"Endlich die Spritzen der Hoffnung", jubelt Gazet van Antwerpen. "Operation 'Menschenleben retten' hat begonnen", so die Schlagzeile von La Dernière Heure. "Die Impf-Waffe gegen Covid-19 ist gezückt", schreibt L'Echo.
Die ersten Belgier sind gestern geimpft worden: Insgesamt waren es 288, die eine Spritze in den Oberarm bekommen haben. Das war denn auch mehr ein symbolischer Auftakt der Impfkampagne, aber immerhin.
"Ein kleiner Schritt für Jos, ein großer Schritt für unser Land", titelt jedenfalls Het Laatste Nieuws. Jos Hermans ist der erste Flame der geimpft wurde.
Der Mann ist 96 Jahre alt und gestern waren alle Blicke auf ihn gerichtet. "Jos Hermans ist jetzt weltberühmt in Flandern", schreibt Het Belang van Limburg auf Seite eins.
Während die flämischen Zeitungen nur Augen für Jos haben, würdigt Le Soir auf seiner Titelseite die drei Personen, die gestern in den drei Regionen als erste geimpft wurden. Daneben waren das nämlich die 102-jährige Josepha Delmotte aus Mons und die 101-jährige Lucie Danjou aus Brüssel.
Alle drei sind Bewohner von Alten- und Pflegeheimen. "Nächste Etappe: überzeugen", titelt Le Soir. Denn es gibt immer noch viele Menschen, die zögern, oder die sich gar strikt weigern, sich impfen zu lassen. L'Avenir verspricht auf Seite eins "Antworten auf alle Fragen, die man sich über das Impfen stellt".
Kein Sprint, aber auch kein Marathon
Vor fast auf den Tag genau einem Jahr gab es die ersten Meldungen aus China über ein neues, unbekanntes Virus. Und jetzt wurden schon die ersten Menschen geimpft, bemerkt fast enthusiastisch De Standaard in seinem Leitartikel.
Für die Wissenschaft ist das ein Triumph und Nobelpreis-verdächtig. Noch nie wurden so viele Mittel so gezielt im Sinne der Volksgesundheit eingesetzt. Dieser Kraftakt wirkt inspirierend.
Warum sollte so etwas nicht auch im Kampf gegen den Klimawandel möglich sein? Doch Vorsicht: Die Schlacht ist noch nicht geschlagen. Wir werden uns wohl leider noch eine Zeitlang an Corona-Regeln halten müssen. Wir wussten schon: Das ist kein Sprint. Doch jetzt ist klar: Es ist auch kein Marathon.
Dank Jos Hermans können wir wieder träumen, meint fast schon gerührt Het Laatste Nieuws. Jos gibt der Hoffnung ein Gesicht. Als Jos die Spritze in den Oberarm bekam, da wurde die Perspektive plötzlich greifbar: Wir werden unser altes Leben zurückbekommen. Erst langsam und dann, wenn auch andere Impfstoffe zugelassen werden, immer schneller. Man kann vielleicht schon wieder damit beginnen, Pläne für den Sommer zu schmieden.
Das Jahr der Geduld
"Bis zum Sommer werden wohl leider erst fünf Millionen Belgier geimpft sein", dämpft aber Het Belang van Limburg gleich wieder die Erwartungen. Gesundheitsexperten warnen vor übertriebenem Optimismus.
Auch 2021 wird immer noch kein normales Jahr, aber bis Mitte des Jahres könnte doch schon der Anfang gemacht sein. Das alles hängt davon ab, ob die Impfkampagne möglichst reibungslos verläuft und ob daneben auch die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie perfekt funktionieren. Hoffnung und Besorgnis werden in den nächsten Monaten wohl Hand in Hand gehen.
Es wird das Jahr der Geduld, glaubt auch De Tijd. Und das ist zugleich auch ein Appell. Viele Menschen können es nämlich kaum erwarten, geimpft zu werden. Schon macht sich Unmut breit, weil es dem einen oder anderen nicht schnell genug geht.
Das übrigens ist eins der Paradoxe unserer Zeit: Die einen meckern wegen der Schwerfälligkeit des ganzen Prozesses. Andere sind skeptisch, weil der Impfstoff in ihren Augen zu schnell entwickelt wurde.
Dieses Paradox zeigt eigentlich nur, dass Emotionen nicht immer der beste Ratgeber sind. Zu großes Misstrauen ist ebenso schädlich wie Ungeduld. Wenn 2021 besser werden soll als das ausklingende Jahr, dann sollte es im Zeichen der Geduld und des Vertrauens stehen.
Aufklären, statt noch mehr Nebel zu produzieren
Dabei kursiert schon eine Idee, wie man die Impfkampagne beschleunigen könnte. Einige Fachleute sind der Ansicht, dass man in einer ersten Phase darauf verzichten könnte, nach drei Wochen die zweite Dosis zu verabreichen. So könnte man mehr Menschen einen ersten Impfschutz geben.
"Warum kommt man erst jetzt auf diese Idee?", ärgert sich De Morgen. Musste erst eine neue Variante in Großbritannien auftauchen, damit der eine oder andere mal auf kreative Gedanken kommt? Und leider ist das bislang auch nur eine Idee. Gesundheitsminister Frank Vandenbroucke hat ja erst noch ein Gutachten in Auftrag gegeben, das frühestens in drei Wochen vorliegen wird. Wieder drei Wochen verloren!
L'Echo sieht das ganz anders. "Lasst uns doch jetzt nicht russisches Roulette mit Impfstoffen spielen!", wettert das Blatt. Davon abgesehen ist das Übel wohl schon angerichtet. Der eine oder andere könnte jetzt schon zweifeln, ob er sich die zweite Spritze überhaupt verabreichen lässt. Hier wird möglicherweise die Herdenimmunität in Gefahr gebracht.
Nach dem Kommunikationschaos der letzten Monate hätte man auf diese neuen Misstöne gut verzichten können. Aufgabe der Politik und auch der Experten sollte es sein, die Menschen aufzuklären - und nicht noch zusätzlichen Nebel zu produzieren.
"Vorsicht" ist immer noch das Zauberwort
Es gibt heute aber auch noch besorgte Schlagzeilen: "Beunruhigung über den britischen Mutanten nimmt zu", titelt De Morgen. Gemeint ist natürlich die neue Variante des Coronavirus, die in Großbritannien aufgetaucht ist und als sehr ansteckend gilt.
Virologen plädieren für striktere Einreisevorkehrungen an den Grenzen. Het Nieuwsblad drückt es so aus: "Die Angst geht um vor einem Import des Britischen Coronavirus".
Es zieht sich wie ein roter Faden durch diese ganze Corona-Krise: Gute Neuigkeiten gewinnen nie wirklich die Oberhand, meint leicht resigniert Het Nieuwsblad. 2020 hätte mit einem so hoffnungsvollen Symbol enden können: Mit dem Start der Impfkampagne.
Stattdessen folgt doch gleich wieder eine Warnung vor neuem Unheil. Kaum hat man erleichtert "Uff" gesagt, guckt doch gleich wieder ein "Uiuiui" um die Ecke. Das macht diese Zeiten eigentlich erst so schwierig. Die Botschaft ist klar: Vorsicht ist nach wie vor das Zauberwort.
Roger Pint