"Pfizer muss Impfstofflieferungen reduzieren", titelt L'Echo. "Nächste Woche 40.000 Impfstoffdosen weniger für Belgien", wird Het Laatste Nieuws präziser. "Verzögerung bei Lieferung von Pfizer-Impfstoffen – Grenzschließung ist eher unwahrscheinlich", liest man beim GrenzEcho.
Pfizer hat angekündigt, dass sich die Impfstofflieferungen in den kommenden Wochen verzögern werden. Nach Angaben des Pharmabetriebs ist das notwendig, um die Produktionslinien für eine danach höhere Kapazität anzupassen. Ab Februar soll dann wieder mehr geliefert werden können.
Das ist die Art von Nachrichten, die einem einen Schreck einjagen, kommentiert De Morgen. Noch wissen wir nicht, ob sich diese Verzögerung auch auf unsere Impfstrategie auswirken wird. Beruhigend ist das jedenfalls sicher nicht. Auch, weil es nicht das erste Mal ist, dass Pfizer Versprechungen nicht einhalten kann. Die ganze Geschichte zeigt, wie anfällig der Punkt Impfen ist. Und sie zeigt auch, dass wir mit beiden Füßen fest auf dem Boden der Tatsachen bleiben müssen. Begehrlichkeiten zu wecken, um politisch zu punkten, ist also auch kein guter Plan. Und doch ist genau das in den vergangenen anderthalb Wochen passiert. Quasi jeden Tag wurde eine andere Beschleunigung der Impfstrategie angekündigt.
All der so erzeugten Vorfreude hat die Ankündigung Pfizers jetzt einen Dämpfer verpasst. Und eines ist deutlich geworden: Es ist weniger eine Frage des Wollens, als des Könnens. Um impfen zu können, braucht man nun einmal Impfstoff. Wir sollten das als Lektion in Demut nehmen. Und die unbequeme Wahrheit akzeptieren: Es gibt viele Unsicherheitsfaktoren und vieles, was schief laufen kann. Es macht keinen Sinn, falsche Hoffnungen bei der Bevölkerung zu wecken, die dann in Frust enden. Das sollte sich die Politik zu Herzen nehmen.
Leck abdichten
Het Nieuwsblad befasst sich mit der Gefahr durch abweichende Coronavirus-Varianten. Diverse Sektoren sind noch immer komplett lahmgelegt. Es gelten strenge Vorgaben, damit wir Abstand zueinander halten. Aber ins Ausland reisen dürfen wir noch immer. Es wird lediglich "stark davon abgeraten". Im Augenblick gehört Belgien zu den Spitzenreitern in Sachen Corona-Krisenmanagement. Damit wir diese Position nicht verlieren, muss das Leck der Auslandsreisen dringend abgedichtet werden. Die Grenzen zu schließen, wie es manche Experten fordern, wäre natürlich die einfachste und deutlichste Maßnahme. Aber es wäre nur eine kurzfristige Lösung. Langfristig brauchen wir auch hier eine europäische Herangehensweise.
Am wichtigsten wäre jetzt hierzulande erst einmal, die bestehenden Maßnahmen in puncto Reiserückkehrer streng durchzusetzen. Die sind nämlich so löchrig, dass jeder nach einer Auslandsreise ohne Probleme wieder in sein normales gesellschaftliches Leben eintauchen kann.
Le Soir fühlt sich angesichts der neuen Corona-Varianten wie ein Läufer, dem jedes Mal, wenn er sich fast am Ziel glaubt, die Ziellinie ein Stück weiter weggezogen wird. Wegen dieser Varianten drohen uns wieder verschärfte Einschränkungen. Das Einzige, was ausgeschlossen scheint, ist eine Schließung der Grenzen. Und man kann die Ratlosigkeit der politisch Verantwortlichen verstehen. Sie wissen, dass neue Zwangsmaßnahmen das Land in eine noch tiefere Depression stürzen würden. Kurzfristig betrachtet scheint es aber kaum eine andere Lösung zu geben. Die Infektionsketten müssen möglichst schnell unterbrochen werden. Sonst droht uns eine blitzartige Ausbreitung des Virus und damit wieder eine Überlastung des Gesundheitssystems.
So weit sind wir glücklicherweise noch nicht. Belgien scheint für den Moment von seiner härteren Gangart seit dem Herbst zu profitieren – und von einer gewissen Immunität, weil viele Menschen das Virus schon hatten. Diejenigen, die aber jetzt die Notwendigkeit von Wachsamkeit und eines schnellen Eingreifens bezweifeln, die sollten sich die Zahlen zur Übersterblichkeit in Erinnerung rufen: Das Virus hat in Belgien 2020 18.000 Menschen das Leben gekostet.
Ohnehin bereits zu spät?
Het Laatste Nieuws fragt sich, ob es nicht eigentlich ohnehin schon zu spät ist für Grenzschließungen. Auch bei uns in Belgien soll die sogenannte britische Variante schon vieltausendfach zirkulieren. Wir können wirklich nur von Glück sprechen, dass wir im Vergleich zu anderen europäischen Ländern zahlentechnisch wirklich gut dastehen. Eine Feder mit der sich die Regierung absolut schmücken darf. Das gibt uns eine bessere Ausgangsposition. Und es kann hoffentlich verhindern, dass wir wie andere europäische Länder in einen wirklich schweren Lockdown müssen.
Gleichzeitig machen sich die Experten aber immer mehr Sorgen um die südafrikanische Virus-Variante, die noch ansteckender sein soll, und die brasilianische Variante, die sich wenig um eine Immunität aus bereits erfolgten Ansteckungen zu scheren scheint. Um den Vorsprung vor dem Virus auch in dieser neuen Phase zu erhalten, muss sich die europäische Politik jedenfalls schnell und gründlich an die neuen Gegebenheiten anpassen.
Demut vor dem Leben und seinen Unwägbarkeiten
Das GrenzEcho greift in seinem Leitartikel die Zahlen zur erhöhten Sterblichkeit des vergangenen Jahres auf. Es steht außer Frage, dass der Löwenanteil der Übersterblichkeit Covid-19-bedingt ist. Behauptungen, wonach das Coronavirus nicht zu einer höheren Anzahl an Todesfällen führen würde, dürften damit widerlegt sein.
Ein Blick auf die derzeit kursierenden Gerüchte und Mythen bezüglich der Impfstoffe zeigt, dass die Impfgegner die Waffen noch lange nicht gestreckt haben. Und auch diese Debatte wird uns lange begleiten. Spätfolgen einer Impfung kann man erst nach Jahren kennen. Auch über das Virus lernen wir noch jeden Tag Neues. Aber es ist keine Frage, dass die Wissenschaft den Menschen sehr geholfen hat. Es wäre ein großer Fortschritt für die Menschheit, wenn am Ende und trotz allen wissenschaftlichen Fortschritts in dieser Pandemie ein stärkeres Gefühl der Demut vor dem Leben und seinen Unwägbarkeiten zurückbleiben würde.
Boris Schmidt