"Die PS vollzieht eine halbe Kehrtwende in der Kopftuchdiskussion", titelt De Morgen. "Die PS hat Stellung bezogen, ohne die Frage nach dem Platz des Kopftuchs in der Verwaltung endgültig zu klären", schreibt La Libre Belgique auf Seite eins.
Konkret geht es um die Frage, ob Frauen, die im Staatsdienst arbeiten, ein muslimisches Kopftuch tragen dürfen oder nicht. Entzündet hat sich der Streit in Brüssel: Die Nahverkehrsgesellschaft Stib hatte die Bewerbung einer Frau abgelehnt, weil diese ein Kopftuch trägt. Die Frau hatte wegen Diskriminierung geklagt und ein Gericht hat ihr Recht gegeben.
PS-Präsident Paul Magnette hat sich jetzt dazu geäußert; aber eben nicht so ganz. Seiner Ansicht nach kann man im Staatsdienst unter Umständen ein muslimisches Kopftuch dulden, aber nur, wenn die betreffende Person keinen Kundenkontakt hat.
Kopftuch-Diskussion: Die PS konzentriert sich auf praktische Fragen
Eigentlich kann man die Stellungnahmen der verschiedenen Parteien zur Kopftuch-Problematik nur begrüßen, meint Le Soir in seinem Leitartikel. Denn viel zu lange herrschte hier die Feigheit vor, wollte man die heiße Kartoffel bloß nicht anfassen. Sogar die PS hat sich jetzt mal positioniert; und gerade die frankophonen Sozialisten haben sich in der Frage des Kopftuchs immer bedeckt gehalten.
Das Problem ist nur, dass die Debatte eigentlich denkbar unglücklich begonnen hat. Die liberale MR und auch die Grünen von Ecolo haben sich nicht gerade von ihrer diplomatischsten Seite gezeigt, sondern sind ruppig durch die Vordertür gestürmt. Die PS hat sich ihrerseits auf allzu praktische Aspekte konzentriert, was zur Klärung der Grundsatzfrage auch nicht wirklich etwas beiträgt. Hoffentlich sind all das nicht die Vorzeichen eines neuen Aufschubs. Wenn die demokratischen Parteien diese Debatte nicht führen, dann müssen sie sich nicht wundern, wenn am Ende die Extremisten den Kompass für sich beanspruchen und für die Bürger zum Norden werden.
Het Belang van Limburg kann der Position der PS seinerseits etwas abgewinnen. Die frankophonen Sozialisten haben einen nuancierten Standpunkt eingenommen und damit werden sie der Problematik gerecht. Auf der einen Seite sind wir hier nämlich nicht in England, wo Kopftücher und Turbane im Staatsdienst nie ein Problem waren. Auf der anderen Seite sind wir hier auch nicht in Frankreich, wo die Neutralität des Staates und die Betonung der Laizität auf die Spitze getrieben werden. Wir hier in Belgien müssen unseren eigenen Weg finden. Vielleicht kann Deutschland da als Vorbild dienen. Dort darf eine Lehrerin ein Kopftuch tragen, eine Richterin aber nicht, weil in dieser Funktion absolute Neutralität vonnöten ist. Insgesamt ist das keine einfache Debatte. Aber wenn wir sie führen wollen, dann sollte man bitte möglichst schnell Nägel mit Köpfen machen.
Tod bei Studententaufe: Eine Schlacht um Verfahrensregeln
"Der Sanda Dia-Prozess verzögert sich wieder", titelt derweil Gazet van Antwerpen. "Womöglich wird das Verfahren um Monate verzögert", präzisiert Het Laatste Nieuws auf Seite eins. Der Prozess dreht sich um eine Studententaufe, die für den 20-jährigen Sanda Dia tödlich geendet hat. Die Ratskammer von Hasselt muss entscheiden, wer von den 18 Beschuldigten sich vor einem Strafgericht verantworten muss. Einer der Anwälte hat jetzt einen Befangenheitsantrag gegen den Richter gestellt. Beobachter sehen das als reines Verzögerungsmanöver. "Der Sanda-Dia-Prozess droht zur Schlacht um Verfahrensregeln zu geraten", so die Schlagzeile von Het Nieuwsblad.
