"Keine Spritze von Astrazeneca für Über-55-Jährige", titelt Het Laatste Nieuws. "Astrazeneca-Impfstoff nicht für Über-55-Jährige", schreibt auch das GrenzEcho auf Seite eins.
Der Hohe Gesundheitsrat hat sein Urteil gefällt über den Impfstoff von Astrazeneca. Das Präparat soll älteren Menschen also in einer ersten Phase nicht verabreicht werden. Zur Begründung hieß es, dass im Moment noch genaue Daten fehlten; und deswegen könne man schlichtweg nicht sicher sein, dass das Präparat bei Über-55-Jährigen auch wirklich gut wirkt.
Das ist zwar erstmal nur eine vorläufige Empfehlung. Dennoch bedeutet das, dass nun die Impfstrategie entsprechend angepasst werden muss. Man hatte nämlich auf den Impfstoff von Astrazeneca gesetzt. "Man sollte ihn jedenfalls nicht in den Kühlschrank stecken; stattdessen könnte man ihn Studenten verabreichen", das sagt PS-Chef Paul Magnette auf Seite eins von La Libre Belgique.
"Impfung ist kein individuelles Ticket in die Freiheit"
Wer bekommt beim Impfen Vorrang? Diese Frage beschäftigt auch heute noch einige Leitartikler. "Am Ende des Tunnels ist Gedränge entstanden", kann jedenfalls De Standaard nur feststellen. Und manchmal verliert man da das Wesentliche aus den Augen. Beispiel: In den Niederlanden hat gerade ein Experte dafür plädiert, übergewichtigen Männern über 50 Priorität einzuräumen. Gleich wurde Kritik laut nach dem Motto: "Wieso sollten Menschen mit einem ungesunden Lebensstil dafür am Ende noch belohnt werden". Aber, darum geht es nicht! Die höchste Priorität in dieser ganzen Corona-Politik, das ist immer noch, dafür zu sorgen, dass die Krankenhäuser nicht zusammenbrechen. Und nur darauf muss man auch die Impfstrategie auslegen.
Bei der Gelegenheit muss man auch noch mit einem anderen Missverständnis aufräumen: Eine Impfung, das ist kein individuelles Ticket in Richtung Freiheit. Maßgeblich ist und bleibt, die Pandemie in der ganzen Gesellschaft abzubremsen, am besten zu stoppen. Erst dann sind wirkliche Lockerungen möglich.
In der Zwischenzeit stehen uns aber noch harte Zeiten bevor, befürchtet Het Nieuwsblad. Weil man den Astrazeneca-Impfstoff erstmal sicherheitshalber nicht Über-55-Jährigen verabreichen will, muss jetzt die gesamte Impfstrategie überdacht werden. Und, wenn das alles einmal wirklich läuft, wird das Ganze auch nicht einfacher. Diejenigen, die geimpft sind, die werden nämlich Lockerungen einfordern, werden ins normale Leben zurückkehren wollen. Solange nicht klar ist, ob Geimpfte das Virus noch übertragen können oder nicht, wird das aber nicht möglich sein. Alle Bürger bei der Stange zu halten, das wird in den kommenden Monaten noch schwieriger, als es das im Moment schon ist...
"Februar, der längste Monat"
Die nächsten Wochen werden aber erstmal entscheidend sein, glaubt La Dernière Heure. Sehr bald werden wir wissen, inwieweit die neuen Corona-Varianten gefährlicher sind. Sehr bald wird sich entscheiden, ob einige Einschränkungen gelockert werden können oder nicht. Und sehr bald werden wir sehen, ob die Impfkampagne wirklich Fahrt aufnehmen kann. Der Monat Februar zählt die wenigsten Tage; und doch wird es wohl gefühlt der längste Monat sein...
"In jedem Fall sollten wir uns die Schwarzseherei mal ein wenig abgewöhnen", empfiehlt Gazet van Antwerpen. Die ewigen Warnungen und Unkenrufe schlagen aufs Gemüt. Beispiel: Die Risikobewertungsgruppe wird heute neue Maskenempfehlungen ausgeben. Das ist bestimmt fundiert und auch gut gemeint. Was aber nicht heißt, dass solche Ankündigungen dafür auch motivierend wirken müssen. Davon abgesehen: Die Experten empfehlen neben OP-Masken auch weiter Stoffmasken, während doch einige Krankenhäuser gerade im Moment Stoffmasken verbieten, unter anderem, weil sie zu selten gewaschen werden. Kohärent ist anders. Politiker und Experten wären jedenfalls gut beraten, auch mal die positiven Punkte hervorzuheben. Mit einer zentralen Botschaft: "Wenn wir diese massiven Einschränkungen noch ein bisschen länger durchhalten, dann ist das Ende dieses Albtraums nicht mehr so weit entfernt...
Ein Pandemie-Gesetz zur Stärkung der Demokratie
Apropos Einschränkungen: Im Moment arbeitet die Regierung an einer wirklich soliden rechtlichen Grundlage, die spätestens bei der nächsten Pandemie den Handlungsspielraum klar definieren soll. Gesundheitsminister Frank Vandenbroucke hat jetzt einen Entwurf für den sanitären Teil präsentiert. Die Vorlage sorgt für Kritik und sogar Unbehagen, weil der Text einigen zu weit geht.
