"Riesenerfolg", freut sich La Dernière Heure. "Das Königspaar macht es wieder", jubelt Het Laatste Nieuws zu einem Foto von Romelu Lukaku und Kevin De Bruyne. "Mit weißer Weste ins Achtelfinale – Rote Teufel gewinnen 2:0 gegen Finnland", fasst das GrenzEcho den belgischen Fußballabend zusammen.
Während dieser sportliche Erfolg die Schlagzeilen beherrscht, befassen sich die Leitartikel vor allem mit zwei anderen Themen.
In einer Märchenwelt gefangen
"Föderale Staatsanwaltschaft bestätigt: Flüchtiger Conings richtete sich selbst", titelt etwa das GrenzEcho. Der Gerichtsmediziner hat bestätigt, was seit Sonntag vermutet wurde, kommentiert das Het Belang van Limburg. Jetzt, wo das wissenschaftlich nachgewiesen ist, ist dieser Aspekt also auch abgehakt. Aber anstatt dass nun Ruhe einkehren würde – auch um der Angehörigen Conings willen –, machen im Internet die wildesten Verschwörungstheorien die Runde. Die jeder, aber wirklich jeder Grundlage oder Sachkenntnis entbehren. Die Suche nach Conings war allein schon angesichts der Größe des Nationalparks die sprichwörtliche Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Die Lügenmärchen der Verschwörungstheoretiker haben in den vergangenen Tagen ein fast schon belustigendes Paradox offengelegt: Einerseits glauben diese Menschen, dass Regierung, Polizei, Armee und Justiz vollkommen unfähig sind. Gleichzeitig sollen sie aber auch so gerissen sein, eine große Verschwörung um den Tod Conings ausgetüftelt zu haben. Das ist fast zum laut Loslachen. Wenn es denn nicht so beängstigend wäre zu sehen, wie Menschen sich so einfach von Lügen und Geschwafel in die Irre führen lassen. Wenn es an greifbaren, konkreten Schuldigen mangelt, suchen viele nach Sündenböcken und verfallen Verschwörungstheorien. Das trifft auch auf die Coronakrise zu. Wenn die ganze Affäre Conings etwas zeigt, dann wie groß die Gefahr wird, wenn größere Gruppen der Gesellschaft in einer Märchenwelt gefangen sind, warnt Het Belang van Limburg.
In den Vereinigten Staaten glauben Millionen Menschen, dass die Wahlen manipuliert worden sind, um Trump aus dem Weg zu räumen. Hierzulande glauben jetzt manche Menschen, dass Jürgen Conings nicht Selbstmord begangen hat, sondern auf Befehl "höherer Mächte" erschossen worden ist, so Gazet van Antwerpen. Zum Beispiel durch die Armee, weil Conings angeblich "zu viel wusste". Über so etwas diskutieren zu wollen ist entmutigend sinnlos, weil diese Menschen wider alle Tatsachen an ihrem Glauben festhalten und alles, was dem entgegenläuft, als persönliche Angriffe auf sich auffassen und alle Einwände einfach beiseite wischen oder herunterspielen. Die Sympathisanten Conings' weigern sich aber vor allem, eines zu sehen, und zwar den Kern der Sache: Es gibt eine absolute Grenze zwischen Worten und Gewalt, zwischen Meinungsverschiedenheiten und körperlicher Vergeltung, zwischen Debatten und Säbelrasseln, kritisiert Gazet van Antwerpen.
Das Kind beim Namen nennen
Die unmittelbare Gefahr eines Terroranschlags mag mit der Entdeckung der Leiche gebannt sein, schreibt De Morgen. Das gilt allerdings nicht für das Risiko einer Wiederholung der Geschichte. Zumindest nicht, so lange die Fehler im System nicht behoben worden sind, die Verteidigungsministerin und die Armeeführung werden hier noch einiges zu tun haben. Aber die wichtigste und schwierigste Frage ist die gesellschaftliche: Eine kleine, aber nicht marginale Gruppe verehrt Conings als Held, als Kämpfer gegen das System. Und die nach Umfragen potenziell größte Partei des Landes befeuert diese Verehrung noch. Ganz so, als ob es keine Morddrohungen gegeben hätte, als ob keine Armeewaffen gestohlen worden seien, ganz so, als ob es keine Drohungen gegen eine Moschee gegeben hätte. Wer Helden erschafft, der hofft auf Nachahmer. So ist das beim Dschihadismus, so wird das auch bei Jürgen Conings sein. Der Blick ins Ausland lehrt: Rechtsextremer Terror, der Opfer fordert, wird immer wahrscheinlicher. Wer dieses Kind nicht beim Namen nennt, der verschließt die Augen vor der Gefahr, mahnt De Morgen.
Die Gefahr klopft an unsere Türen
Zweites großes Thema ist die erste Runde der Regionalwahlen in Frankreich. Zwei von drei Franzosen haben es nicht für nötig gehalten, wählen zu gehen, greift das La Dernière Heure auf. Ein trauriger Rekord, der viel aussagt über den Zustand der westlichen Demokratien. Und wir sollten nicht naiv sein: Gäbe es hierzulande keine Wahlpflicht, dann wären unsere Werte genauso schlecht. Der Graben zwischen der politischen Klasse und der Bevölkerung wird immer größer. Da haben auch die Coronakrise und das Misstrauen über die langanhaltenden, strengen Schutzmaßregeln nicht geholfen. Wenn der Bürger nicht mehr an seine Politiker glaubt, dann klopft die Gefahr an unsere Türen. Die Gefahr, zur Beute von Populisten jeglicher Couleur zu werden mit ihren grob vereinfachenden und geschickt eingefädelten Diskursen. Oder die Gefahr, alles aufs Spiel zu setzen mit einer Revolution mit ungewissem Ausgang, sorgt sich La Dernière Heure.
Die unterirdische Wahlbeteiligung liefert in der Tat Stoff zum Nachdenken, räumt Le Soir ein. Aber man muss vorsichtig sein mit zu schnellen und zu einfachen Schlussfolgerungen. Erstens sind diejenigen, die sich vor Ort, in ihrer Region, vor allem in der Gesundheitskrise für ihre Bürger engagiert haben, von den Wählern gewürdigt worden. Zweitens sieht man daran, dass drei Viertel der Wähler Marine Le Pens nicht zur Urne gegangen sind, dass Grenzüberschreitungen und Co. ihre Grenzen haben. Und schließlich: Zur Wahl wird gegangen, wenn wirklich etwas auf dem Spiel steht und klar ist, was. Die Wahl in Frankreich sollte auch uns daran erinnern, dass die Politik ein Werkzeug ist, um die Gegenwart zu verbessern und die Zukunft zu schmieden. Und nicht, um anderen Steine in den Weg zu legen, den Fortbestand einer Partei zu sichern oder sein eigenes Ego zu bauchpinseln, meint Le Soir.
Boris Schmidt