"Ziel schon erreicht: 491 belegte Betten", freut sich Het Nieuwsblad. "Unter 500 Patienten auf den Intensivstationen: Die Freiheit winkt", so auch der große Aufmacher bei Gazet van Antwerpen. "Wir sind auf dem Weg raus aus dem Covid-Tunnel: der Beweis in zehn Zahlen", kündigt La Dernière Heure auf Seite eins an.
Trotz offener Schulen und Terrassen, illegaler Corona-Partys und Festen von Fußballfans liegen heute weniger als 500 Corona-Patienten auf den belgischen Intensivstationen. Das ist eine magische Schwelle, meint Het Belang van Limburg. Dadurch können sich die Krankenhäuser besser um die Nicht-Covid-Patienten kümmern und kann das Gesundheits- und Pflegepersonal endlich etwas Atem schöpfen. Mittlerweile sind auch 80 Prozent der Senioren und Risikopatienten geimpft worden. Die zweite Voraussetzung für die nächsten Lockerungen der Corona-Schutzmaßregeln ist also auch erfüllt. Und damit wird der 9. Juni zu einem wichtigen Tag bei unserem Plan zur Rückgewinnung der Freiheit. Das grüne Licht des Konzertierungsausschusses am nächsten Freitag scheint eigentlich nur noch eine Formalität zu sein. Und damit ist es Zeit, an die nächsten großen Herausforderungen zu denken: unser mentales Wohlbefinden und die wirtschaftliche Erholung des Landes, erinnert Het Belang van Limburg.
Ehrgeiz tut not
Auch für Het Nieuwsblad sind die 500 Patienten eine magische Grenze. Der 9. Juni wird zu einem Meilenstein werden. Ein Meilenstein, der es verdient, zumindest in bescheidenem Rahmen gefeiert zu werden. Die Zahlen sind aber kein Wunder. Sondern vor allem das Ergebnis monatelanger, gemeinschaftlicher harter Arbeit und gewisser Entbehrungen. Das beweist auch, dass die Kritiker am Rand - die Impfgegner und die, die meinten, den Rebellen geben zu müssen -, Unrecht hatten. Unsere Freiheit wird noch Einschränkungen kennen. Und der Weg wird noch holprig werden. Aber dennoch ist das ein großer Schritt in Richtung eines wieder normalen Lebens. Der Impfgrad wird aber eine Achillesverse bleiben. Und die weiter geltenden Regeln müssen von den Menschen auch nachgelebt werden. Denn in den nächsten Monaten in der Größenordnung von 500 Intensiv-Patienten zu bleiben, würde bedeuten, mit dem Risiko eines Rückfalls zu flirten. Da müssen wir ehrgeiziger sein, fordert Het Nieuwsblad.
Licht und Schatten im Horeca-Sektor
Lange Zeit hatte man das Schlimmste für den Horeca-Sektor geahnt, rekapituliert La Dernière Heure. Glücklicherweise scheint es aber so, als ob das Blutbad, vor dem viele Angst hatten, ausgeblieben ist. Auch wenn natürlich leider nicht alle die Krise überlebt haben und andere die Gelegenheit genutzt haben, um sich etwa zur Ruhe zu setzen. Es ist also sicher nicht alles rosig. Und es wird Monate dauern, bis die Kassen wieder gefüllt sein werden. Aber die gute Nachricht ist eben, dass der Horeca-Sektor durchgehalten hat. Trotz der oft als unzureichend kritisierten Unterstützungsmaßnahmen. Und etwas anderes ist auch deutlich geworden: Die Belgier haben während der Corona-Krise weder ihren Sinn für gute Sachen noch für Geselligkeit eingebüßt, freut sich La Dernière Heure.
Am 9. Juni sollen nach acht Monaten Warten und Unsicherheit endlich die Bars und Restaurants wieder öffnen dürfen, beschäftigt sich auch La Libre Belgique mit dem Horeca-Sektor. Aber als ob ihr Schicksal nicht ohnehin schon schwer genug gewesen wäre, müssen sich die Betroffenen in den letzten Tagen weiter mit schwammigen und unklaren Regeln herumärgern. Statt übereinstimmender und sicherer Informationen müssen sie sich mit Gerüchten zufriedengeben. Und so lange sie nichts mit Bestimmtheit wissen, fürchten sie mögliche Regelungen. Der Mangel an Entscheidungen und präzisen Informationen wird logischerweise als Verachtung empfunden. Es ist eine weitere Episode in dieser Kommunikationskrise, die besonders im Horeca-Sektor für Chaos gesorgt hat. Der Sektor verdient Anerkennung und braucht klare Perspektiven. Die Mitglieder des Konzertierungsausschusses müssen aufwachen und den Gastronomen die Chance geben, wieder unter den bestmöglichen Bedingungen loslegen zu können. Das ist nicht nur wichtig für ihr Geschäft, sondern auch für zahllose reguläre und Studentenjobs, unterstreicht La Libre Belgique.
Von Karotten und Eseln
L'Avenir kommt auf den Impfgrad zurück: Das nächste Ziel einer Impfung von 60 Prozent aller Erwachsenen bis zum 1. Juli scheint nicht unmöglich. Denn dieser Wert entspricht dem Anteil der Bevölkerung, der sich schon seit dem Beginn der Impfkampagne immunisieren lassen will. Aber es wird mehr nötig sein, um die nächsten Ziele zu erreichen: 70 Prozent einmal geimpft bis Anfang August und das zweite Mal geimpft im September, um eben die angestrebte Herdenimmunität zu erreichen. Die Gesundheitsbehörden werden entsprechend das Prinzip Zuckerbrot und Peitsche anwenden müssen, um die zahlreichen Unentschlossenen zu überzeugen. Das Hauptargument ist hier natürlich die Freiheit, gefolgt vom Schutz der Gesundheit. Das greift vor allem bei den älteren Menschen und denen mit Vorerkrankungen. Sich fürs Reisen impfen lassen zu müssen macht hingegen keinen Sinn. Denn eine Impfung verhindert nicht eine Übertragung des Virus, deswegen wird auch weiter ein PCR-Test notwendig bleiben. In diesem Sinn ist das Covid-Zertifikat nichts anderes als eine Karotte, um einen widerspenstigen Esel zu locken. Eine Karotte, die notwendig ist, um die Unentschlossenen zu erreichen und sie dazu zu bewegen, sich solidarisch zu verhalten. Aber eine Karotte, die vielleicht nicht das Wiederaufflammen der Pandemie durch Varianten wird verhindern können. Und wenn sich die Karotte als verfault herausstellen sollte, dann wird man den Esel selbst mit der Peitsche nicht mehr vom Fleck bekommen, so L'Avenir.
Boris Schmidt