In dieser Geschichte hätte man sich ein bisschen mehr altmodischen Anstand gewünscht, meint Het Laatste Nieuws. Zum gestrigen Termin vor der Ratskammer von Hasselt war die ganze Familie von Sanda Dia gekommen. Seine Angehörigen hatten sich endlich einige Antworten auf ihre vielen offenen Fragen erhofft. Stattdessen war die Sitzung schon nach einer Viertelstunde wieder beendet. Da muss man als Mutter oder Vater des Opfers schon ziemlich abgehärtet sein, um angesichts einer solchen Entwicklung nicht die Fassung zu verlieren. Es ist das gute Recht der Verteidigung, einen Befangenheitsantrag zu stellen. Nur hätte man die anderen Prozessparteien auch vorwarnen können, wie das häufig auch geschieht. Damit hätte man der Familie des Opfers diesen schmerzhaften öffentlichen Dämpfer ersparen können. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Aber jeder Tag ohne Antworten tut weh.
Het Nieuwsblad sieht das ähnlich. Der Verteidiger mag sogar noch gute Gründe für sein Manöver gehabt haben, er hätte zumindest die Opferanwälte über seine Absichten in Kenntnis setzen können. Letztlich schadet sich die Verteidigung aber nur selbst; und den Beschuldigten. Die Anwälte hatten kürzlich noch beklagt, dass ihren Mandanten schon im Vorfeld des Gerichtsverfahrens auf dem Marktplatz der Prozess gemacht werde. Und das nur, weil die Beschuldigten "aus gutem Hause" kommen. Nun, durch Manöver wie dem gestrigen wird dieser Eindruck nur noch untermauert. Ebenso wie das dumpfe Gefühl, dass es vor Gericht eben nicht nur um die Suche nach der Wahrheit geht.
Wasserstoff statt Benzin: gute Alternative oder Wunschdenken?
De Standaard beschäftigt in seinem Leitartikel mit dem neuerlichen Hype um Wasserstoff. Plötzlich spricht jeder von Wasserstoff, dem vermeintlichen Heiligen Gral im Kampf gegen den Klimawandel. Und der Gedanke, dass ein Auto allein Wasserdampf ausstoßen könnte, der klingt in diesen Tagen natürlich besonders attraktiv. Man vergisst aber, dass die Herstellung von Wasserstoff aufwendig, ineffizient und teuer ist. Und das macht Wasserstoff nur sehr bedingt zu einer Lösung für all unsere Probleme. Politiker sollten das im Hinterkopf haben, wenn es um die Frage der Bezuschussung von scheinbar zukunftsträchtigen Wasserstoffprojekten geht. Die Probleme nach dem Platzen der Photovoltaik-Blase sollten uns doch eine Lehre sein.
Die Wirtschaftszeitungen De Tijd und L'Echo kommen heute noch einmal zurück auf die Einigung der G7, wonach weltweit eine Mindeststeuer von 15 Prozent für Multinationals erhoben werde soll.
"Mindeststeuer mit maximaler Ambition", so bringt es De Tijd auf den Punkt. Endlich wollen die wichtigsten Industrienationen der Welt mal ein Gegengewicht bilden zu den Multinationals; das war längst überfällig. Zwar wird das wohl dem belgischen Fiskus keine wirklich astronomischen neuen Einkünfte bescheren. Hier geht es aber ums Prinzip: Man muss die schwer greifbaren Megaunternehmen in ihren entfernten Steuerparadiesen wieder mit der realen Welt verbinden.
Noch ist das Ganze aber nicht durch, warnt L'Echo. Bislang ist es nicht mehr als eine Einigung zwischen den sieben größten Industrienationen. Jetzt wird man erstmal die G20-Staaten überzeugen müssen; allen voran China. Und dann wird sich auch die EU positionieren müssen. Das geht nur einstimmig und jeder weiß, dass Länder wie Irland oder Ungarn gerade in dieser Frage querschießen könnten. Es steht zu hoffen, dass das Umdenken auch bei denen angekommen ist, die von den bisherigen Praktiken profitiert haben.
Roger Pint