußball?
Für La Dernière Heure war die Begegnung ein Spiel unter Hochspannung, das schon Tage zuvor begonnen hatte. All die Interviews, Vorhersagen, der Krimi um den Einsatz von Hazard und De Bruyne - das hat schon im Vorfeld für eine Dramaturgie gesucht, die den Freitag bis zum Anpfiff noch mehr als sonst in die Länge gezogen hat. Was für ein Stress! Studien beweisen, dass der Blutdruck der Fernsehzuschauer während der Spiele in die Höhe schnellt und dass es auch leider zu viel mehr Hetzattacken als normal kommt.
Es war aber trotzdem einfach unmöglich, am Freitag stoisch zu bleiben und ruhig wie ein buddhistischer Mönch. Die Leidenschaft für den Fußball ist allesverzehrend und erfasst sogar Bevölkerungsschichten, die sonst wenig damit am Hut haben. Ein verweigerter Elfmeter, ein gehaltener Ball, ein Foul oder gar ein Tor der Gegenseite - das lässt unsere Pumpe einfach explodieren. Aber wir sollten uns in Erinnerung rufen, dass es trotzdem "nur" Fußball bleibt und dass unser Leben nicht davon abhängt. Ja, Fußball kann unser Blut in Wallung bringen - aber nicht so sehr wie Pizza mit Ananas oder halbgare Fritten in Rinderfett, so La Dernière Heure mit einem Augenzwinkern.
Nicht kurz vor der Ziellinie die Hände vom Lenker nehmen
Neben Fußball bleibt aber vor allem das Coronavirus weiter ein wichtiges Thema: Für Millionen Belgier wird der Sommer dank der Impfkampagne fantastisch werden, freut sich etwa De Morgen. Stück für Stück drängen die Vakzine den Einfluss des Virus auf unser Leben zurück. Und doch hören wir aus dem Ausland beunruhigende Nachrichten: Portugal führt wieder nächtliche Ausgangssperren ein, Spanien wird auf den Karten immer röter. Südafrika muss für zwei Wochen in einen harten Lockdown. In Brasilien wütet die Pandemie grauenhaft unter den indigenen Völkern.
Eine Lehre, die wir ziehen müssen, ist, dass wir auch in den kommenden Monaten vorsichtig bleiben müssen. Wenn wir die Hände jetzt vom Lenker nehmen, können wir so kurz vor der Ziellinie noch sehr böse stürzen. Der föderale Gesundheitsminister Frank Vandenbroucke hat absolut Recht, wenn er vor zu enthusiastischem Reisen in diesem Sommer warnt. Reisen muss natürlich möglich sein, aber unter sicheren Bedingungen. Und für die muss die Politik sorgen - mit kohärenten Richtlinien, die schnell an sich verändernde Situationen in Europa und darüber hinaus angepasst werden können. Allerdings lässt der politische Hickhack zwischen den Ebenen des Landes und die Nicht-Einigung in puncto strengere Portugal-Regeln wenig Gutes erwarten, so resigniert De Morgen.
"Jeder Affe auf seinem eigenen Ast"
Reisende, die aus Portugal zurückkommen, müssen sich also nicht testen lassen. Vandenbroucke hat den Kürzeren gezogen gegen die Regionalregierungen des Landes, resümiert Gazet van Antwerpen. Die Ministerpräsidenten Jan Jambon und Elio Di Rupo warten auf eine europäische Entscheidung. Die Lage ist offenbar nicht ernst genug für zusätzliche Maßnahmen. Oder besser gesagt: noch nicht ernst genug. Auch wenn niemand mehr Negativnachrichten oder Forderungen nach Vorsicht hören will, stellen wir die Frage trotzdem: Ist denn ein einfacher Test für Belgier, die aus Portugal zurückkehren, wirklich eine so schreckliche Einschränkung ihrer Freiheit? Ist das wirklich ein Anschlag auf den europäischen Gedanken des freien Personenverkehrs? Warum sollen wir denn auf die europäische Ebene warten? Jedes Land hat doch schon jetzt eigene Regeln für Reisende. Worauf warten wir also in Gottes Namen noch mit dieser sehr begrenzten Maßnahme? Müssen wir erst wieder orange Zone werden, bevor gehandelt wird? Müssen wir darauf warten, bis das Haus lichterloh in Flammen steht, bevor wir anfangen zu löschen? Die Politiker, die es nicht wagen, jetzt diese relativ kleine Entscheidung zu treffen, setzen das Reisevergnügen Tausender Menschen aufs Spiel, wettert Gazet van Antwerpen.
Erst haben sich die acht Gesundheitsminister des Landes darüber gebeugt, dann die Föderalregierung und schließlich noch drei Regionalregierungen - um am Ende zu beschließen, dass nichts beschlossen werden kann, weil sich die Regierungen nicht einig sind, giftet auch Het Laatste Nieuws. "Morgen ist ja auch noch ein Tag", sagt ein portugiesisches Sprichwort. Die Regierungen wollen am 16. Juli einen neuen Anlauf nehmen. Da werden die Sommerferien zu einem Viertel rum sein und mindestens 150 Flüge von Belgien nach Portugal gegangen sein. Hier kann man ein anderes portugiesisches Sprichwort anbringen: "Jeder Affe auf seinem eigenen Ast", im Sinne von: Jeder hat einen eigenen, klar definierten Verantwortungsbereich. Wenn es in Belgien klare Zuständigkeiten anstatt der über die verschiedenen Ebenen kopierten Befugnisse gäbe, dann wäre uns allen gedient, kritisiert Het Laatste Nieuws.
Boris Schmidt