Der Plan an sich ist jedenfalls lobenswert, meint L'Echo. Man kann nur feststellen, dass Belgien extrem schlecht auf eine Krise dieser Art vorbereitet war. Die Weltgesundheitsorganisation warnt davor, dass das nicht die letzte Pandemie gewesen ist. Erst recht vor diesem Hintergrund sollte man die Lehren aus der Vergangenheit ziehen. Ein Pandemie-Gesetz muss auf jeden Fall eine Reihe von Sicherheitsriegeln enthalten, angefangen bei einer viel strikteren Kontrolle durch das Parlament. Bei dieser Krise haben die Regierungen viel zu oft per Verordnung entschieden. Das war angesichts der offensichtlichen und außerordentlichen Notsituation zu rechtfertigen. Ein Jahr später gilt diese Entschuldigung aber nicht mehr. Erst recht nicht bei einer möglichen nächsten Pandemie.
Le Soir sieht das genauso. Hier geht es um nicht weniger als den Rechtsstaat. Noch vor einigen Tagen haben Politologen davor gewarnt, dass ohne ein Pandemie-Gesetz die Demokratie ernsthaft gefährdet sei. Die derzeitige Situation ohne klaren Rechtsrahmen sei jedenfalls eines Staates wie Belgien unwürdig. Während Innenministerin Annelies Verlinden noch an ihrem Kapitel arbeitet, hat Frank Vandenbroucke nun also seinen Entwurf vorgelegt. Der wurde schon ausgiebig kritisiert, aber das ist das eigentlich Wunderbare an diesem Text: Jeder wird jetzt im Parlament an diesem Entwurf arbeiten können. Es ist die lang ersehnte Rückkehr der öffentlichen Debatte. Ziel muss ein Gesetz aus Beton sein, dass gleichzeitig unsere Freiheiten und unser Leben schützt...
Roger Pint
„Ziel muss ein Gesetz aus Beton sein, dass gleichzeitig unsere Freiheiten und unser Leben schützt…“
... oder, die Quadratur des Kreises!
Auch ein Gesetz wird nichts daran ändern, dass eine Pandemie zwangsläufig zu freiheitlichen Einschränkungen führt.
Vielleicht sollte man damit anfangen zu definieren, was individuelle Freiheit eigentlich bedeutet.
Werter Herr Leonard.
Individuelle Freiheit ist mehr als eine Auflistung von Rechten. Es ist das ganz persönliche empfundene Freiheitsgefühl. Ist verschieden von Mensch zu Mensch, von Land zu Land, von Kultur zu Kultur.
Gut, dass endlich so ein Gesetz diskutiert wird. Schließlich sollte alles genau geregelt sein im Falle einer Pandemie. Die Rechtsstaatlichkeit muss garantiert werden, denn sonst ist der Staat unglaubwürdig. Belgien will ja keine Bananenrepublik sein.
«Auch ein Gesetz wird nichts daran ändern, dass eine Pandemie zwangsläufig zu freiheitlichen Einschränkungen führt.»
Wobei es Maßnahmen gibt, die nicht besonders wehtun, sprich unsere Bürgerrechte kaum oder gar nicht einschränken.
Ich denke hier bspw. an eine FFP2-Maskenpflicht oder vermehrte Schnelltests in Seniorenheimen.
Darüber hinaus sollte Sputnik V innerhalb der EU zugelassen werden.
In Dessau gibt es bereits eine potenzielle Produktionsstätte für die EU.
Eine mehr als 90-prozentige Wirksamkeit, da können AstraZeneca und Janssen nicht mithalten.
Außerdem müsste ein Problem angegangen werden, auf das die VRT heute hinweist: Rund die Hälfte des Pflegepersonals in wallonischen und Brüsseler Wohnheimen lässt sich nicht impfen.
«In den privatwirtschaftlich geführten Pflege- und Seniorenwohnheimen in der Wallonie und in der Brüsseler-Hauptstadtregion will sich rund die Hälfte des Personals nicht gegen das Corona-Virus Covid-19 impfen lassen. Dies meldet die flämische Tageszeitung De Standaard in ihrer Mittwochsausgabe.»
So etwas kann doch wohl nicht angehen, dass sich ausgerechnet unter dem Pflegepersonal die entschiedensten Impfgegner finden.
Herr JUSCZYK, vielleicht ist das Pflegepersonal schlauer als Sie !
Frau Schmitz, eben las ich in einer Online-Zeitung:
«Der Impfstoff von AstraZeneca schützt vor Covid-19 und offenbar auch größtenteils vor einer Übertragung des Coronavirus. Das haben Wissenschaftler der Universität Oxford herausgefunden. Die Impfung könne demnach die Übertragung des Coronavirus von Mensch zu Mensch um 67 Prozent reduzieren, heißt es in einer Studie, die im renommierten Fachmagazin The Lancet veröffentlicht wurde.»
Finden Sie nicht, dass sich das Pflegepersonal allein schon deshalb impfen lassen sollte, um Senioren und Menschen mit Behinderung vor einer Infektion zu schützen?
Das Problem scheint mir darin zu liegen, dass gerade in diesem Sektor offenbar nicht wenige ihre Informationen aus fragwürdigen Internet-Quellen beziehen, anstatt im deutschsprachigen Raum bspw. von der Webseite des RKI.
Ich stelle mir die Frage, ob angesichts der geringen Impfbereitschaft nicht eine Impfpflicht für das Pflegepersonal sinnvoll wäre, damit Bewohner/-innen von Heimen optimal geschützt werden.
Herr Jusczyk,
ich finde jeder sollte selber entscheiden aus welchen Quellen er seine Informationen nimmt und ob er sich impfen lassen will oder nicht !
Bei einer Impfpflicht werden vielleicht viele Pfleger den Dienst quittieren, dann können Sich die Bewohner nicht mehr anstecken weil eben keine Pfleger mehr da sind !