"Die Geständnisse von Harry und Meghan erschüttern das britische Königshaus", titelt La Libre Belgique. "Das Interview war noch explosiver als gedacht", bemerkt Het Belang van Limburg.
Das Interview, das Prinz Harry und Herzogin Meghan der US-Talkshow-Göttin Oprah Winfrey gegeben haben, sorgt auch hierzulande für dicke Schlagzeilen. "Ich wollte nicht mehr leben", dieses Zitat von Herzogin Meghan steht auf Seite eins von Het Nieuwsblad. Die Frau von Prinz Harry hatte irgendwann genug davon, ignoriert oder gedemütigt zu werden. Eine Bemerkung aus dem Königshaus hatte das Fass zum Überlaufen gebracht. Der Satz steht indirekt auf Seite eins von Het Laatste Nieuws: "Welches Mitglied der Königlichen Familie wagte es, Harry zu fragen, wie dunkel sein Kind wird?". Harry selbst wollte nicht verraten, von wem die Bemerkung stammt.
"Ist das britische Königshaus rassistisch?", fragt sich jedenfalls Le Soir auf Seite eins. "Hat das britische Königshaus ein Rassismus-Problem?", schreibt auch De Morgen.
Ein explosives Interview, aber auch ein PR-Coup
Das Ganze hat natürlich enorme Wellen geschlagen. "Buckingham-Palace in der Klemme wegen des Medienrummels", schreibt L'Echo. Das Fazit von Gazet van Antwerpen ist verbittert: "Die weinende Meghan, der seinen Vater anflehende Harry: Das Interview des Jahres kennt nur Verlierer".
Ob man sich nun für die Königshäuser Europas interessiert oder nicht: Das Interview des "Prinzen im Exil" Harry und seiner Frau Meghan ist ein Ereignis, meint La Dernière Heure. In erster Linie war es aber ein Kommunikations-Coup. Das Paar sollte sympathisch erscheinen. Denn: Wahrscheinlich gibt es am Ende doch nicht so viele Menschen, die die beiden aufrichtig bedauern. Klar: Es gehört Mut dazu, die Nabelschnur zu durchtrennen und sich von der Königsfamilie loszusagen. Das Bankkonto von Harry und Meghan dürfte das aber verkraften können. Eigentlich gilt auch für Harry und Meghan die alte Maxime, die im Hochadel die Regel ist. Die da lautet: Never explain, never complain. Man äußert sich nicht; und man beschwert sich nicht...
Dennoch: Vor allem Meghan hat da durchaus den einen oder anderen Torpedo abgefeuert, analysiert sinngemäß Le Soir. Schonungslos hat die Herzogin ihre Leiden offenbart. Brisant war vor allem die Episode, in der ein Mitglied des Königshauses seine Sorgen über die Hautfarbe des Sohnes des Paares zum Ausdruck bringt. Die post-viktorianische Reality Show hat die Debatte über den im britischen Königshaus herrschenden Rassismus neu entfacht. Wie schon nach dem brisanten Interview von Lady Diana 1995 ist jetzt auch wieder eine Atombombe im Herzen der britischen Monarchie explodiert. Nur: Wirklich erschüttern kann das die Institution wohl nicht. Das Haus Windsor muss nicht um seine Zukunft bangen. God save the Queen!
Minderjährige Homo-Mörder von Beveren wohl Wiederholungstäter
Vor allem in Flandern sorgt derweil weiter der mutmaßliche Homo-Mord von Beveren für Diskussionsstoff. Am Samstag war die Leiche eines Mannes entdeckt worden. Das Opfer war mit Hilfe einer Dating-App für Homosexuelle zum Tatort gelockt worden. Ein 16- und zwei 17-Jährige wurden festgenommen. "Drei Minderjährige sitzen wegen Homo-Mords in Haft", schreibt Gazet van Antwerpen. Anscheinend handelt es um Wiederholungstäter. "Es war schon ihr dritter Überfall auf Homosexuelle", titelt Het Laatste Nieuws. "Die Täter hatten nur ein Ziel: Homosexuelle auszurauben", schreibt auch Het Nieuwsblad.
