"Die dritte Welle verhindern", titelt heute L'Echo. "Jetzt verschärfen, um Schulen und Horeca zu retten", schlägt Gazet van Antwerpen vor. "Zeit für Plan B", heißt es bei Het Laatste Nieuws. Der wegen der zu schnell steigenden Corona-Zahlen vorgezogene Konzertierungsausschuss dominiert dann auch die Leitartikel.
Déjà-vu: Wir sind am selben Punkt wie vor einem Jahr
Am Donnerstag spielten Politiker, Minister und Experten Panikfußball, so beschreibt es La Libre Belgique. Ideen flogen umher, ohne dass man wirklich wusste, wer dahintersteckte: Schließung von Schulen, Ausgangssperre um 20 Uhr, Arbeitsverbot für Kontaktberufe... Ein idealer Cocktail, um alle zu verwirren, angefangen bei den Eltern, den Jugendlichen, den Selbstständigen und so weiter.
Am Jahrestag des ersten Lockdowns befinden wir uns an derselben Stelle wie vor einem Jahr, mit dem gleichen Gefühl der Ungewissheit, mit der gleichen Anzahl belegter Betten auf der Intensivstation und mit immer noch vielen drastischen Maßnahmen. Selbst die offizielle Rhetorik hat sich nicht geändert: "Wir müssen die Maßnahmen jetzt verschärfen, um sicherzustellen, dass wir in einem Monat unsere Freiheiten zurückbekommen." Wenn auch niemand an der extremen Schwierigkeit des Managements einer solchen Krise zweifelt, ist es doch so, dass sich schlechte Kommunikation und logistische Pannen hier wie ein gut gepflegter roter Faden durchziehen, ätzt La Libre Belgique.
Wie es weitergeht, hängt von unserem Verhalten ab
Betrachtet man die Berichte von Sciensano, so gibt es zwei offensichtliche Hotspots für Infektionen: den Arbeitsplatz und die Schule, analysiert De Morgen. Der Schulbetrieb soll aber nicht weiter eingeschränkt werden, das ist politischer Konsens und wird auch von Experten unterstützt. Damit wären wir dann beim Arbeitsplatz. Die Regel, dass von zu Hause arbeiten soll, wer kann, wird immer noch häufig missachtet. Das Arbeiten von zu Hause aus hat vielleicht in normalen Zeiten seine Vorteile. Aber mit Verlaub, seit einem Jahr nur noch von zu Hause zu arbeiten, das ist ziemlich beschissen. Die soziale Isolation, in die man als Arbeitnehmer gerät, ist besonders hart. Deshalb will bestimmt niemand Vollzeit-Telearbeit für einen Tag länger als nötig. Aber wir alle wollen raus aus dieser Pandemie, nicht wahr? Wenn es Änderungen geben muss, können wir also nur hoffen, dass sie in dieser Richtung vorgenommen werden. Besser so, als wenn wir unserer Jugend die Zukunft nehmen, mahnt De Morgen.
Wo wir in den nächsten Wochen landen werden, wird nicht so sehr davon abhängen, was der Konzertierungsausschuss beschließt, sondern davon, wie wir die Regeln befolgen, unterstreicht Het Nieuwsblad. Wohlgemerkt: Regeln, deren Wirkung bereits zweimal nachgewiesen wurde. Es klingt kitschig und wurde schon so oft gesagt, aber gemeinsam können wir Schlimmeres verhindern. Alle Interessengruppen, die jetzt an die Tür der Politiker klopfen, sollten erkennen, dass sie mehr schaden als nutzen. Es sollten jetzt keine zu hohen Erwartungen an baldige Lockerungen, die im Widerspruch zu den Zahlen stehen, aufgetischt werden. Wie auch immer man es betrachtet: Bis die Impfkampagne wirklich großartige Ergebnisse bringt, werden wir diese Krise ausschwitzen müssen. Bis zum letzten Tropfen. Wie lange das dauert, hängt wiederum von jedem von uns ab, schreibt Het Nieuwsblad.
Wir sind zwischen Skylla und Charybdis
Pest und Cholera – so ist im Moment leider die Lage, klagt Le Soir. Die Pest, das sind die Corona-Ansteckungszahlen, die früher und schneller steigen, als vorhergesehen. Betroffen sind besonders junge Menschen und ihre Eltern und das gefährdet jetzt die Perspektiven, die es für einen normalen Schul- und Arbeitsalltag eigentlich gegeben hätte. Cholera, das ist die schleppend anlaufende Impfkampagne. Chaos in der Verteilung der Impfstoffe, aber vor allem deren allgemeine Knappheit, machen Sorgen. Es ist eine kalte Dusche für die Politik, die jetzt hilflos dasteht und nicht mehr recht weiterweiß. Die Impfungen sind tatsächlich der Weg. Wir haben die Zahlen untersucht und der Rückgang der Corona-Toten in Altenheimen ist spektakulär. Da hatten ja die Impfkampagnen begonnen. Das kann uns Hoffnung geben, erklärt Le Soir.
Gazet van Antwerpen kommt auf das Bekenntnis der Europäischen Arzneimittel-Agentur zum Impfstoff von Astrazeneca zu sprechen. Einige Länder hatten ja die Impfungen mit dem Mittel ausgesetzt, weil es Berichte über Blutgerinnsel im Zusammenhang mit der Impfung gab. Belgien impfte dennoch weiter. Und das war richtig. Die Vorteile des Impfstoffs gegenüber den wenigen Fällen von Nebenwirkungen standen zu keinem Zeitpunkt außer Frage. Deshalb ist die erneute Bestätigung der Sicherheit des Vakzins durch die europäischen Experten auch ein Kompliment für die belgischen Corona-Experten, die einen kühlen Kopf bewahrt haben. So haben sie das Vertrauen der Bevölkerung in den Impfstoff nicht beschädigt, meint Gazet van Antwerpen.
Der Impfstopp in anderen Ländern hat Nebenwirkungen
In Belgien haben Wissenschaft und Politik der allgemeinen Hysterie widerstanden, findet auch das GrenzEcho. Noch steht nicht überall fest, wie jene Politiker, die sich lieber hinter ihren wissenschaftlichen Beratern versteckten, statt ihrer politischen Verantwortung gerecht zu werden, die Impfkampagne in ihren jeweiligen Ländern wieder hochfahren. Fest steht aber schon jetzt der menschliche und der psychologische gesamtgesellschaftliche Schaden, den sie kollektiv angerichtet haben. Gerade jetzt wäre es wichtig gewesen, jede Impfdose so schnell wie möglich an den Mann oder die Frau zu bringen, schimpft das GrenzEcho.
Peter Esser