"Impfungen: Es geht nicht vorwärts", titelt anklagend La Dernière Heure. "Pleiten, Pech und zweite Dosis", so die Schlagzeile von L'Avenir. "Zweite Dosis", weil im Moment darüber nachgedacht wird, zumindest beim Astrazeneca-Impfstoff erstmal nur eine Dosis zu verabreichen. So könnte man die Impfkampagne beschleunigen.
"Der Astrazeneca-Impfstoff wirkt auch bei Über-70- und Über-80-Jährigen", schreibt seinerseits De Standaard auf Seite eins. In Belgien wird das Präparat derzeit Über-55-Jährigen nicht verabreicht. Würde man das doch tun, "dann könnte auch so die Impfkampagne beschleunigt werden", notiert La Libre Belgique auf Seite eins.
Impfkampagne: Zurück auf Start
"Wir brauchen einen Reset der Impfkampagne", darin scheinen sich die Gesundheitsminister inzwischen einig zu sein, konstatiert L'Avenir in seinem Leitartikel. Man will also einen Neustart der Impfkampagne unter neuen Prämissen. Und tatsächlich kann man nur feststellen, dass Belgien hier im Moment nicht gerade glänzt. Wobei: Blickt man in die Nachbarländer wie etwa Frankreich oder Deutschland, dann stellt man schnell fest, dass die sich auch nicht viel besser anstellen. Eine Impfkampagne eines solchen Ausmaßes, das ist nun mal ein ziemlich komplexes Unterfangen. Aber immerhin weist diese Ankündigung eines Resets darauf hin, dass die Politik eingesehen hat, dass man das Ganze auf die falschen Gleise gesetzt hat. Besser spät als nie. Fehlt jetzt noch eine gehörige Dosis Demut. So könnte die Politik vielleicht ihre Glaubwürdigkeit nochmal ein bisschen aufpäppeln.
"Der Ruf nach einer Impfpflicht im Pflegesektor wird immer lauter", können derweil Het Nieuwsblad und Gazet van Antwerpen nur feststellen. Hintergrund ist ein Ausbruch in einem Wohn- und Pflegezentrum im westflämischen Anzegem. Hier haben sich nicht alle Pflegekräfte impfen lassen und die Nicht-Geimpften stehen im Verdacht, das Virus eingeschleppt zu haben.
Das ist zwar nicht bewiesen, aber die Wahrscheinlichkeit ist gegeben, analysiert Gazet van Antwerpen. Man weiß, dass bei Nicht-Geimpften, die sich mit dem Coronavirus angesteckt haben, die Viruslast vier Mal höher ist. Heißt: Die Ansteckungsgefahr ist wesentlich größer. Für das Personal in Wohn- und Pflegezentren ist es also mindestens eine moralische Pflicht, sich impfen zu lassen. Deswegen ist es denn auch so bedauerlich, dass sich in Flandern 13 Prozent der Pflegekräfte nicht haben impfen lassen. In der Wallonie und in Brüssel liegt diese Zahl allerdings noch einmal wesentlich höher. Hätten die Bewohner des Altenheims in Anzegem dem Impfstoff nicht vertraut, dann lägen viele von ihnen jetzt wohl im Krankenhaus.
Für Impfverweigerer ist im Pflegesektor kein Platz
De Morgen nennt die Haltung der Impfverweigerer "egoistisch, dumm und riskant". Der Ausbruch im Wohn- und Pflegezentrum in Anzegem zeigt noch einmal die wesentliche, lebensrettende Bedeutung einer schnellen und effizienten Impfkampagne. Denn der Ausbruch hat noch nicht zu einer dieser großen Tragödien geführt, wie wir sie in den letzten Monaten so häufig in Wohn- und Pflegezentren erleben mussten. Dennoch: Der Vorfall befeuert jetzt wieder die Debatte über eine Impfpflicht für das Pflegepersonal. Eigentlich ist diese Frage schnell beantwortet: Natürlich sollte man das tun. Das wäre im Grunde auch nichts wirklich Neues: Es gibt schon die Pflicht für Pflegekräfte, sich gegen Hepatitis B impfen zu lassen. Wer sich das Recht herausnimmt, Impfschutz zu verweigern, der dürfte eigentlich keinen Platz im Pflegesektor haben.
