"Belgo-belgische Verständigung über den Wiederaufbauplan", schreibt L'Echo auf Seite eins. "Sechs Milliarden verteilt – Regierungen Belgiens erreichen Einigung über europäisches Corona-Geld", titelt De Morgen. "Warmer EU-Regen für Ostbelgiens Zukunft", so die Überschrift beim GrenzEcho.
Föderalregierung, Regionen und Gemeinschaften haben sich am Abend auf einen ersten Plan zur Aufteilung der Gelder aus dem europäischen Corona-Hilfsfonds geeinigt. Diese Einigung hat es zwar noch auf viele Titelseiten geschafft, die Leitartikel befassen sich aber vor allem weiterhin mit Noch-US-Präsident Donald Trump. Gegen den strengen die Demokraten jetzt ein zweites Amtsenthebungsverfahren an – wegen seiner Rolle bei der Erstürmung des Kapitols in Washington.
Es musste eine eindeutige Antwort geben
Das Risiko ist groß, dass durch dieses Vorgehen die Gräben in den Vereinigten Staaten noch tiefer werden, warnt L'Avenir. Und die Chance, Trump so kurz vor dem Ende seiner Amtszeit noch aus dem Weißen Haus werfen zu können, ist quasi null. Aber dennoch musste es eine eindeutige Antwort geben auf den Frevel des Angriffs auf das Kapitol durch seine von ihm aufgehetzten Anhänger. Jede Passivität, selbst wenn man bedenkt, dass die Trump-Präsidentschaft ohnehin zu Ende geht, würde als Resignation und als Banalisierung dieses Angriffs auf die Demokratie interpretiert werden.
Acht Tage sind es noch bis zur Amtseinführung von Joe Biden, erinnert Le Soir. Zeit genug für Trump, noch für diverse Überraschungen zu sorgen. Einen Atomkrieg wird er wohl nicht mehr vom Zaun brechen. Aber er kann noch Gefolgsleute auf Schlüsselpositionen setzen, Aufrührer begnadigen und andere weitreichende Entscheidungen treffen. Das Amtsenthebungsverfahren der Demokraten ist angesichts des kleinen Zeitfensters vor allem symbolisch. Es geht darum, dass Trump das Kapitol angegriffen hat, das Symbol der amerikanischen Demokratie. Und das darf nicht ohne Strafe bleiben.
Die Vereinigten Staaten scheinen gespaltener denn je, kommentiert La Dernière Heure. Das sieht man am Senat, der genau zur Hälfte aus Demokraten und zur Hälfte aus Republikanern besteht. Und auf viel spektakulärere Weise am erbärmlichen Marsch der Trump-Anhänger auf das Kapitol. Die Aufgabe, die Joe Biden erwartet, ist schwierig, aber nicht unmöglich. Aus dem amerikanischen Bürgerkrieg sind die Vereinigten Staaten auch zwar schwer angeschlagen, aber vereint hervorgegangen. Man kann nur hoffen, dass sich die Geschichte jetzt wiederholen wird – allerdings ohne das Blutvergießen.
Eine überlebenswichtige Herausforderung
Andere Leitartikel befassen sich mit dem effektiven Ausschluss Donald Trumps von vielen großen Kommunikationsplattformen. Als 11. September der Sozialen Medien hat EU-Binnenmarkt-Kommissar Thierry Breton die Sperrung vieler Kommunikationskanäle Trumps durch die Technologie-Riesen Twitter, Facebook und Co. bezeichnet, schreibt L'Echo. Die Tech-Betriebe stehen in der Kritik. Auch weil sie in der Vergangenheit sehr lax waren. Und jetzt Dinge tun, die manche als Zensur bezeichnen. Dabei ist das grundlegende Problem ja nicht neu. Facebook, Twitter, Instagram und Konsorten sind zum Ventil für Frustrierte jeder Couleur geworden, zum Auffangbehälter aller Arten übelkeitserregender Äußerungen. Und das Ganze in einem als quasi rechts- und straffrei empfundenen Raum. Die Folgen sind allerdings alles andere als virtuell, das hat man beispielsweise am Sturm auf das Kapitol gesehen.
Es ist mehr als höchste Zeit, dass hier endlich regulierend eingegriffen wird. Allerdings nicht durch die Tech-Betriebe, sondern durch die Staatsgewalt und Behörden. Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist heilig und es geht nicht darum, es zu beschneiden. Aber was im echten Leben von Gesetzen untersagt ist, muss es auch in den Sozialen Netzwerken sein. Rassismus beispielsweise ist keine Meinung, sondern eine Straftat. Genauso wie Aufstachelung zum Hass, Fremdenfeindlichkeit, Verleumdungen, Aufrufe zu Mord und Gewalt oder Homophobie. Ja, die Sozialen Medien kontrollieren zu wollen, ist eine gewaltige Aufgabe. Das darf aber kein Grund sein, es nicht zu tun. Gleichzeitig muss gegen die Ursachen all der Unzufriedenheit vorgegangen werden, die so viele in die Arme der Extremisten und Verschwörungstheoretiker treibt. Diese Herausforderung anzunehmen ist überlebenswichtig für unsere Demokratien.
"Das soll mal einer verstehen"
Het Nieuwsblad befasst sich mit einem ganz anderen Thema: den Corona-Zahlen im Land. Auch wenn man den Einfluss der Reiserückkehrer außer Acht lässt, sind und bleiben die Ansteckungszahlen hoch. Untersuchungen führen 40 Prozent der Cluster auf den Arbeitsplatz zurück. Von dort findet das Virus den Weg in die Familien. Und von da weiter zu anderen Menschen, Dominostein für Dominostein. Der Arbeitsplatz ist als Motor der Pandemie viel wichtiger als jede Lockdown-Party. Dabei ist die Logik einfach: Weniger Bewegung ist gleich weniger Kontakte, ist gleich weniger Ansteckungen. Obwohl Telearbeit wo möglich verpflichtend ist, zwingen zu viele Arbeitgeber ihre Angestellten, zu kommen. Oder tun zu wenig dagegen, wenn diese selbst kommen wollen. Von mangelnden Corona-Schutzvorkehrungen in vielen Betrieben mal ganz zu schweigen. Seit Monaten heißt es, dass eine dritte Corona-Welle für die Wirtschaft tödlich wäre. Und sie könnte den ganzen Impfplan zunichtemachen. Angesichts dessen, was hier auf dem Spiel steht, ist es unbegreiflich, welche Risiken genommen werden. Und die Betriebe jammern Woche für Woche über die sie einschränkenden Regeln. Das soll mal einer verstehen.
Boris Schmidt