Ausnahmslos alle Zutaten dieser traurigen Geschichte sind äußerst besorgniserregend, meint Gazet van Antwerpen: der blinde Homo-Hass als mögliches Motiv, der hinterlistige Gebrauch von Online-Kanälen, das Alter der mutmaßlichen Täter, die Tatsache, dass das wohl nicht ihr erster derartiger Überfall war, die extreme Gewalt, die sie angewendet haben. Aber, apropos: Wenn es sich wirklich um Wiederholungstäter handelt, dann stellt sich auch die Frage, wie es denn sein kann, dass sie überhaupt noch die Möglichkeit hatten, diesen neuen Überfall zu verüben. Man wird ihre Aktivitäten und Kontakte jedenfalls haarfein untersuchen müssen. Es ist bekannt, dass Homo-Hasser sich im Netz treffen und sich dort auch radikalisieren. Wir müssen nach Wegen suchen, um dafür zu sorgen, dass Jugendliche weniger empfänglich sind für verbale Gewalt und Hassreden.
In dieser Geschichte ist kein Platz für Relativierungen, meint De Standaard. Es sieht verdächtig danach aus, dass das Opfer nur wegen seiner sexuellen Gesinnung zur Zielscheibe wurde. Dabei würden wir doch so gerne glauben, dass Diskriminierung oder Gewalt gegen Menschen allein wegen deren sexueller Neigung in Belgien eigentlich ausstirbt, weil es eigentlich - zumindest rein äußerlich - kein Thema mehr ist. Nicht vergessen: Wir hatten schon einen homosexuellen Premierminister und seit kurzem auch die erste Transgender-Frau als Vize-Premier. Dieses liberale Bild, das wir von uns haben, das hält aber offensichtlich nicht immer dem Realitätscheck stand.
Der brutale Mord an David Polfliet ist ein neuer Weckruf, meint auch Het Nieuwsblad. Die einzige Schlussfolgerung, die man aus der Tragödie ziehen kann, das ist die Feststellung, dass wir noch einen langen Weg vor uns haben. So sehr wir auch das Gegenteil glauben möchten. Der Tag, an dem jeder sein Leben und seine Liebe so leben kann, wie er möchte, ohne, dass man es ihm zur Last legt oder ihn auf dieser Grundlage beurteilt, dieser Tag ist noch weit entfernt.
N-VA: scheinheilige Kritik an nächtlicher Ausgangssperre
Einige Blätter beschäftigen sich auch mit der Diskussion über die nächtliche Ausgangssperre. "Wo bleibt die wissenschaftliche Begründung für die Maßnahme?", fragt anklagend Het Laatste Nieuws. Innenministerin Annelies Verlinden konnte da am Wochenende nur Allgemeinplätze von sich geben, nach dem Motto: "Es gibt durchaus positive Effekte auf das Infektionsgeschehen". Geht es nicht mal ein bisschen genauer? Es ist wohl eher so: Es gibt eigentlich keine wirkliche Begründung für die nächtliche Ausgangssperre. Doch! Eine, aber die will man nicht aussprechen. Die da lautet: "Wir vertrauen unseren Bürgern nicht".
Die N-VA übt sich hier aber in amerikanischem Showcatchen, meint Het Belang van Limburg. Die Nationalistenpartei hat jetzt einen Gesetzesvorschlag in die Kammer eingebracht, der die Abschaffung der nächtlichen Ausgangssperre vorsieht. Wie scheinheilig ist das denn? Die Partei vergisst, dass es unter anderem ihr eigener Vorsitzender Bart De Wever war, der als einer der ersten in Antwerpen auf dieses Mittel zurückgegriffen hat. Man vergisst auch, dass der flämische N-VA-Ministerpräsident Jan Jambon bei jedem Konzertierungsausschuss mit am Tisch sitzt, also die Entscheidungen mitträgt. Der N-VA geht es wohl weniger um die Sache, sondern vor allem darum, Zwietracht zu sähen. Es ist eine Show mit hohem Zirkuspotential, bei der nichts so ist, wie es scheint.
Roger Pint