Het Nieuwsblad ist noch schärfer. "Wieder eine neue kalte Dusche", beklagt das Blatt. Da ist nicht nur der Ausbruch in Anzegem. In einigen Impfzentren musste man den Impfstoff dem Erstbesten verabreichen, weil die Pflegekräfte, die geimpft werden sollten, einfach nicht erschienen sind. Das ist ein Schlag ins Gesicht für alle, die die zahllosen Tragödien in den Altenheimen erleben mussten. Mehr noch: Diese Leute befeuern damit noch die Zweifel, die viele angesichts von Impfungen hegen. Nach dem Motto: "Wenn schon die Pflegekräfte, also Profis, die Impfung verweigern, dann muss doch was an den Schauergeschichten dran sein. Unser Gesundheitssystem basiert auf wissenschaftlichen Erkenntnissen. Wer in diesem System seinen Lebensunterhalt verdient, der darf dieses Fundament nicht in Zweifel ziehen. Impfverweigerer im Pflegesektor, die sind so fehl am Platz wie Pyromanen bei der Feuerwehr.
"Wie wäre es mit ein bisschen Optimismus?", meint aber bei alledem Het Laatste Nieuws. Im Moment neigen viele dazu, das Glas halb leer zu sehen. Dabei gibt es durchaus hoffnungsvolle Entwicklungen. Zum Beispiel sieht es im Moment so aus, als erlebten wir doch nicht den Auftakt einer dritten Welle, sondern nur ein leichtes Wiederaufflackern. Die Zahl der Covid-Toten geht sichtbar zurück, was wohl auch und vor allem durch die Impfung der Altenheim-Bewohner zu erklären ist. Natürlich ist das kein Grund, morgen Polonaise zu tanzen. Aber, wenn wir Courage und Durchhaltevermögen brauchen, um die Regeln noch ein kleines bisschen länger zu befolgen, dann sollten wir nicht nur auf die Katastrophen-Meldungen hören.
Nicolas Sarkozy wegen Korruption zu Haftstrafe verurteilt
Einige Zeitungen blicken schließlich nach Frankreich: "Sarkozy, das Erdbeben", titelt Le Soir. "Ein Jahr Gefängnis ohne Aufschub für den französischen Ex-Präsidenten Nicolas Sarkozy", schreibt Het Belang van Limburg auf Seite eins. "Strenges Urteil für Sarkozy", so die Schlagzeile von L'Echo. Ein Gericht in Paris hat Sarkozy wegen Korruption zu drei Jahren Haft verurteilt, nur zwei davon auf Bewährung. Für La Libre Belgique ist jetzt schon klar: "Das ist das politische Ende für Nicolas Sarkozy". Sarkozy geht zwar in Berufung, aber ein mögliches Comeback kann er wohl vergessen, glaubt auch La Dernière Heure. Zumal das nicht die letzte Affäre ist, wegen der er sich vor Gericht verantworten muss.
Die französische Justiz hat hier auf eindrucksvolle Weise ihre Unabhängigkeit demonstriert, lobt Le Soir. Bislang galt oft der berühmte Satz von Jean de La Fontaine: "Je nachdem, ob Sie mächtig oder gering sind - die Gerichtsurteile werden Sie weiß oder schwarz machen". Das Pariser Gericht hat dieses Sprichwort Lügen gestraft, hat gezeigt, dass es vor der Justiz nicht nur um die Suche nach der Wahrheit geht, sondern vor allem um das Prinzip der Gleichheit. Niemand steht über dem Gesetz, auch nicht ein ehemaliger Staatspräsident.
Roger Pint