"Impfprivilegien stoßen auf politischen Widerstand", titelt heute Het Belang van Limburg. Haben geimpfte Menschen Anspruch auf Privilegien? Die Debatte nimmt in Belgien gerade an Fahrt auf.
Die Frage ist schwierig, gesteht die Zeitung De Tijd. Aber zunächst einmal bleibt festzustellen, dass mit sinkender Zahl der Infektionen ohnehin vieles für alle möglich wird. Und je schneller die Impfungen voranschreiten, desto leichter kann die Diskussion um Impfprivilegien vermieden werden. Bei politischen Entscheidungen muss es dann darum gehen, übermäßig diskriminierende Praktiken zu vermeiden. Das sollte machbar sein, denn es sind mehrere Eintrittskarten in das Reich der Freiheit denkbar. Die erste ist ein Impfpass. Aber genauso gut könnte ein Nachweis der Immunität - für diejenigen, die die Krankheit gehabt haben - oder der Nachweis eines negativen Tests ein solches Ticket darstellen.
Immer im Kopf behalten müssen wir außerdem, dass das wirkliche Privileg der Geimpften ist, dass sie jetzt geschützt sind. Ein wenig Solidarität mit denen, die das noch nicht sind, ist nicht zu viel verlangt, findet De Tijd.
Diese Argumente sprechen gegen Privilegien für Geimpfte
Das einzige Argument dafür, die Regeln für niemanden zu lockern, ist, dass dann eine Kontrolle der Maßnahmen unmöglich würde, meint Het Nieuwsblad. Und jeder weiß, dass auch das ein Trugschluss ist. In der Praxis werden geimpfte Menschen natürlich mehr gegen die jetzt geltenden Maßnahmen verstoßen, und nicht geimpfte Menschen nach und nach ebenso. Das Ziel der Solidarität war es, die Risikogruppen zu schützen. Wenn dieser Zwang aufgehoben wird, hören die Regeln auf zu existieren. Auch das Argument der Solidarität ist ein Trugschluss. Denn es ging darum, Opfer zu bringen, um gemeinsam zu gewinnen. Verbote, die niemandem nützen, helfen da nicht, konstatiert Het Nieuwsblad.
Vor allem junge Menschen haben viele Freiheiten aufgeben müssen für eine Krankheit, die sie kaum betrifft, merkt De Morgen an. Doch gerade die ältere Generation, auf deren Schutz die Maßnahmen abzielen, nähert sich nun allmählich dem Reich der Freiheit. Ist das unfair und sollte es deshalb keine "Impfprivilegien" geben? Von Privilegien kann eigentlich keine Rede sein. Freunde und Familie umarmen zu können, in die Kneipe zu gehen, abends mit dem Hund spazieren: Das ist in erster Linie eine Rückkehr zum normalen Leben. Ist es richtig, dass eine Regierung einem großen Teil ihrer Bevölkerung weiterhin diese Grundfreiheiten vorenthält, im Wissen, dass ein solcher Eingriff rein symbolische Wirkung hat?
Das wochen- oder monatelange Einsperren von geimpften Menschen in ihren Wohnungen wird das Leben der übrigen Bevölkerung in keiner Weise verbessern. Die Lösung versteckt sich irgendwo in der Mitte: eine teilweise, aber allgemeine Lockerung der aktuellen Corona-Regeln später im Frühjahr, wenn alle älteren und gefährdeten Menschen geschützt sind, schreibt De Morgen.
Ansturm auf das Impfportal Qvax führt zu langen Wartezeiten
Eine Gesellschaft der zwei Geschwindigkeiten fühlt sich ungerecht an, stellt Het Belang van Limburg fest. Nicht zuletzt für die jungen Menschen, die unfreiwillig am Ende der Impfschlange stehen. Sie haben das geringste Risiko, müssten aber die Maßnahmen am längsten einhalten. Das ist unhaltbar und wäre der Todesstoß für die bereits stark erodierte Unterstützerbasis, wie die Vorfälle im Bois de la Cambre letzte Woche gezeigt haben. Die dauerhafte Schließung von Kultur- und Gastronomiebetrieben ist sicher keine Lösung. Außerdem sollte ein Impfstoff nicht der einzige Weg sein, um Zugang zu Privilegien zu erhalten. Wenn Corona-Tests für alle zugänglich sind, wäre das vertretbar und fair, schlägt Het Belang van Limburg vor.
La Dernière Heure kommt auf die langen Wartezeiten beim Impfportal Qvax zu sprechen. Seit gestern haben sich hunderttausende Belgier dort auf der Reserveliste für Corona-Impfungen eingetragen – oder dies zumindest versucht. Nach Masken, Kontaktnachverfolgung und Impfstoffbeschaffung ein weiteres Versagen der Behörden in der Krise?
Nicht so schnell. Erst einmal ist grundsätzlich positiv anzumerken, dass der Andrang so groß ist. Impfstoffskeptizismus ist anscheinend doch nicht so weit verbreitet. Eine große Mehrheit der Bevölkerung ist bereit, sich gegen die Krankheit zu immunisieren. Dass es anfangs technische Probleme gibt, ist auch verständlich. Wie so häufig in dieser Pandemie gilt es nun einfach, Geduld zu haben – und zu hoffen, dass es in ein paar Monaten gar keine Reserveliste mehr braucht, weil genug Impfstoff für alle zur Verfügung steht, notiert La Dernière Heure.
US-Steuerpläne für Großkonzerne stoßen in der EU auf offene Ohren
L'Echo nimmt den Vorschlag von US-Finanzministerin Janet Yellen für eine internationale Mindestbesteuerung von Großkonzernen auf. Der Grund für diesen Vorstoß ist natürlich, dass die USA beabsichtigen, den Steuersatz für US-Konzerne zu erhöhen, um ihre massiven Konjunktur- und Investitionspläne zu finanzieren. Aber im Kern hat Yellen mit einer Sache Recht: Schon zu lange beklagen wir den internationalen Steuerwettbewerb. Wenn eine solche Initiative eine Chance hat, erfolgreich zu sein, dann ist es jetzt. Die USA sind unter Joe Biden wieder bereit, eine internationale Führungsrolle zu übernehmen.
Aber wie immer steckt der Teufel im Detail. Biden muss sich erst intern mit Steuererhöhungen durchsetzen. Dann braucht es internationalen Konsens. Und vor allem, wie kann diese Mindestbesteuerung mit dem Wunsch der europäischen Länder zusammenhängen, die Aktivitäten der US-Technologieriesen auf ihrem Territorium zu besteuern? Aber ohne die Amerikaner wird jedenfalls nichts geschehen, ist sich L'Echo sicher.
Peter Esser